Im ersten Moment glaube ich, nicht richtig verstanden zu haben. Um mich herum sind kahle weiße Wände, die Orgel hinter mir in der Höhe soll ich mir vorstellen. Ebenso das Kirchengestühl und mögliche Wandmalereien. Ich stehe in der Kirche im ehemaligen Kloster Dalheim im Teutoburger Wald und wundere mich über die Schlichtheit. Vier Jahre wurde die Kirche restauriert, doch als Laie sehe ich dem Ergebnis den Aufwand nicht an. Als Petra Hartmann, Gästeführerin im Kloster Dalheim, weiterspricht, wird mir klar, in welchem Dilemma die Restauratoren waren. 800 Jahre alt ist die Anlage, zu Beginn war sie Frauenkloster, später Chorherrenstift. Schließlich hausten Pferde in der einstigen Kapelle und ein Heuboden war in dem hohen Raum eingezogen worden. Wie also sollte man restaurieren? Hochmittelalterlich oder barock? Als Kloster oder als Landwirtschaftsbetrieb?
Ausgezeichnete Ausstellung
Das Ergebnis ist ungewohnt und modern: Um möglichst viele Stationen aus der Vergangenheit zu zeigen, wurde Geschichte nur angedeutet. Hier scheint eine Inschrift an der Wand durch, dort steht symbolhaft ein schwarzes Bettgestell. Es demonstriert die Größe des Platzes, den ein Mönch im Dormitorium hatte. Für die Umsetzung der so sparsam gestalteten Ausstellung wurde das Kloster 2011 mit dem Red Dot Award ausgezeichnet.
Stiftung Kloster Dalheim – LWL-Landesmuseum für Klosterkultur hat jährlich etwa 75.000 Besucher, die meisten kommen aus der Region. Im Kloster gibt es regelmäßig Sonderausstellungen – bis 12. November noch zum Leben Luthers und der Interpretation seines Werkes über die Jahrhunderte. Gut gemacht, finde ich, den an bestimmten Punkten spricht Luther in Lebensgröße zu mir oder checkt schnell sein Smartphone. Außerdem kann man sich Filmausschnitte ansehen oder Audiobeiträge anhören. Im Laufe des Jahres gibt es zusätzliche Veranstaltungen wie einen Klostermarkt im Sommer oder einen Weihnachtsmarkt sowie weihnachtliche Konzerte.
Klosterkultur lebendig gemacht
Ich bin froh, Petra Hartmann bei mir zu haben. Sie lässt durch ihre Geschichten und Geschichtchen das längst vergangene Klosterleben in meinem Kopf lebendig werden. Die Gästeführerin hat Kunst studiert und lange als Lehrerin gearbeitet. Doch mit ihrer Arbeit im Kloster Dalheim hat sie ihre Berufung gefunden. Ihre Augen glänzen und in ihrer Stimme schwingt Begeisterung, wenn sie mir vom klösterlichen Paradies erzählt. Sein Zentrum war im Inneren des Kreuzgangs. Vom Gang selbst, einem Mehrzweckraum zum Haare schneiden und Wäsche trocknen, zum Lesen und mit Blick an die aufwändig bemalten Decken zum Meditieren, gehen dicke Holztüren ab. Da ist das Scriptorium, in dem die Kunst des Schreibens verdeutlicht wird. Das Parlatorium, in dem die Augustiner, die die meiste Zeit schwiegen, miteinander reden konnten. Oder das Kalefaktorium, in dem man sich täglich eine Stunde aufwärmte.
Spaziergang rund ums Kloster Dalheim
Eine Wendeltreppe führt ins Dormitorium, dorthin, wo die Augustiner in einem großen Raum schliefen, bei Licht, damit nichts Unsittliches passierte. Und weil die Gebete der Brüder kurz nach Mitternacht begannen, ist die Treppe nah an der ehemaligen Kirche. So war der Weg, den sie auch nachts häufig gingen, kurz. Eine wichtige Voraussetzung für Menschen, die sich dem Leben mit Gott verschrieben haben. Ihre Aufgabe war es für die Familie, aber auch für die gesamte Welt zu beten. Ihr irdisches Leben organisierten derweil Laienbrüder. Das Kloster hatte Viehzucht, Hopfen, Gemüse, Milch – es musste nur wenig von außen besorgt werden. Wein und Salz beispielsweise.
Einkaufstipp: Wer ein Stück des Paradieses mit nach Hause nehmen möchte, kauft im Klosterladen ein. Marmelade, Tee, Bier oder Nudeln – hier finden sich viele Produkte aus klösterlichen Produktionen. Die Augustiner selbst hatten übrigens 160 Fastentage im Jahr.
Wie groß die Dalheimer Anlage ist, sieht man am besten bei einem Weg rund ums Kloster. Er dauert etwa 45 Minuten und führt durch Wiesen und entlang der Tierweiden bis auf die Höhe eines ehemaligen Steinbruchs. Von dort kann man die gesamte Anlage überblicken. Der Weg führt dann hinunter durchs Dorf, in dem heute etwa 120 Menschen leben. Schilder am Straßenrand zeugen davon, dass das Zusammenleben hier nicht immer friedlich verläuft: Sie verweisen Klosterbesucher auf den offiziellen Parkplatz. Zu viele hatten ihr Auto im Ort abgestellt.
Ausstellung zur Geschichte von Kloster Dalheim
Im Kloster gibt es auch eine Ausstellung zur Säkularisation, die das heutige NRW ab 1803 traf. Das Kloster war wohlhabend, zu wohlhabend für die Landesherren, die von diesem Reichtum etwas ab haben wollten. Man löste das Kloster auf, die Brüder gingen als Priester in die Gemeinden. In die heiligen Hallen zog ein Landwirtschaftsbetrieb ein, Steine aus den Klostermauern nutzte man, um Straßen zu pflastern. Heute lässt sich beim Spaziergang durch die Gärten und entlang der Gebäude wieder erahnen, wie das Leben hier einst gewesen ist.
Mein Tipp: Macht den Rundweg ums Kloster bevor es öffnet! Dann habt ihr die Natur noch fast für Euch alleine und könnt die Ruhe und den Ausblick genießen.
Ich habe für die Führung nichts bezahlt und auf Kosten des Museums der Stiftung im Rahmen der #TeutoBloggerWG umsonst zu Mittag gegessen.
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