Dieser Urlaub beginnt mit einem Wattestäbchen. Kurz ein Blick auf die Nordsee geworfen, dann rein ins Testzentrum. Aber wie sagen die Nordlichter so schön? „Wat mutt, dat mutt“. Also im wahrsten Sinne des Wortes: Augen zu und durch. Tests gehören zu diesem Urlaub wie Muscheln an den Strand. Und sie sind eine der Voraussetzungen, damit man als Tourist überhaupt hier sein darf. Eine Woche verbringe ich in Büsum.
Als ich gelesen habe, dass die Gemeinde im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein touristische Modellregion wird, habe ich sofort gebucht. Urlaub nach einem gefühlt endlosen Lockdown, endlich etwas anderes sehen. In Restaurants gehen und durch Geschäfte bummeln, die nicht nur Toilettenpapier, Lebensmittel oder andere Dinge des täglichen Bedarfs verkaufen. Ein Traum!
Büsum: Nach dem Test ist vor dem Aperol
Die Voraussetzung dafür aber sind eben die Tests, die vor der Ankunft, unmittelbar nach der Ankunft und dann alle drei Tage gemacht werden müssen. Weil aber alles wunderbar organisiert ist, ist das kein Problem. Und als nach 20 Minuten die SMS mit dem Testergebnis eintrifft, steht dem ersten Restaurantbesuch nichts mehr im Wege. Direkt an der Promenade, mit Blick auf Büsums Küste, die weißen Strandkörbe und eine heute recht trübe Nordsee gibt es den ersten Aperol Spritz des Jahres.
Und endlich heißt es ankommen. Die Luft riecht nach Salz, Möwen schreien. Nordseefeeling pur. Irritierend ist aber erst einmal der Strand. Denn wer knirschenden Sand zwischen den Zehen erwartet, ist hier falsch. An der schleswig-holsteinischen Nordseeküste prägen Grünstrände das Bild. Nicht ganz zur Nordseeromantik will auch Büsums Hochhaus passen, das westlich des Ortzentrums, direkt am Meer mit seinen 85 Metern in den Himmel ragt. Aber es lässt sich gut ausblenden, außer man spaziert durch den Kurpark, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Hauses befindet, das auch „Büsum-Finger“ genannt wird. Doch weil auch der Kurpark mich nicht besonders reizt und aufgrund der Spielplätze lediglich für die kleinen Gäste spannend ist, halte ich mich ohnehin lieber am entgegensetzten Ende der Promenade auf.
Alte Kähne und Zuckerstreusel gehören in Büsum zusammen
Hier befinden sich der Leuchtturm und der Museumshafen. Ein Softeis auf der Hand – natürlich standesgemäß mit bunten Zuckerstreuseln, das mit Blick auf den Museumshafen mit seinen alten Fischkuttern verspeist wird, wird zum täglichen Ritual. Danach geht es meist weiter durch den Hafen, von dem aus Schiffe zur Küstenfahrt, zu den Seehundbänken oder nach Helgoland aufbrechen. Außerdem bringen dort die Fischer frisch gefangene Büsumer Krabben gleich literweise an den Mann und die Frau – an mich leider nicht, weil ich gegen Schalentiere allergisch bin. Zum Glück gibt es Alternativen: Geräuchertes Makrelenfilet, Aal oder Matjesbrötchen gibt es an den Fischständen im Hafen oder im Imbiss „Hafenpick“. Hier stehen die Kunden schon um kurz nach elf Schlange. Neben dem Backfisch im Brötchen geht Kuhlmanns Fischsuppe dort weg wie nichts. Überhaupt ist es wirklich empfehlenswert, dem Imbiss einen Besuch abzustatten. Ergattert man einen der gefragten Sitzplätze, bekommt man den neuesten Schnack brühwarm mit.
Einiges los ist auch in der Büsumer Fußgängerzone. Neben Souvenirläden finden sich Bekleidungsgeschäfte und Dekoläden, die neben einer Menge Schnickschnack auch hübsche Andenken verkaufen. Und weil eine Schifffahrt für mich ganz selbstverständlich zu einem Urlaub an der See dazugehört, kaufe ich mir ein Ticket für die Küstenfahrt. Für 9,50 Euro schippert man eine Stunde lang vor der Küste Büsums entlang. Der Spannungsfaktor ist überschaubar, aber es gibt ein paar schöne Fotomotive. Die gibt es übrigens auch, wenn man Büsum hinter sich lässt und mit dem Fahrrad am Hochhaus vorbei und immer weiter am Deich entlangfährt.
Wo Schafe und Einsiedlerkrebse zu Hause sind
Zunächst kommt man an der Familienlagune Perlebucht vorbei, die erst 2012 komplett neugestaltet wurde. Dort soll im Sommer high live sein. Aber weil ich aufgeschüttete Sandstrände und künstlich angelegte Badelandschaften sinnlos finde, wenn man die See vor der Tür hat, lasse ich die Lagune links liegen. Ich fahre an den Campingplätzen vorbei, bis ich in Richtung des Schutzdeiches abbiege, den man hier mit dem Fahrrad befahren darf. Und endlich erwartet mich das, was ich mir unter Küstenromantik vorstelle: Schafe grasen zwischen Watt und Deich, es weht eine leichte Brise, die Sonne scheint und es ist beinahe menschenleer. Im Watt suchen Austernfischer und andere Vögel nach Leckereien, die die Flut zurückgelassen hat. Als ich eine Muschel hochhebe, krabbelt ein Krebs heraus. So geht Nordsee.
Mein Fazit: Wem endlose Sandstrände nicht so wichtig sind und wer es unaufgeregt und ruhig mag, auf Sylter Chic verzichten kann und gerne Softeis und Fisch isst, für den ist Büsum im Mai das richtige Ziel.
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