Belgien: Brügge und Gent an einem Wochenende entdecken

Burg
Gent entdecken
Gent entdecken

Brügge soll die romantischste Stadt in Belgien sein. Tatsächlich ist der Ortskern mit seinen schiefen, alten Häuschen ausgesprochen malerisch. Vermutlich hat der Stadt auch der Film „Brügge sehen und sterben“ einen gewissen Touristenauftrieb gegeben. Dort sind zwei Gauner an den schönsten Ecken der Stadt unterwegs – auf der Flucht vor der Polizei, vor anderen fragwürdigen Personen und vor sich selbst. Am Ende der Geschichte treffen sich zwei Hauptcharaktere auf dem Belfried, dem Glockenturm der Stadt. Er ist eines von Brügges Wahrzeichen, doch als wir gegen Mittag dort ankommen, reicht die Schlange derer, die hinauf wollen, schon über die Freitreppe bis in den Hof. Nein, entscheiden wir. Dann nicht – schließlich sind im November die Tage kurz, und es gibt noch viel zu sehen.

Das Schokoladenmuseum in Brügge: muss nicht sein

Vom Marktplatz gehen wir darum das kurze Stück durch die Altstadt zur Burg. Tatsächlich steht hier keine Burg mehr, aber der Platz heißt so, weil hier früher eine Burg stand. Der Platz ist mit seinem historischen Rathaus trotzdem sehr entzückend. Allerdings füllt er sich, wie die gesamte Stadt, auch schnell mit Touristen – speziell am Wochenende. Wir bewegen uns etwas aus der Menge heraus, indem wir zum Schokoladenmuseum gehen. Als Kölner ist man in diesem Fall etwas verwöhnt. Zwar ist die Geschichte der berühmten belgischen Schokolade ganz interessant. Aber das Kölner Schokoladenmuseum ist um Welten besser. Ich empfehle darum, das Eintrittsgeld besser direkt im Shop in Schokolade anzulegen.

Gute Schokolade hat in Brügge ihren Preis

Erstbesucher Belgiens seien allerdings gewarnt: Für die sieben Euro Eintritt ins Schokoladenmuseum bekommt man nicht viel Nascherei. Zwar klingen die Sorten sehr verführerisch – Lavendel, Meersalz, Spekulatius – doch eine Tafel kostet selten unter drei Euro. Wir entscheiden uns für eine für 3,50 Euro. Da sie recht dick verpackt ist, entgeht uns, dass sie statt 100 nur 80 Gramm wiegt. Tatsächlich ist sie sehr gut, zweifelsohne. Aber den Geschmack des Grünen Tees, der auf der Verpackung versprochen wird, können wir nicht einmal erahnen.

Vom Schokoladen- ins Frittenmuseum in Brügge

Wer ins Schokoladenmuseum in Brügge geht, kann ein Kombiticket kaufen und damit ein wirklich ungewöhnliches anderes Museum besuchen: das Frittenmuseum. Dort geht es im Wesentlichen um die Kartoffel und ihre Geschichte. Aber auch darum, wie viel Kartoffeln und Fritten in Europa und speziell in Belgien im Jahr gegessen werden. Auch zu den gesundheitlichen Aspekten der Knolle gibt es im Museum Informationen. Und im Keller kann man die Leibspeise der Belgier, eben die Fritten, dann auch direkt essen. Wir bevorzugen es, sie an einem der beiden Frituur-Wagen vor dem Belfried zu essen, mit Pfeffersauce und – Vorsicht scharf – mit Samurai-Sauce.

Dann wird es Zeit, den Touristenmassen zu entkommen. Die schmalen Bürgersteige in der Altstadt sind am frühen Nachmittag so voll, dass immer mehr Besucher auf der Straße gehen. Das ist sehr zum Ärger der hupenden Auto- und der klingelnden Fahrradfahrer. Wir erreichen schließlich den Beginenhof hinter seinen Mauern, ein Kloster, in dem um Stille gebeten wird. Die weißen Häuser säumen den baumbestandenen Platz in der Mitte. Gut, dass sich die Besucher an das Gebot der Stille halten: Hier senkt sich der Puls nach dem Wirbel auf der Straße deutlich.

Brügge
Brügge

In Brügge stehen Mühlen

Wir wandern entlang des Flusses, auf dem Stadtwall, zu den Molens, zu den alten Mühlen. Das klingt zunächst tatsächlich malerisch, allerdings ist auf der anderen Seite des Flusses eine starkbefahrene Landstraße, so dass man nicht etwa das Wasser, sondern nur den Verkehr fließen hört. Trotzdem ist es schön, jenseits der Touristenströme unter dem herbstlichen Blätterdach zu spazieren und die letzten Sonnenstrahlen des Jahres zu genießen.

Muss es denn Brügge oder Gent sein?

Die Entscheidung, nach Gent weiterzufahren war recht spontan. Nachdem wir in Brügge alles gesehen hatten, was uns interessierte, fragten wir uns, was wir mit dem Sonntag anfangen sollten. Schließlich fuhr der Zug von Brüssel zurück nach Köln erst um 18 Uhr. Der Schaffner hatte uns bereits auf dem Hinweg gesagt, dass wir zwischen Brügge und Gent keine Zugbindung hätten und jeden beliebigen früheren Zug nehmen dürften. Dementsprechend schnell war die Entscheidung gefallen: Direkt nach dem Frühstück gingen wir zum Bahnhof in Brügge und nahmen den nächsten Zug nach Gent. Denn eigentlich muss man sich gar nicht entscheiden zwischen Brügge oder Gent. An einem Wochenende ist beides möglich.

Die CityCard Gent lohnt sich sogar für sechs Stunden Aufenthalt

Ganz hübsch: Gent
Ganz hübsch: Gent

Wir hatten den National Geographic Explorer Brügge und Gent bei uns und orientierten uns zusätzlich an den Stadtplänen rund um den Bahnhof. Das STAM, das Stadtmuseum in Gent, ist etwa 20 Minuten zu Fuß vom Bahnhof Sint Pieters entfernt. Dort stießen wir auf die City Card Gent, die zwei Tage gilt. Sie enthält den Eintritt in viele Museen sowie die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und eine Bootsfahrt. Wir waren jedoch nur knapp sechs Stunden da, keine zwei Tage. Würden sich die 30 Euro pro Person lohnen?

Leider gab es am Verkaufsstand keine weiteren Informationen dazu, und das Internet gab auf die Schnelle nichts her. Aber die sehr nette Dame an der Kasse eilte uns zur Hilfe: „STAM, Textilindustriemuseum, Burg Gravensteen und öffentliche Verkehrsmittel – da kommen Sie mindestens auf 34 Euro. Sie würden also acht Euro sparen. Und ich lege Ihnen außerdem ans Herz, eine Bootsrundfahrt zu machen, denn so können Sie wirklich die ganze Stadt sehen.“

Von wegen verstaubt: Das Stadtmuseum ist ganz modern

Stadtmuseum, das klingt so verstaubt, nach alten Ritterrüstungen in zu dunklen Schaukästen, nach dickem Teppichboden und vergilbten Landkarten. Nicht so das STAM. Wer es betreten will, muss zunächst einen dünnen Stoffschuh über seine Straßenschuhe stülpen, denn man geht über ein Satellitenbild auf dem Boden im Maßstab 1 : 1000. „Das bedeutet, ein Meter entspricht einem Kilometer“, erklärt man mir.

Ein Modell des Zentrums steht an der richtigen Stelle auf dem Satellitenild, rot hervorgehoben ist das STAM, also der Ort, an dem man sich gerade selbst befindet. An der Wand laufen Bilder aus den letzten Jahrzehnten über einen Bildschirm, die die Entwicklung der Stadt und ihrer Bewohner zeigen. Weiter geht der Besuch durch das historische Refektorium, also den damaligen Speisesaal, der Nonnen. Denn das Museum ist in der ehemaligen Bijloke-Abtei untergebracht. Der hohe Raum mit seinen rot-verzierten Wänden macht den Besucher ehrfürchtig: Wie viel Würde kann ein solcher Raum ausstrahlen. Wie klein mögen sich die Bewohnerinnen darin gefühlt haben?

Multimedia im Museum

Im nächsten Raum werden wichtige Gebäude der Stadt als Hologramme dargestellt, im Verbindungsflur stehen aus weißen Legosteinen gefertigte Nachbauten wichtiger Gebäude, und jeder kann sich selbst an weiteren Bauprojekten beteiligen. Hinter einer Holztür mit Metallgriff gut gesichert liegt ein historischer Raum mit Ledertapeten. Ein Video zeigt, wie sie aufwändig restauriert wurden: Stück für Stück abgenommen, dokumentiert, wieder angebracht. Im Flur stehen Sitzbänke, in deren Lehne Lautsprecher eingelassen sind. Besucher können sich dort Informationen zur Geschichte der Stadt anhören – auf deutsch, aber auch in anderen Sprachen. In einigen Räumen stehen außerdem Bildschirme bereit, über die sich jeder Besucher genau die Informationen ziehen kann, die ihn interessieren. Außerdem geht das Museum dem Diebstahl zweier Tafeln aus dem Genter Altar nach, eine Geschichte aus dem Jahr 1934, die nie aufgeklärt wurde.

Der Multimedia-Einsatz im STAM wurde dort mit der Wiedereröffnung 2010 eingeführt. Der Besucher hat so die Option so tief er möchte in die Geschichte der Stadt einzutauchen, ohne dazu gezwungen zu werden. Ganz bewusst habe man sich auch für den Zugang ins Museum über die heutige Zeit entschieden, heißt es aus der Pressestelle des Museums. Denn das Motto des STAM ist „Von der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück“. Ich bin tief beeindruckt von diesem Ort – insbesondere, nachdem ich am Tag zuvor in Brügge die etwas traurigen Museen über Schokolade und Fritten besucht habe.

Und dann hat Gent auch noch das MIAT

Doch das STAM soll nicht das einzige beeindruckende Museum des Tages bleiben: Auch das MIAT, das Museum of Industrial Archaeology and Textile, das Museum über die Entwicklung der Textilindustrie in der Stadt, ist einen Besuch wert. Im MIAT ist von Vorteil, wenn man die hiesigen Sprachen spricht, französisch und niederländisch. Man beginnt seine Tour im obersten Stockwerk, und hat durch die großen Fenster der ehemaligen Produktionshalle einen schönen Blick über die Stadt. Im MIAT wird in bildhaften Situation gezeigt, wie die Armen lebten und an Webstühlen Stoff produzierten. Dann geht es weiter über die Industrialisierung und die Veränderung der Lebenssituation der Arbeiter: Wohlstand zog ein, Frauen- und Kinderarbeit wurde reduziert beziehungsweise abgeschafft, Gewerkschaften formatierten sich.

Auch dieses Museum kann der Besucher individuell erkunden: In Tonkapseln hört er Geschichten, in Schaukästen sieht er, was die betreffende Zeit charakterisiert. Alte Fabriken und Webstühle versetzen zurück in die Vergangenheit.

Weiter in die Folterkammer

Wir besuchten auch Burg Gravensteen, einem trutzigen Klotz, dessen Vorbild in Syrien steht oder stand, wie uns der Bootsführer bei der vorangegangenen Tour durch die Kanäle erzählte. Sie sei nicht gebaut worden, um die Bürger vor Feinden zu schützen, sondern lediglich den Burgherren vor seinen Untergebenen. In der Burg gibt es ein Folterinstrumentemuseum. Um die Schaukästen mit Gesichtskäfigen, Handschellen und Peitschen drängeln sich die Besucher, Faszination des Grauens liegt in der Luft.

Nach so viel Geschichte, Kultur und zurückgelegten Kilometern sowie nach einer Portion Waffeln wird es Zeit, den Rückweg anzutreten: Mit der Straßenbahn zum Bahnhof, dort in den nächsten Zug nach Brüssel und schließlich in den ICE – zurück nach Köln.

Informationen zur Reise nach Brügge und Gent

Wir hatten ein Europa-Spezial-Ticket der Deutschen Bahn und zahlten für zwei von Köln nach Brügge und zurück rund 100 Euro. Unser Hotel hatten wir über hotels.com gebucht. Da wir dort am Kundenbindungsprogramm teilnehmen, und es unsere elfte Übernachtung war, zahlten wir nur knapp 30 Euro für die Nacht. Insgesamt also ein günstiges Wochenende – zumindest was die Reise an sich betrifft.

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