Es mag 20 Jahre her sein, dass ich während eines Praktikums mit einem Taxifahrer auf der Berliner Karl-Marx-Allee ins Gespräch kam. „Hier wurden früher auf den Dächern rauschende Feste gefeiert“, erinnerte er sich. Hier, das ist auf den Dachterrassen der Häuser, die die breite Straße säumen. Zucherbäckerstil nannte man diese Architektur im Volksmund wegen der Ornamente. Sie machten die die Häuser zu einer Mischung aus sozialistischem Realismus und klassizistischem Erbe machten.
Oben auf den Terrassen, so erzählte mir der Taxifahrer, habe es zu DDR-Zeiten russischen Kaviar aus großen Dosen gegeben. Krimsekt sei in Strömen geflossen. Zwar seien die Gebäude für Arbeitnehmer*innen gebaut worden. Aber man musste sich mit der Partei gut stellen, um hier eine Wohnung zu bekommen. Heute sind diese Zeiten lange vorbei, doch wegen der Architektur sind diese Häuser sehenswert. Wer über die Karl-Marx-Allee schlendert, lässt Geschichte wieder auferstehen. Vor vielen Häusern stehen übrigens Info-Tafeln mit Erklärungen dazu, was dort früher war – und wie es dort früher war.
Cafébesuch gehört auf der Karl-Marx-Allee dazu
Zufällig hörte ich außerdem im Deutschlandradio eine Podcastfolge zu genau dieser gut zwei Kilometer langen Straße. Darin erfuhr ich, dass es ein Café Sibylle gibt. Dort hat man unter fünf Lagen die ursprüngliche Wandbemalung in schmutzigem Grün mit großen Blättern und Blüten freigelegt. Im Hinterzimmer gibt es außerdem eine Ausstellung zur Geschichte der Straße. Dort liegen in einer Vitrine die Nase und ein Stück Bart von einer Stalin-Statue. Wie es dazu kam, erfährt man ebenfalls im Café. Außerdem, dass die Miete für die Wohnungen in der Karl-Marx-Alle früher bei 95 DDR-Pfennig pro Quadratmeter lagen.
Nett ist außerdem das Café Kaffee und Tee einige Meter weiter, am Frankfurter Tor.
Ganz anders ist übrigens ein Spaziergang auf der Hermannstraße in Neukölln.