„Hier kann ich im wahrsten Sinne des Wortes einmal ganz abschalten“, sagt Roland Auer, 30, geboren in Mönchengladbach. Der diplomierte Elektrotechniker sitzt auf den Stufen zum Aufenthaltsraum der ehrenamtlichen Mitarbeiter von Village Africa in Yamba, Tansania. Er wird für die Nichtregierungs-Organisation drei Monate als Englischlehrer arbeiten, und er lebt für diese Zeit in einem kleinen Zimmer ohne Strom, fließend Wasser oder Toilette.
Ziel von Village Africa ist es, aus den vereinzelt liegenden Häusern in den Usambarabergen eine Gemeinde mit funktionierender Infrastruktur zu machen. Das ist lebensnotwendig, denn Yamba liegt etwa 45 Minuten zu Fuß entfernt von der nächsten Straße, die nicht mehr als eine rote, lehmige Buckelpiste ist, und weitere drei Stunden im Geländewagen von der nächsten großen Stadt entfernt, Tanga. In Yamba gibt es weder Geschäfte, noch eine Post, eine Polizei oder ein Krankenhaus, der nächste Markt ist in Milingano, etwa eineinhalb Stunden zu Fuß unter Bananenbäumen und zwischen mannshohem Gebüsch den Berg hinunter und nach dem Einkauf wieder hinauf. Dort unterstützt Village Africa die Schule, und dort ist Auers Einsatzort, nachdem er eine zweiwöchige Ein-führung in den Bergen besucht hat. Auch in Milingano gibt es weder Strom noch fließend Wasser.
Bildung gegen Armut
Als Village Africa vor sechs Jahren mit der Arbeit in den Bergen Tansanias begann, gab es die Straße noch nicht, die Yamba mit der Außenwelt verbindet. Unter der Leitung von Caroline Johnston und Vater Barudi, einem Geistlichen, wurde sie jedoch als erstes angelegt, dann eine Krankenstation aufgebaut. Dort arbeiten jetzt zwei einheimische Frauen als Krankenschwestern, nachdem sie eine Ausbildung bekommen haben. Village Africa beschäftigt einige Hausmädchen, die putzen, kochen, waschen, Wasser aus dem Fluss holen, einige Wachmänner und zwei Fahrer. „Die Organisation will so einen Wirtschaftskreislauf in Schwung bringen“, weiß Roland Auer. Denn die Angestellten haben keine Zeit mehr, ihren Haushalt selbst zu führen und ihre Bohnen, Kartoffeln oder Linsen anzupflanzen. Darum beschäftigen sie Nachbarn, und so haben langsam aber sicher alle mehr zum Leben. „Village Africa will erreichen, dass eines Tages das Dorf in seiner Struktur ohne die Hilfe der Europäer leben kann“, erklärt Roland Auer. Mit seiner Arbeit als Lehrer hilft er dabei, denn: „Bildung ist die Basis im Kampf gegen Armut“.
„Das Leben hier ist schon eine Umstellung“, sagt der Elektroingenieur. „Ich bin allerdings ganz froh, mal keinen Internetzugang zu haben, und mein Handy ausgeschaltet zu lassen. Auch den Fernseher vermisse ich nicht.“ Mit der Dusche, die aus einem Eimer mit kaltem und einem mit heißem Wasser sowie einer Kelle besteht, mit der man das Wasser über dem Körper verteilt, komme er gut zurecht, auch mit dem Plumpsklo. „Dass wir unter einem Moskitonetz schlafen müssen, weil Malaria hier verbreitet ist, ist eher unbequem, aber man gewöhnt sich daran.“ Und es ist wichtig: Erst Anfang April starb die zehnjährige Tochter eines Hausmädchens an der Krankheit, die von Stech-mücken übertragen wird, obwohl sie im Geländewagen von Village Africa ins Krankenhaus nach Tanga gebracht worden war.
Recherche vor der Freiwilligenarbeit
Roland Auer wusste, was ihn in Tansania erwarten würde. Und er ist trotzdem oder genau deswegen dorthin geflogen: „Ich habe zuvor als Systemanalytiker bei einer Firma in Belgien gearbeitet. Das Projekt lief aus, und ich wollte etwas anderes machen. Volunteering, also ehrenamtlich in einer beruflichen Auszeit arbeiten, war lange schon eine Idee in meinem Kopf.“ Darum begann er zu recherchieren, und war zunächst erstaunt, wie teuer es ist, im Ausland zu helfen: „Visum, Arbeitserlaubnis, Impfungen, Flug, Unterkunft, Essen, das summiert sich.“ Denn die Entwicklungshilfeorganisationen können die Kosten für die Ehrenamtlichen nicht übernehmen, da sie sich selbst nur aus Spenden finanzieren. Auer suchte gezielt nach einer Stelle, in der er Englisch unterrichten kann, und sie sollte in Afrika sein, um eine ganz neue und vor allem ganz andere Kultur kennenzulernen. So arbeitete er sich zunächst durch rund 200 Angebote, die in einem Buch zusammengefasst waren. „Es blieben 50 bis 60 übrig, die ich mir im Internet angeschaut habe“, sagt er. Schließlich sei Personal Overseas Development (PoD) übrig geblieben, ein britisches Unternehmen, das Freiwillige in verschiedene Organisationen beispielsweise auch in Bolivien oder Belize schickt. Und jetzt ist der geborene Mönchengladbacher in Milingano, dem Nachbardorf von Yamba, im Einsatz. Mit seiner Arbeit will er mit anderen Ehrenamtlichen aus Australien und Großbritannien den Kindern möglichst viel Englisch beibringen, denn nur wer ausreichende Sprachkenntnisse hat, kann später die weiterführende Schule besuchen, und hat so überhaupt eine Chance auf ein Leben ohne Armut. Allerdings bedeutet Armut nicht automatisch Traurigkeit: „Ich glaube, es täte allen Europäern gut, einmal die Perspektive zu wechseln, und festzustellen, dass Menschen auch ohne materielle Werte glücklich sein können“, sagt Auer
Nach seiner Zeit in Tansania wird Roland Auer noch drei Monate in Nepal als Lehrer arbeiten, was ebenfalls PoD für ihn organisiert hat. Dann zieht er zunächst zu seiner Mutter nach Rheydt zurück. Von dort aus will er sich so schnell wie möglich eine neue Arbeit suchen. „Ich denke, das sollte in wenigen Wochen möglich sein“, sagt er. „Und abgesehen davon, ist es ganz nett, in meine Heimat zurückzukommen und alte Freunde zu treffen“, so der Nordrhein-Westfale. „Außerdem freue ich mich schon sehr auf ein gutes Brot aus Sauerteig mit einer knackigen Kruste. Das habe ich schon in Belgien vermisst. Und obwohl das Brot, das die Hausmädchen hier backen, gut ist, geht doch nichts über ein echtes Oberländer.“