Ein virtuelles Weintasting auf italienisch: Das Restaurant Piccola bietet in regelmäßigen Abständen Weinproben mit Menü für zuhause an. Essen habe ich dort wohl schon bestellt – aber eine Weinprobe? Wie würde das wohl sein? Allerdings: In Corona-Zeiten hat man ja nicht so viel Abwechslung. Also kann man das einfach mal ausprobieren. Mein Fazit: top – in jeglicher Hinsicht.
Angefangen damit, dass die Weinprobe super organisiert ist: Eine gute Woche vorher kam eine Mail mit den Infos zum Abholen der Probierbox und dem Link zum Event. In der Box gab es einen detaillierten Ablaufplan: Wann trinken wir den Aperitif? Den Wein? Den Digestif? Wann muss das Essen erwärmt und gegessen werden? Wann erzählt der Winzer was? Auch positiv: Der Zeitplan wurde bestens eingehalten – und spontan ergänzt. Beispielsweise um einen gast, der auf seiner Gitarre ein kleines Konzert gab. Und zwei Gesangseinlagen von allen Teilnehmer*innen: Wir haben Viva Colonia und Bella Ciao geschmettert.
Die Weine waren nicht immer ganz mein Fall, aber sie waren trotzdem gut. Vor allem mit dem Rotwein aus Südtirol hatte ich ein bisschen Probleme. Ich habe ihn irgendwo zwischen muffig, rauchig und ledrig geschmeckt. Er wurde aber mit jedem Schluck besser. Dafür war mir der Lugano etwas zu geschmacklos. Aber immerhin haben es alle Weine geschafft, gut zum Essen zu passen. Eine nicht ganz einfache Aufgabe, denn man hatte die Wahl zwischen Fisch, Fleisch und Veggie. Die Weine musste also zu allen passen. Würde ich jederzeit wieder machen.
Ganz anders war das Wein-Tasting des Kölner Weinkellers:
Virtuelles Weintasting beim Kölner Weinkeller
„Mein erster Vollrausch“ – wetten, dabei hast du sofort ein Bild vor Augen? Sommelière Verena Herzog erzählt scherzhaft beim virtuellen Weintasting „Absolute Beginners“ vom versehentlichen Alkoholgenuss in jungen Jahren. Veranstaltet wird das Tasting vom Kölner Weinkeller, einer echten Goldgrube für Weinfreunde. Weil dort während der Corona-Pandemie keine Verkostenden angeboten werden dürfen, buchen Kunde jetzt eben Online-Kurse. Dann bekommt man ein großes Paket mit den zu verkostenden Weinflaschen und einigem Infomaterial zugeschickt. Da die Teilnehmer*innen sonst viele offene Flaschen zuhause stehen hätten, dürfen bis zu sechs Leute pro Buchung teilnehmen.
Verkostung vorbereiten
Zum vereinbarten Termin soll man Butter, Pfeffer, grüner Apfel und ausreichend Gläser bereithalten, dann kommt per Mail noch ein Link für eine Videokonferenz – und los geht’s. Ein kurzer Abriss der Weingeschichte – speziell in Europa. Wusstest du beispielsweise, dass die Reblaus 80 Prozent der europäischen Weinanbaugebiete vernichtet hatte? „Dafür gibt es hier jetzt nur noch beste Weinlagen“, so die Sommelière.
Auch über Lagen spricht sie, über den Boden, die Sonne und die Lese. Nebenbei wird natürlich auch verkostet: ein Riesling von Dr. Bürklin – der bei meinen Mittrinken nicht so gut ankommt. ein Chardonnay, ein Sauvignon Blanc, ein Spätburgunder und ein Bordeaux. Spannend war für mich zu erfahren, dass dunkler Weißwein schon älter und reifer ist. Beim Rotwein sei es andersrum: Je heller er ist, desto älter ist er auch. Und interessant auch ihre Infos zum Weinstein: Je jünger der Wein, desto mehr Kristalline bei Kühlung. Weinstein, so die Expertin, sei überhaupt nichts Schlimmes sondern Natur pur.
Spanischer Wein bei der ersten virtuellen Weinverkostung
Ganz anders war mein erstes Corona-Weintasting übers Internet. Es führte uns per Videochat nach Spanien. Der Himmel dort war tiefblau, die Wolken in der Sierra de Gredos, etwa 90 Kilometer von Madrid entfernt, nicht viel mehr als weiße Bleistiftstriche. Fabio Bartolomei, der Winzer, ist eher zu erahnen bei unserer Weinverkostung per Videokonferenz, er hat Licht im Rücken. Seinen Wein haben wir bereits einige Tage vorher in der Kölner Weinbar Rix gekauft. Zum vereinbarten Termin sitzen wir mit etwa 20 anderen Leuten zuhause vor unseren Laptops oder Tablets. Das ist, als ob man gleichzeitig in ganz vielen Wohnzimmern bei Fremden in Düsseldorf, Hamburg oder Köln eingeladen wäre. Und zusätzlich eben in Spanien.
Fabio ist übrigens eher durch Zufall Winzer geworden. Früher hatte er einen Bürojob. Doch das war ihm zu langweilig. 2003 begann er als Hobbywinzer. Den Weinanbau hat er sich dann als Autodidakt beigebracht, allerdings ist er weit davon entfernt, typischen Mainstream zu kultivieren. Er nutzt keine Pestizide, keine Sulfite, keine Eichenfässer. Seine Trauben presst er nur – und das war’s. Zu seinen etwa 15.000 Kilo Trauben kauft er nochmals ungefähr dieselbe Menge bei Bauern, denen er vertraut, hinzu. 25.000 Flaschen produziert er so im Jahr, mehrere hundert Liter muss er wegschütten oder zu Essig machen, weil sie ihm nicht gelungen sind. Aber es ist ihm wichtig, dass keine Chemie an seinen Wein kommt, denn die will er als Verbraucher auch nicht haben. Und besser für die Umwelt ist es sowieso. Darum erklärt er auch ausführlich auf jeder Weinflasche, was genau er macht – aber auch, was er eben nicht macht.
Virtuelles Weintasting mit vollem Geschmack
Manchego und Knabber Schöne Farbe Alle drei Weine Der zweite Wein aus Spanien
Alle drei Weine sind sehr fruchtig, der erste hat 13,75 Prozent, die man einfach nicht schmeckt. Allerdings beginnt nach dem zweiten Glas das Karussell sich ganz langsam zu drehen – es muss also Alkohol enthalten sein. Fabios Vinos Ambiz sind Naturweine, sicherlich nicht jedermanns Sache. Ganz wichtig ist bei ihnen, sie kalt zu trinken. Sind sie zu lange im Glas und darum zu warm, mag ich zumindest sie nicht mehr. Der zweite Wein habe eine Farbe wie Sanddorn, merkt einer der Teilnehmer an. Er schmecke nach Sellerie. Mich erinnert er an geräucherten Schinken. Auf jeden Fall passt er super zum Manchego und den Meersalz-Knuspererbsen, die wir uns zur Verkostung besorgt haben. Und nach dem zweiten oder dritten Schluck wundere ich mich nicht mehr über den Geschmack.
Schönstes Etikett
Der dritte Wein ist Fabios Lieblingswein, darum hat er auch ein Etikett bekommen, das ein Künstler entworfen hat: Alba heißt der Wein, das Etikett ist im Jugendstil. Und Alba erobert unser aller Herzen bei diesem virtuellen Weintasting schon mit dem ersten Schluck. Manche schmecken darin Vanille, Weihnachtsgewürze oder Grapefruit. Das kann ich alles nicht entdecken, aber ich mag ihn trotzdem. Das Besondere an diesem Wein: Er wird in einer Amphore gemacht, die 2000 Liter fasst. Wir sind alle beeindruckt, keiner kann sich das so richtig vorstellen. Da nimmt Fabio kurzerhand das Smartphone in die Hand und führt uns digital über die Bodega. Das ist ein echtes Highlight!
Tipp fürs virtuelle Weintasting: Macht das Mikrofon nur dann an, wenn Ihr etwas sagen wollt. Sonst hört man jedes Geräusch: Das geflüsterte Wort zum Partner, das Naseputzen, das Scharren des Stuhles auf dem Boden. Das kann für die anderen durchaus nervend sein.
Virtuelle Weinverkostungen sind in Zeiten von Corona übrigens sehr gefragt: Das Deutsche Weininstitut hat dazu eine Liste von Winzern veröffentlicht, die solche Veranstaltungen anbieten.
Virtuelles Weinfest: Viel lustiger, als erwartet
Eine tolle Idee hatte übrigens auch die Südliche Weinstraße mit dem Weinfest für Dehäm: Teilnehmer*innen bekamen zwei Flaschen Wein zugeschickt, Mehl für Flammkuchen, einen Kastanienkuchen und jede Menge Infomaterial. Zugegeben: Mit dem Flammkuchenrezept kam ich nicht klar. Aber das Ergebnis hat trotzdem geschmeckt.
Zu einer vorgegebenen Zeit startete dann der Livestream mit Expertengesprächen, Live-Musik und Unterhaltungseinlagen eines Zauberers. Im Chat auf YouTube konnte man sehen, wo die Teilnehmer*innen saßen: Nicht nur über ganz Deutschland verteilt, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas. Toll! Wir haben herzlich gelacht, gut getrunken und gegessen und hatten trotz Lockdown einen wunderbaren und coronakonformen Abend. Davon abgesehen haben mich die Weinwanderungen in der Region sehr inspiriert. Vielleicht klappt es damit ja im Laufe des Jahres mal.