Vor 385 Millionen Jahren hätte Köln am Meer gelegen. Die durchschnittliche Jahrestemperatur lag bei 26 Grad Celsius. Das habe ich in der neuen Ausstellung „Hier und jetzt. Und gestern und morgen“ im Museum Ludwig gelernt. Überhaupt gibt es dort viel, was einem zum Nachdenken inspiriert. Da ist beispielsweise dieser Kirschbaum in Fukushima: seine Blüten sind nur von kurzer Dauer. Aber der Baum, ein Nationalheiligtum, steht an diesem Ort seit über 1000 Jahren. Er hat Erdbeben, Starkschnee und eine Nuklearkatastrophe überlebt.
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Tipp: Im Museum habe ich auch erfahren, dass es in Köln Baumdenkmäler gibt – beispielsweise die über 200 Jahre alten Bäume auf Melaten oder die Eichen im Schlosspark in Stammheim. Wo du Baumdenkmäler findest, kannst du nachschauen im Baumkataster Köln.
Die Ausstellung lädt Besucher ein, über das Gewöhnliche hinauszuschauen und den Boden unter ihren Füßen, alte Bäume und Kunstwerke aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. So bekommen die Bilder von Gerhard Richter von den Alpen eine ganz neue Bedeutung, wenn man sie in Zusammenhang bringt mit der Tatsache, dass es sie zwar schon sehr lang, aber eben nicht schon immer gibt. „Hier und jetzt. Und gestern und morgen“ verbindet also Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Allerdings: Wer diese Denkansätze mitnehmen möchte, muss etwas Zeit mitbringen. Zwar ist die Ausstellung klein. Um die Zusammenhänge zwischen den Kunstwerken und wissenschaftlichen Exponaten zu verstehen, muss man jedoch die ausführlichen Beschreibungen dazu lesen, verstehen und sacken lassen.
Klimaneutralität: Ein Schritt in die richtige Richtung
Besonders an der „Hier und Jetzt. Und gestern und morgen“-Ausstellung ist ihr Engagement für den Umweltschutz. Als erste klimaneutrale Schau im Museum Ludwig zeigt sie, dass Kunst und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können.
„Um Ressourcen zu schonen, hat die Ausstellung eine auf sieben Monate ausgedehnte Laufzeit. Der Strom wird zu einhundert Prozent aus Wasserkraft bezogen und durch den Einsatz von LED-Leuchtmitteln reduziert verbraucht. Die Konzentration auf wenige Leihgaben und mehr Werke aus der eigenen Sammlung führt zu weniger Transportverkehr. Um weniger CO2 zu emittieren, werden Transporte ausschließlich als Beiladungen geplant. Wie schon in unserem Pilotprojekt für nachhaltiges Ausstellen, Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen (2022/23), werden Printprodukte reduziert und auf Blauer Engel zertifiziertem Papier mit mineralölfreier Farbe gedruckt.“
Quelle: Pressemitteilung
Dieser Ansatz macht die Ausstellung nicht nur zu einer kulturellen, sondern auch zu einer ökologischen Erfahrung. Denn in diesem Zusammenhang hat man auch die Dachterrasse begrünt. Auch dabei spielt Nachhaltigkeit eine besondere Rolle: Die Hochbeete beispielsweise sind aus recycelten Transportkisten. Der Boden rund um die nach oben wachsenden Pflanzen sind mit Bodendeckern umpflanzt, weil sie die Erde schattig halten. So trocknet sie weniger aus, wie das Team der Landschaftsarchitekten vom Atelier Le Balto erklärt, das die Umsetzung geplant und realisiert hat. Die Bewässerung erfolgt automatisch – weil das Wasser spart. Und das Wasser kommt aus einem Brunnen unter dem Museum, ist also kein Trinkwasser.
Und wenn die Ausstellung im Oktober zu Ende geht, wird der Garten mit den 20 unterschiedlichen Pflanzen wie Kiwi, Hopfen, Wein oder Clematis dort noch gut zweieinhalb Jahre weiterwachsen. Juni und September, so habe ich mir sagen lassen, sollen besonders gute Monate sein, um die Dachterrasse in ihrer vollen, blühenden Schönheit zu erleben. Auch einen Naschgarten mit Kräutern und Erdbeeren wird es übrigens auf der Terrasse geben. Das Ganze ist aber nicht nur ein Projekt zur Stadtbegrünung und zur Bekämpfung des Klimawandels, es ist auch eine Hommage an den Erzbischöflichen Baum- und Tiergarten, der anstelle des Museums dort im Mittelalter stand.
Dynamische Veränderungen: „Hier und Jetzt. Und gestern und morgen“ in Bewegung
„Hier und jetzt. Und gestern und morgen“ ist eine Art lebendiges Experiment, das ständige Veränderungen durchläuft. Das beginnt mit den Pflanzen auf der Dachterrasse, von denen einige langsam wachsen, andere schnell. Manche sind mehrjährig, andere nur für ein Jahr zu sehen. Aber auch die Ausstellung selbst unterliegt – wie das Leben und die Erde – der ständigen Veränderung: Mit der schrittweisen Auswechslung von Kunstwerken entstehen kontinuierlich neue Perspektiven, die zu wiederholten Besuchen einladen. Davon abgesehen gibt es ein Rahmenprogramm mit Meditation, Zeichenkursen und Spaziergängen zum Thema der Ausstellung.
Kooperationspartner*innen waren bei dieser Ausstellung der Geologische Dienst NRW, die Universität zu Köln und das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.