Gestern war es endlich soweit: Drei Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal wurde das Steigenberger Hotel in Bad Neuenahr in Rheinland-Pfalz offiziell wieder eröffnet. Oliver Bonke, CEO von H World International und Managing Director der Steigenberger Hotels, erzählte in seiner Rede, dass in der Nacht vom 14. auf den 15. Juni 120 Gäste, 5 Azubis und der Hoteldirektor im Haus waren. Die Mitarbeitenden brachten die Gäste in die oberen Stockwerke, als das Wasser kam. „1,80 Meter hoch stand es im Erdgeschoss“, sagt mir Verena Zlomke, stellvertretende Hoteldirektorin, später bei einer kurzen Führung. „Die Räume hier wurden zerstört, der Empfangstresen weggespült“.
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Trotz der noch sichtbaren Schäden in Bad Neuenahr-Ahrweiler scheint an diesem ausgelassenen Abend unvorstellbar, was 2021 passiert ist. Die Hochwassermarke, die man beispielsweise in Ahrweiler weit über meinem Kopf sieht, kann nur ansatzweise vermitteln, wie die Situation hier war. Auch in Heppingen zeigt an einem privaten Haus eine Marke an, wie hoch das Wasser im Ahrtal stand. Auffallend ist dort, dass die Häuser an der Hauptstraße, die vom Bahnhof Heimersheim in den Ort führt und unter Wasser stand, gesäumt ist mit frisch verputzten Häusern mit neuen Fenstern.
Die Flut hat im Ahrtal viele Spuren hinterlassen
Spricht man mit den Leuten dort über diese dramatische und traumatische Nacht, hört man viele schlimme Geschichten. Von Menschen, die sich auf die Dächer ihrer Häuser retteten und um ihr Leben fürchteten. Und von Weingütern, die kurz vor der Ernte nichts mehr hatten. Keine Zangen, keine Eimer, keine Pressen – nichts, um die Trauben zu ernten und daraus Wein zu machen. Und die es irgendwie trotzdem geschafft haben.
So schlimm dieser Sommer 2021 im Ahrtal war, so wichtig ist es jetzt, dass wieder Tourist*innen kommen. Die Wiedereröffnung des Steigenberger Hotel, das 1858 als Gasthof eröffnet wurde, leistet seinen Teil dazu. Das Haus hat übrigens schon in der Vergangenheit immer wieder Schicksalsschläge erlebt: 1913 stürzte der achtseitige Turm bei einem Sturm ein, 1962 gab es ein Feuer im Dachstuhl. Doch selbst, wenn das Hotel jetzt wieder eröffnet ist: Bis alles so sein wird wie früher – oder sogar besser –, wird es noch dauern.
Das Land Rheinland-Pfalz hat allein 1,6 Millionen Euro bereitgestellt, um den Kurpark mit Konzertsaal und Bibliothek wieder zu errichten, so Daniela Schmitt, Ministerin für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz, bei der Wiedereröffnung. Das Kurhaus gegenüber dem Hotel, das auch von Steigenberger bewirtschaftet wird, ist noch eingerüstet und soll Ende des Jahres fertig renoviert sein. Der Spa-Bereich des Hotels, der erst vier Wochen vor der Flut fertiggestellt worden war, im Sommer. Dort wird man dann auch das Schwimmbad finden. Das war früher im Erdgeschoss des Hauptgebäudes – ist nach der Renovierung aber ein Tagungsraum.
Angebote für ganz unterschiedliche Gäste
Neu sind außerdem die Coworking-Spaces im Erdgeschoss. Schließlich hat das Hotel etwa 30 Prozent Business-Kunden. Außerdem gibt es nun fünf Long-Stay Apartments mit bis zu 90 Quadratmetern, die als voll ausgestattete Wohnungen auch für Familien geeignet sind. Insgesamt hat das Hotel 216 Zimmer, die kleineren haben etwa 20 Quadratmeter, 17 Veranstaltungsräume sowie Restaurants und Bars. Das Grand Opening war nicht nur für das Hotel wichtig, sondern auch für den Ort. Bürgermeister Guido Orthen sprach von einem „Leuchtturmtag“, von einer „Wiedergeburt des Flaggschiffs der Hotellerie in Bad Neuenahr und dem die Stadt prägenden Gebäude“.
Trotz der noch sichtbaren Flutschäden kann man im Ahrtal wieder eine gute Zeit verbringen. Um es genau zu sagen: sogar eine äußert genussvolle Zeit. Denn wenn die Ahrwinzer eines können, dann ist es, guten Wein zu machen. Der Blanc de Noir aus dieser Region beispielsweise ist ziemlich bekannt. „Illusion“ soll der erste seiner Art hier gewesen sein, sagt man uns in einem Restaurant in Heppingen. Doch heute haben nahezu alle Winzer*innen an der Ahr den Weißwein aus roten Trauben im Verkauf.
Nach der Flut im Ahrtal freut man sich über Tourist*innen
Weinprobe und Übernachtung auf dem Weingut
Genauso wie viele Winzer*innen Weinproben anbieten und Unterkünfte vermieten. Wir waren eher durch Zufall auf das Weinquartier Burggarten in Heppingen gestoßen. Denn die Winzerfamilie kooperierte zu den Fine Food Days in Köln 2023 mit dem Restaurant Der Vierte König im Gottesweg. Dort hatten wir uns zu einem Essen angemeldet und waren von den Weinen sehr angetan. In einem Nebensatz erwähnte der Vertreter von Burggarten dann, dass man eben auch ein kleines Hotel auf dem Gelände habe, und so kam eins zum anderen.
In unser Genusswochenende sind wir in der Schatzkammer, der Verkostungsstube des Familienbetriebs, gestartet. Acht Weine von weiß bis rot, ein Dessertwein und eine Führung durch den Weinkeller füllten unseren Freitagabend. Dazu gab‘s eine Brotzeit mit Käse, Schinken, Blutwurst und mehr. Das Frühstück schloss an dieses Vesper an, allerdings mit einer größeren Auswahl an Wurst- und Käsesorten. Natürlich gibt‘s auch den hauseigenen Traubensaft, der in Weinflaschen abgefüllt schnell mit der Alkoholvariante verwechselt und darum morgens gemieden wird. Ich fand sensationell, dass sich die Mädels im Service merkten, dass ich einen Cappuccino lieber mag als Kaffe, und dass mein Mann eher hartgekochte statt weichgekochte Eier isst.
Durchs Ahrtal wandern
Die Regionalbahn brachte uns samstags nach Ahrweiler. Die zehn Kilometer zurück nach Heppingen sind wir zu Fuß gegangen – erst an der Ahr entlang, dann über den Rotweinwanderweg, der im Sommer bestimmt schöner ist als im November. Trotzdem war das ein netter Spaziergang mit viel Fernblick. Und dabei haben wir das Schönste gar nicht gesehen. Denn alle Einheimischen sagten uns, Marienthal und den Rotweinwanderweg bei Mayschoss müsse man einmal gesehen haben. So haben wir zumindest einen guten Grund, in dieses kleine Paradies in der Nähe von Köln zurückzukehren.
Tipp: Wenn ihr einen Kaffee trinken wollt, solltet ihr das in Ahrweiler machen. In Bad Neuenahr ist weniger Auswahl – zumindest an einem Samstagmittag.
Was ich nicht in Heppingen erwartet hatte, war ein Zwei-Sterne-Restaurant. Das Essen kostet dort etwas so viel wie ein Menü im Ein-Sterne-Restaurant in Köln. Dafür liegt das Steinheuers eben auf dem Land. Von außen sieht man dem Restaurant nicht an, welche Delikatessen innen serviert werden. Vielmehr macht das Gebäude den Eindruck, einen Landgasthof zu beherbergen – was auch richtig ist. Es gibt nämlich zwei Gasthäuser unter einem Dach. Eines bietet einfache Küche an, das andere Restaurant gehört zu den besten in ganz Deutschland – und das seit Jahrzehnten.
Unser Abend dort war wunderbar, selten habe ich einen so aufmerksamen Service erlebt und eine solche Flexibilität bei einem Sterneessen. Grundsätzlich gibt es nämlich zwei Menüs, aus denen man aber kreuz und quer seine Favoriten zusammenstellen kann. Die Wahl hat man zusätzlich zwischen vier, fünf und sechs Gängen. Wir hatten unter anderem St. Pierre Fisch, Gänseleber, Eifeler Rehrücken und eine Kombination aus Quitte, Birne und Quark. Klingt wie ein perfekter Abend? War es auch! Darum werden wir dort sicherlich irgendwann erneut einkehren.