Die niederländische Flagge in XXL: Das ist das Erste, was uns entgegenweht, als wir den Bahnhof Utrecht verlassen. Hier startet unsere „Niederlande nachhaltig Reise“. Unser Auto steht auf einem Park-and Ride-Parkplatz etwas außerhalb der Stadt, keine zehn Minuten mit dem Bus entfernt. Denn die Parkkosten im Zentrum sind hoch und das Auto brauchen wir hier in d e r Fahrradstadt der Niederlande ohnehin nicht. Zu Fuß geht’s in unser Hotel. Und ganz schnell merken wir: Fahrräder haben hier Vorfahrt. Also nicht nur auf Autos achten, sondern auch und ganz besonders auf die Fietsen, die Fahrräder, die hier von überall zu kommen scheinen.
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Unser Hotel, das Bunk, liegt direkt an einer der zahlreichen Grachten. Und nicht nur das macht es zu etwas Besonderem. Denn das mit dem Ökolabel „Golden Green Key“ ausgezeichnete Hotel befindet sich in einer ehemaligen Kirche. Der gläserne Aufzug, der bis in schwindelerregende Höhen fährt, bringt uns an der Orgel vorbei bis in die Etage, auf der sich unser Zimmer befindet.
In den Zwischenetagen, auf denen früher die Chöre Platz hatten, befinden sich heute Co-Working-Plätze, unten im Kirchenschiff wird entspannt gegessen und gequatscht – gezellig eben. Ein Wort, das das niederländische Lebensgefühl wohl so sehr auf den Punkt bringt wie kaum ein anderes.
Die Grachtenkeller prägen das Bild von Utrecht
Angenehm, nett, gemütlich – so wie auch Utrecht mit seiner Oudegracht und den Gewölben, die weltweit einzigartig sind. Wo einst Handelsware gelagert wurde, befinden sich heute Restaurants, Geschäfte und Wohnhäuser. Eigentlich entstand das System aus praktischen Gründen: Weil die Gracht tiefer lag als die Straßen drumherum, verband man die Kaianlagen über Tunnel mit den Straßen. Heute prägen die dabei entstandenen Grachtenkeller das Bild der viertgrößten Stadt der Niederlande.
Ein Relikt aus heutiger Zeit, aber auch sehenswert ist das Fahrradparkhaus. Mit 12.500 Stellplätzen ist es das größte der Welt. Fahrräder haben hier einen Sonderstatus. Und natürlich stürzen auch wir uns mit unseren Leihrädern ins Getümmel, um zum Máximapark zu radeln. Gar nicht so einfach, sich in dem Gewusel zurechtzufinden: herkömmliche Fahrräder, E-Bikes, Lastenräder und Bromfietsen – Mopeds – sie alle teilen sich die breiten Fahrradwege.
Dass gerade Rushhour ist und die Wege unglaublich voll sind, macht die Sache nicht leichter. Kurz anhalten und nach dem Weg schauen – ein schwieriges Unterfangen. Und besonders das Wiedereinfädeln auf die proppenvollen Radwege ist eine Herausforderung. Erst recht, wenn es bergauf geht. Aber dann sind wir da.
Niederlande nachhaltig – sogar auf dem Campingplatz
Der Máximapark ist wirklich einen kleinen Ausflug wert: viel Grün, natürlich Wasser zum Bootfahren und auch ein Spielplatz für die Kleinen. Am nächsten Tag machen wir eine Grachtenfahrt. Das Boot legt direkt um die Ecke unseres Hotels unter einem großen Einkaufszentrum ab. Wir sind fast die einzigen Gäste und können die Seele so richtig baumeln lassen und dabei noch etwas über die Stadt lernen. Entspannung pur zum Tagesausklang!
Nach drei Tagen verlassen wir diesen für uns neuen Place to be und fahren mit dem Auto weiter Richtung Norden. Castricum aan Zee heißt unser nächstes Ziel. Wir haben ein Chalet auf einem Campingplatz gemietet, dessen Gelände nahtlos in das nordholländische Dünenreservat übergeht und ebenfalls die höchstmögliche Umweltschutz-Auszeichnung erhalten hat, den „Golden Green Key„.
Ein Muss sind auch hier Fahrräder – Niederlande nachhaltig eben. Oder vielmehr E-Bikes, mit denen man die Wege auch bei Wind schafft. Und ganz wichtig ist es, viel Zeit einzuplanen. Vorbei geht es an kleinen Seen mitten in den Dünen, vorbei an Hochlandrindern, die gleich neben den Wegen grasen. Im wunderschönen Örtchen Egmond aan Zee machen wir eine kurze Pause in einem Strandpavillon, nachdem wir nach längerer Suche einen Parkplatz für die beiden Fahrräder gefunden haben – gar nicht so leicht bei dem Andrang, der hier am Strand herrscht.
Zwischenstopp in Alkmaar: Ohne Käse geht’s nicht
Nach ein paar kalten Getränken und einer Stärkung mit Kibbeling und Poffertjes – klares Muss bei einem Trip nach Holland – steigen wir wieder auf die E-Bikes. Unser letztes Ziel: Bergen aan Zee. Aber so richtig viel vom Ort sehen wir nicht. Denn das Highlight erwartet uns schon kurz vorher in den Dünen: Wildpferde. Ein bisschen sieht es aus, als hätte man sie als Fotomotiv vor diese wunderschöne Landschaft gestellt.
Als es ein paar Tage später für uns weiter Richtung Norden zu unserer letzten Etappe unseres „Niederlande nachhaltig Urlaubs“ geht, statten wir zunächst Alkmaar einen Besuch ab. Den berühmten Käsemarkt, der hier zum ersten Mal im Jahr 1593 abgehalten worden sein soll und der noch immer jeden Freitag zahlreiche Touristen nach Alkmaar lockt, verpassen wir zwar um ein paar Tage, dafür ist es aber längst nicht so voll und der Käse steht hier trotzdem im Mittelpunkt.
Und auch eine echte Käsewaage bekommen wir zu Gesicht. Danach essen wir – natürlich ein Brot mit Käse. Oder eher die Luxusversion davon. Die nämlich gibt es bei Broodje Ben. Der Andrang ist groß, aber die Warterei lohnt sich.
Groningen – und die erste Enttäuschung
Für uns heißt es nun Abschied nehmen von Nordholland und wir fahren weiter Richtung Groningen. Dazu passieren wir den Afsluitdijk – einen über 30 Kilometer langen Damm, der zwischen der Nordsee und dem Ijsselmeer verläuft. Dabei überholen wir den Fahrradbus, der für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen kostenlos ist und der sie über den Afsluitdijk bringt, weil die Schleusen nicht mit dem Fahrrad oder zu Fuß passiert werden können. Auch hier gilt: Niederlande nachhaltig!
Nachdem wir uns in unserem Heim für die kommenden Tage – einem Tinyhouse am See Leekstermeer – eingerichtet haben, besuchen wir das Landgut Nienoord in der Gemeinde Leek. Eine weitläufige Anlage, die ein Kutschenmuseum und ein Schloss sowie ein Freibad und einen Familienpark mit der größten Eisenbahn-Miniaturgesellschaft der Niederlande, allen voran aber auch wunderbare Gärten und Parkanlagen beherbergt. Wer nicht so weit laufen kann, der kann auf den kleinen E-Bus warten, der die Besucherinnen und Besucher durch die Anlage fährt.
Als Abschluss unserer Reise steht dann ein Trip nach Groningen an. Allerdings haben wir uns unter der Stadt etwas mehr vorgestellt. Verglichen mit Utrecht oder Alkmaar geht es deutlich hektischer zu. Und auch unsere kleine Wanderung durch die Stadt mithilfe des kleinen Tourenheftes, das wir im Forum Groningen für zwei Euro erstanden haben, ist nicht das, was wir uns erhofft hatten. Die Groninger Hofjes gewährten in früheren Zeiten Armen und Waisen eine Unterkunft. Leider können viele der Hofjes, die heute von schönen kleinen Gärten umgeben sein sollen, gar nicht wirklich eingesehen werden. Immerhin: Die kleine Oase inmitten der Stadt, der Prinsentuin, entschädigt ein wenig. Insgesamt hat sich die Reise in die Niederlande aber voll gelohnt. Insbesondere nach Utrecht werden wir wiederkommen …