„Die Komponistin von Köln“ (Werbe-Link) von Hanka Meves ist ein historischer Roman, der das Leben zweier jüdischer Frauen zur Zeit des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbruchs in Köln um 1900 erzählt. Der Emons Verlag hat mir das Buch kostenlos zur Rezension zugeschickt. Die Hauptfigur ist eben die Komponistin von Köln – Maria Herz, Mariechen genannt. Ihre beste Freundin Franziska, Franzi, ist die fiktive Ich-Erzählern. Die beiden Frauen stammen aus großbürgerlichen Haushalten und kennen sich seit ihrer Schulzeit.
Ein tagebuchähnlicher Erzählstil
Am Anfang ist das Buch etwas gewöhnungsbedürftig, denn die Geschichte beginnt, als Maria Herz und ihre Freundin Franzi noch kleine Mädchen sind. Längst erwachsene Lesende nehmen also zunächst eine ungewöhnliche Perspektive ein, insbesondere, weil „Die Komponistin von Köln“ ein wenig an ein Tagebuch erinnert. Die einzelnen Kapitel sind kurz und behandeln verschiedene Aspekte des Lebens in Köln. Doch die Geschichte schreitet trotzdem immer weiter fort und im Laufe des Buches reifen Mariechen und Franzi zu jungen Frauen und Müttern heran.
Maria Herz: Pianistin und Komponistin
Maria Herz heiratet jung, zieht nach England, gründet eine Familie und verfolgt trotzdem ihre musikalische Karriere. Das ist für diese Zeit ungewöhnlich. Trotz der Herausforderungen, die das herrschende Frauenbild und die männlich dominierte Musikwelt mit sich bringen, gelingt es ihr, sich künstlerisch zu behaupten. Bei Apple Music habe ich ihre Orchestral Works gefunden, gespielt vom Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin. Ich finde, es lohnt sich auf jeden Fall, sie anzuhören, denn so bekommt man ein deutlich besseres Bild von dem, was Maria Herz musikalisch geleistet hat.
Franziska: Die treue Freundin und Erzählerin
Franziska hat sich zur Lehrerin ausbilden lassen. Zu ihrer Zeit bedeutete das, dass sie nicht heiraten und keine Familie gründen durfte. Weil sie allerdings einen Mann kennenlernt, verzichtet sie zunächst einige Jahre darauf, zu arbeiten. Sie und Maria rebellieren also gegen die traditionellen Rollenbilder, die Ehe und Mutterschaft als einzig erstrebenswertes Ziel für Frauen vorsehen. Obwohl Maria mit ihrer Familie in England lebt und Franzi in Köln, verlieren sich die beiden nie ganz aus den Augen.
Der Erste Weltkrieg und die Folgen
Als der erste Weltkrieg ausbricht, ist Maria mit ihrer Familie gerade in Deutschland – und bleibt dort auch. Die Engländer*innen sind zu Feind*innen geworden. Inmitten von Wirtschaftskrisen, Angst und Wut versuchen die beiden Frauen, ihre Träume zu bewahren und ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Maria komponiert weiter, doch ihr Leben wird zunehmend schwieriger: Ihr Mann stirbt früh, sie zieht zu ihrem Bruder, sie sehnt sich nach Selbstständigkeit – doch der aufkommende Nationalsozialismus macht es für sie als jüdische Frau immer schwieriger, Konzerte geben zu können. Schließlich verlässt sie Deutschland und zieht vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs zurück nach England.
Zeitzeugnisse und die Entdeckung von Maria Herz‘ Geschichte
Besonders spannend an dem Buch ist, dass es auf Zeitzeugnissen beruht, die der Enkel von Maria Herz eher zufällig zu Beginn seiner Pensionierung auf seinem Speicher gefunden hat. Maria Herz wäre ansonsten vermutlich einfach vergessen worden.
Köln im Wandel der Zeit
In dem Buch geht es übrigens nicht nur um die Lebensgeschichte von Maria Herz, sondern auch um die Geschichte Kölns, die immer wieder durch Franzis Augen erzählt wird. Fuhr man zu Beginn des Buches noch mit der Pferdebahn, wird diese schließlich von der elektrischen Straßenbahn abgelöst. Es geht um herrschaftliche Häuser am Ring, aber auch die Kamekestraße wird erwähnt, der Klettenbergpark, der von Fritz Encke angelegt wurde, dem Gartenarchitekten, dem ich in meinem Buch „Zu Fuß durch Köln“ ein eigenes Kapitel gewidmet habe. Die neue Synagoge in Köln spielt eine Rolle, genauso wie das Hotel Ernst – heute das beste Hotel in der Stadt. Das neue Theaterhaus und der Hauptbahnhof kommen im Buch ebenfalls vor. Kölner*innen entdecken also viele historische Details ihrer Stadt in „Die Komponistin von Köln“.