Neobiota – regionale und äußerst ungewöhnliche Sterneküche

Ein Fischgang im Neobiota

Habt Ihr schon einmal Kerbelknolle gegessen? Genau – so habe ich auch geschaut, als mir die Bedienung bei meinem zweiten Besuch im Neobiota in Köln das Gericht erklärte. Das Sternerestaurant liegt an der Ecke Kleine Brinkgasse/Große Brinkgasse mitten in der Stadt. Es ist relativ klein, hat viel Glas auf den beiden Gebäudeseiten zur Straße, und ist innen eher kühl eingerichtet. Mir haben die Tische sehr gut gefallen, denn die Platte ist eine Kombination aus Holz und Beton. Das einzig wirklich auffallende Element im Restaurant ist der Stern, also die Auszeichnung für sehr gutes Essen, der oben über der Arbeitstheke hängt.

Voraussichtliche Lesedauer: 6 Minuten

Neobiota: kühler Chic

Da das Restaurant sehr klein ist, sitzt man zwangsläufig eng zusammen. Im Prinzip hat man gar keine andere Wahl, als mit den Nachbar*innen ins Gespräch zu kommen. Wir haben uns beispielsweise bei unserem ersten Besuch mit dem Paar neben uns am Ende des Abends darüber unterhalten, wo in Köln und Düsseldorf man gute Sterneküche bekommt. Aber das mag auch eine kölsche Sache sein.

Übersichtliches Menü im Neobiota

Sehr praktisch finde ich das Menü im Neobiota. Wer beispielsweise über Open table reserviert, legt direkt fest, wie viele Gänge er essen möchte. So weiß man, was auf einen zukommt. Und die Köche wissen es auch. Das führt zu weniger Lebensmittelverschwendung und ist nachhaltig. Überhaupt spielt Nachhaltigkeit in diesem Sternerestaurant eine wichtige Rolle: Der Lavendel beispielsweise kommt aus dem Garten der Chefin, viele Fische und Fleisch aus der Eifel, die Apfelblüten sammeln die Mitarbeiter*innen selbst. Und der hauseigene Brotkombucha wird aus Brotresten gemacht, die zu hart sind, um sie anders zu verwenden. Auch der Preis für die Weinbegleitung wird transparent genannt. Das war in Berlin im Einsunternull anders.

Es hat geschmeckt

Das Menü selbst las sich etwas spartanisch und sehr gesund: „Gegrillter Zander mit Paprika & Wassermelone“, „Artischocke mit Topinambur & Sonnenblume“ oder „Lachsforelle mit Robinie & Hanf“. Geschmeckt hat mir letztlich alles. Vieles hatte eine unerwartete, aber köstliche Schärfe. Ich bin außerdem der Meinung, dass das Essen in diesem Jahr noch etwas experimenteller und ungewöhnlicher war, als bei meinen vorigen Besuchen. Mein persönliches Empfinden ist: Das Neobiota kratzt am zweiten Stern. Denn solche Geschmackskombinationen kenne ich eigentlich nur aus dem Ox & Klee, das ebenfalls zwei Sterne hat.

Hinzu kommt der große handwerkliche Aufwand bei jedem einzelnen Gang: Hier ein Fichtennädelchen, da Karottenpapier – die Handarbeit ist ihren Preis wert. Wer allerdings keine Lust auf geschmackliche Herausforderungen hat, sollte lieber in eines der traditionelleren Sternerestaurants in der Stadt gehen, beispielsweise ins Maibeck.

Ziemlich gut finde ich im Neobiota außerdem, dass man eine Getränkebegleitung wählen kann, die zur Hälfte aus Alkohol besteht, zur Hälfte aus nicht-alkoholischen Getränken. Das war bei uns beispielsweise ein Brennesselsud mit Essig, eine Kombination aus Heidelbeere, Granatapfel und Ingwer oder eben zweierlei Kombuchas.

Bei meinem ersten Besuch im Neobiota habe ich übrigens gelernt, dass man das Radieschengrün essen kann – und dass es auch noch schmeckt. Seither gab es das schon im Salat, gekocht oder als Pesto. Ich danke für diese tolle Anregung!

Reservierung mit Strafandrohung

Wer über das Internet reserviert, muss seine Kreditkartennummer hinterlegen. Das ist heute ja gar nicht mehr so ungewöhnlich. Wenn man nicht kommt, wird trotzdem ein Betrag X fällig. Ich finde das zwar den Restaurants gegenüber fair, weil ich immer wieder von No Shows höre. Andererseits denke ich, dass so alle Gäste unter Generalverdacht genommen werden, einen reservierten Tisch nicht abzusagen. Und das wiederum mag ich nicht so gerne. Davon abgesehen gibt es eben auch bei Gästen unvorhergesehene und schwierige Situationen.

Bei meinem zweiten Besuch zum Beispiel war ich mit zwei Freunden dort. Der eine arbeitete in Düsseldorf und musste dementsprechend früh dort losfahren, um pünktlich zum Abendessen in Köln zu sein. Just an diesem Abend hatte er aber leider unvorhergesehen eine wichtige Konferenz am späten Nachmittag aufs Auge gedrückt bekommen. Auf meine Nachfrage im Restaurant, wie wir damit umgehen wollen, gab es nur eine Lösung: Entweder er kommt – oder er kommt nicht.

Im zweiten Fall hätten wir trotzdem den vollen Menüpreis bezahlen müssen. Was mir noch angeboten wurde: Wir könnten später mit dem Essen beginnen, so dass derjenige, der aus Düsseldorf kommen sollte, mehr Puffer hat. Mein Vorschlag, eventuell nur die Hauptspeise zu nehmen und zu bezahlen oder später einzusteigen und anteilig zu bezahlen, wurde abgelehnt. Fair fand ich das nicht – schließlich war es kein böser Wille von uns. Tatsächlich ist das auch ein Grund, warum ich andere Restaurants bevorzuge. In diesem Jahr aber war das Neobiota der perfekte Ort für mein Geschäftsessen. Und rein geschmacklich hat sich das auf jeden Fall gelohnt.

Ich habe übrigens zu diesem Thema schon einmal einen ausführlichen Artikel geschrieben, in dem auch ein Rechtsanwalt zu Wort kommt.

Dieser Artikel ist ursprünglich aus dem Juli 2019. Er wurde im März 2020 und im Oktober 2023 aktualisiert.

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