Interrail – für mich versprach der Begriff als Jugendliche die große Freiheit. Allerdings habe ich mich dann irgendwie nie getraut, ein Ticket für eine Zugreise durch Europa zu kaufen, und einfach loszufahren. Das habe ich lange bedauert. Bis 2022 Interrail 50 wurde und zu diesem Jubiläum 50 Prozet Rabatt auf alle Tickets gab. Also haben wir beim Blitzsale zwei Monatspässe gekauft, offizieller Name: Global Pass. Und los ging‘s.
Zum Start unserer Zugreise an einem Freitagnachmittag nach Rotterdam, dann Brüssel, Lyon, Bern und Turin. Weiter über Venedig, Ljubljana, Budapest, Linz, Bratislava und Brünn. Und von dort in zehn Stunden mit zweimal umsteigen und durch drei Länder zurück nach Köln. Angekommen sind wir mit drei Minuten Verspätung. Fantastisch.
Wie haben wir unsere Ziele ausgesucht?
Zunächst hatten wir die Idee, bei unserer Zugreise in viele kleinere Städte zu fahren, die man eher nicht kennt. Schnell hat sich aber gezeigt, dass man dann zu lange im Zug sitzt. Das ist okay, wenn man unbegrenzt Zeit hat. Wer aber nur zehn Tage Urlaub hat, sollte lieber zwischen großen Städten unterwegs sein. Dort allerdings fahren häufig die reservierungspflichtigen Schnellzüge. Und die machen Interrail durchaus nochmals teurer. Denn dieSitzplätze reserviert man üblicherweise über die Interrail-App. Und der Anbieter verlangt eine deftige Gebühr. Zwischen 10 und 30 Euro muss man dafür einplanen.
Die Sache mit der Sitzplatzreservierung bei Interrail
Alternativ kann man die Sitzplätze bei einigen Anbietern wie der Deutschen Bahn oder den Österreichischen Bundesbahnen unabhängig vom Ticket und direkt über die Webseite buchen. Das ist günstiger. Oder man kauft sie direkt am Schalter – bekommt dann aber vielleicht keinen Platz mehr im nächsten Zug. Sitzplätze sollte man möglichst etwa sechs Wochen im Voraus reservieren.
Bei einigen Bahngesellschaft kann der Onlinekauf schwieriger werden, weil
- er gar nicht möglich ist
- die Sprachbarrieren zu hoch sind, um die die Internetseite zu verstehen
- das Reservierungsticket ausgedruckt werden muss – was von unterwegs schwierig ist
- manchmal Züge aus anderen Ländern auf der gewählten Strecke unterwegs sind, was man der App aber nicht entnehmen kann. Dann müsste man über die Internetseite des Zuganbieters reservieren, der dort aktiv ist, und nicht über die des Anbieters, in dessen Land man fährt.
Wir haben bei unserer Zugreise natürlich selbst eine ganze Menge gelernt – fürs nächste Mal. Das wird es definitiv geben. Wir wollen nämlich 2024 drei Wochen Zugurlaub in Europa machen, weil es uns so viel Spaß gemacht habt. Das sind unsere Zugfahrerkenntnisse:
Unsere Tipps für ein optimales Interrail-Erlebnis
- In den Niederlanden muss man sein Ticket scannen, um den Bahnhof verlassen und wieder betreten zu können. Klappt das nicht, spricht man einen Bahnhofs- oder Sicherheitsmitarbeiter an.
- Züge sind an Wochenenden ziemlich voll. Wer dann Zug fahren möchte, sollte früh genug einen Sitzplatz buchen. In nicht-reservierungspflichtigen Zügen muss man möglicherweise auf einem Klappsitz im Gang oder auf dem Boden sitzt.
- In vielen Hochgeschwindigkeitszügen ist ein Namensschild am Gepäck Pflicht.
- In Frankreich oder der Tschechischen Republik wird das Gleis oft erst kurz vor der Abfahrt bekannt gegeben. Die App der Deutschen Bahn kann Anhaltspunkte geben, auf welchem Gleis ein Zug einfährt – auch international. Es gibt aber keine Garantie dafür, dass das Angezeigte stimmt. In den Bahnhöfen ausgehängte Papierfahrpläne sind allerdings auch nicht verlässlich.
- Wer auf Zugreise durch Europa fährt, braucht einen Mobilfunktarif, der in anderen Ländern gilt und ausreichend Datenvolumen. Denn nicht in allen Zügen ist ausreichend schnelles W-LAN vorhanden, um beispielsweise eine Verbindung zu checken.
- Weil es mobiles Internet nicht überall entlang der Zugstrecken gibt, kann es sein, dass man sein Ticket nicht vorzeigen kann. In diesem Fall bitte nicht panisch werden und nicht unüberlegt Schaltflächen in der App klicken. Es kann helfen, die App zu schließen und wieder zu öffnen. Die Schaffner*innen kennen das Problem aber üblicherweise und kommen einfach später nochmals zur Kontrolle.
- Zugreisende sollten einen kleinen Rucksack zusätzlich zu ihrem Gepäck bei sich haben: Wasser, etwas zu knabbern, ein Buch oder ein eReader und das Ladekabel sollte man bei sich haben. Außerdem gibt es nicht in jedem Zug Steckdosen. Eine Power Bank ist darum sinnvoll, um bei einer Kontrolle nicht wegen eines leeren Akkus kein Ticket zeigen zu können.
- Wer in der Schweiz mit dem Zug ankommt, muss unter Umständen am Bahnhof durch den Zoll. Wer noch weiter fährt, sollte einen entsprechenden zeitlichen Puffer einplanen.
- Wer seine Zugreise Wochen oder Monate vorher plant, sollte am Abend vor einem Reisetag nochmals die Zugzeiten überprüfen. Es kann Änderungen im Fahrplan gegeben haben.
Was unsere Freund*innen gefragt haben
Besonders spannend fand ich, dass viele unsere Freund*innen keine konkrete Vorstellung davon hatten, wie Interrail eigentlich funktioniert. Diese Fragen wurden uns gestellt:
Können nicht nur junge Menschen Interrail-Tickets kaufen?
Nein. Aber junge Menschen und Senioer*innen bekommen Rabatte.
Schläft man dann im Zug?
Nein. Man kann zwar mit dem Interrail-Ticket auch Nachtzüge nutzen, aber wir haben in Hotels übernachtet.
Zehn Städte – habt ihr dann in jeder Stadt ein Hotel gebucht?
Ja. Und zwar immer so, dass der Weg vom Bahnhof nicht zu lang war. Denn wenn man sowieso nur wenig Zeit hat, will man diese nicht noch mehr durch die Anfahrt zum Hotel beziehungsweise Bahnhof verkürzen. Wir haben in einigen Städten außerdem auf eine möglichst lange Stornierungsfrist geachtet, die natürlich zusätzlich kostet. In Budapest beispielsweise, weil bis zuletzt nicht klar war, ob wir dort wie geplant ankommen würden.
Zehn Hotels, das muss doch sehr teuer gewesen sein?
Jein. Wir haben versucht, möglichst günstig zu buchen. Das ist über einige Apps möglich, aber auch durch die Teilnahme an Kundenbindungsprogrammen. Dieser Mix hat für einen guten Durchschnittspreis gesorgt. In Bern haben wir übrigens in der Jugendherberge übernachtet. Sie war mit 160 Euro deutlich günstiger als die Hotels. Das Zimmer konnte man ohne Jugendherbergsausweis über hotel.com buchen. Gleichzeitig war das mit Abstand das teuerste Zimmer der Reise.
Seid ihr auch mal aus dem Zug ausgestiegen, oder nur gefahren?
Wir sind jeden Tag ausgestiegen. Unsere Fahrten pro Tag waren im Schnitt vier Stunden lang. Wenn man morgens losfährt, kommt man mittags an und hat noch einen halben Tag für eine Stadt. Das hat prima geklappt. Nur in Venedig und Budapest war die Zeit zu knapp. Wir haben unseren Aufenthalt dort als Aperitif verstanden und werden dorthin zurückkehren.
An einem halben Tag kann man doch eine Stadt gar nicht richtig erleben, oder?
Kommt drauf an. Es gibt Städte, die sind einfach klein. Bratislava, Bern oder Brünn beispielsweise. Dort reicht ein halber Tag. Andere Städte wie Brüssel oder Rotterdam sind natürlich größer. Da reicht die Zeit nicht. Aber wir waren in diesen Städten schon und haben dieses Mal den Fokus einfach auf Themen gelegt, die wir beim letzten Aufenthalt nicht so dringlich fanden. Letztlich reicht die Zeit in einer Stadt ja selten, um wirklich alles zu sehen, egal, wie lange man dort ist. Und Budapest und Venedig werden wir sicherlich ein weiteres Mal ansteuern.
Ein Global Pass für nur zehn Tage, lohnt sich das denn?
Wir hatten ja 50 Prozent Rabatt aufs Ticket, das hat sich für unsere Zugreise schon gelohnt. Davon abgesehen sind wir an den zwei Wochenenden nach unserer Tour nochmals unterwegs gewesen, und zwar in Antwerpen, Liège und Namur. Die Fahrt bis zur Grenze und von der Grenze nach Hause haben wir natürlich separat gezahlt.
Interrail in aller Kürze
Es gibt One-City-Passes und den Global Pass, der für alle teilnehmenden Länder gibt. Die Tickets gibt es für unterschiedliche Zeiträume und außerdem auf Papier und als Online-Ticket. Bis das Papier-Ticket da ist, kann es einige Tage dauern. Das Online-Ticket ist fast sofort nutzbar.
Mit dem Interrail Global Pass kann man durch 33 europäische Länder fahren. Eine Übersicht gibt es auf der Internetseite von Interrail.
In der App hinterlegt man sein digitales Ticket. Dann stellt man sich seinen Trip zusammen, indem man über die Suchfunktion jeweils den Start- und Zielbahnhof eingibt und die passende Verbindung speichert. Ist der Zug reservierungspflichtig, bekommt man dazu eine Info und wird zur Reservierungsmöglichkeit weitergeleitet. Am Ende verbindet man sein Ticket per Knopfdruck mit dem Trip. Bevor man in den jeweiligen Zug einsteigt, aktiviert man die entsprechende Fahrt in der App – und los geht’s.
Jeder Tag, an dem du mit dem Zug fährst, ist ein Reisetag.
Dann nimmst du den nächsten. Bei Zügen mit Sitzplatzreservierung sprichst du besser einmal das Personal am Bahnhof oder im Zug an.
Das Interrail-Ticket kauft man am besten online.
Das kommt natürlich immer darauf an, was man will. In dem Buch „Die schönsten Reisen mit dem Zug“ (Werbe-Link), das mir der DK Verlag kostenlos zur Rezension überlassen hat, sind tolle Zugreisen, die beispielsweise von Paris bis Istanbul oder Santiago de Compostela führen. Auch Reisen innerhalb eines Landes werden dort vorgeschlagen. Ich habe mir für unsere Reise immer die Routeninfos durchgelesen, die gerade gepasst haben. Und so beispielsweise in Brüssel das Stalingrad-Viertel entdeckt oder in Bratislava den ersten öffentlichen Park Mitteleuropas.