Wüsste man nicht, dass das langgezogene Lehmgebäude mit den gekreuzten Bananenblättern am Eingang eine Kirche ist, würde man es nicht als solche erkennen. Sonntags, bevor gegen 10 Uhr der Gottesdienst beginnt, trifft sich hier, an der katholischen Kirche in Yamba, Tansania, die Gemeinde. Die Männer rechts davor am Felsen, die Frauen und Kinder links davon. Fast jeder begrüßt jeden mit Handschlag und den hier üblichen Worten Onga – Tiwedi und Shikamoo – Marahaba, die ich schon an meinem ersten Tag hier kennengelernt habe.
Überall Menschen
Zum Gottesdienst tragen alle ihre beste Kleidung. Männer Hemden und Bundfaltenhosen, Frauen die buntesten Kangas um die Hüfte gewickelt und über der Schulter oder über dem Kopf, sowie hängende Ohrringe. Vor der Kirche liegt im roten Sand eine Glocke. Sobald ein Gemeindemitglied sie aufhebt und beginnt, sie zu läuten, darf die Kirche betreten werden. Zwei Männer weisen die Plätze an, Widerspruch ist nicht erwünscht. Die Männer sitzen rechts vorne, die Frauen links und rechts hinten.
Der Kirchenchor steht vorne rechts an der geweißten Wand, unter einem der vier Fenster, links unter dem Holzkreuz. An den Wänden hängen in schiefen Rahmen mit zerbrochenen Scheiben fleckige Bilder von Heiligen. Die niedrigen Bänke aus grobem Holz sind voll: Fünf Erwachsene und vier Kinder zähle ich in unserer Reihe. Knien ist so nicht möglich. Sitzen wir, hat das Kind in der Reihe vor mir meine Knie im Rücken, und ich die der Frau hinter mir im Po. Viele Frauen und Mädchen tragen außerdem auf ihrem Rücken in ein buntes Tuch gewickelt ihr kleines Kind oder das Geschwisterchen. So wird der Abstand zum Vordermann noch enger. Ab und zu schlängelt sich von irgendwo eine Kinderhand heran und pickst mich in die Seite oder ans Knie.
Eine Taufe in Yamba
Unter dem Blechdach und in dieser Menschenmenge wird es schnell unerträglich heiß. Dabei ist es heute draußen nicht viel wärmer als im deutschen Frühling ist. Zwischen uns fliegen Insekten, ich vermute, es sind Wespen, auch wenn sie doppelt so lang wie in Deutschland, aber deutlich dünner sind. Zwei Neugeborene werden heute getauft. Ihre Mütter tragen sie herein. Der Pfarrer spritzt aus einer Plastikflasche Wasser auf sie, aus der Frauenmenge ertönt ein spitzer Schrei, und fertig ist die Prozedur. Im Gesang des Chors und bei der Predigt verstehe ich so gut wie nichts: bwana heißt Herr, kazi ist Arbeit und kufanya kazi heißt arbeiten.
Auch in Tansania erwartet man beim Gottesdienst Spenden
In der deutschen Kirche sammelt man oft für die Armen in Afrika Geld. Auch im armen Afrika in Yamba erwartet man von den Gemeindemitgliedern eine Spende. Was mit dem Geld passiert, weiß ich nicht. Bei der Kollekte werden, so erklären mir Ehrenamtliche, die schon länger dabei sind, Bezirke aufgerufen. Wer im genannten Bezirk lebt, springt auf, bahnt sich seinen Weg zwischen Kinderköpfen und Erwachsenen hindurch in den Mittelgang und geht zum Altar. Dort wirft man seine Spende in einen Korb. Von uns werden 2.000 tansanische Schilling erwartet, das entspricht etwa einem Euro. Nach der Kirche stehen Frauen und Männer wieder getrennt auf dem Platz davor. Man tauscht sich über die Neuigkeiten des Tages aus. Langsam verläuft sich die Menge, wir müssen etwa 15 Minuten den Berg hinauf und hinab gehen. Andere Gemeindemitglieder haben einen deutlich längeren Heimweg vor sich.