Für Philipp Adämmer war klar, dass er nach dem Abitur nicht den gewöhnlichen Zivildienst machen wollte. Es sollte ein bisschen was anderes sein. Und so entschloss er sich, bei der Aktion Sühnezeichen Friedensdienst zu leisten. Als Ersatz für den Zivildienst ist dieser „andere Dienst im Ausland (ADiA)“ unter bestimmten Voraussetzungen nach Paragraf 14b Zivildienstgesetz möglich. Im kommenden Jahr wird Adämmer darum in Chicago, USA, bei der Holocaust Memorial Foundation arbeiten. Bis dahin arbeitet er in Berlin bei Aktion Sühnezeichen. „Ich fand den Gedanken, etwas für den Frieden zu tun, für die Aussöhnung Deutschlands mit anderen Nationen, schon immer faszinierend“, sagt der 21-Jährige. „Und mir bringt das eine Menge Lebenserfahrung. Man wird schneller selbstständig“. Ihm ist klar, dass es sicher auch hart wird, für zwölf Monate in den USA zu sein. „Man kann eben nicht übers Wochenende nach Hause fahren, telefonieren ist teuer, aber ich glaube, dass mich das in meiner persönlichen Entwicklung weiter bringen wird, als wenn ich normalen Zivildienst in Deutschland leisten würde“.
Hohe Nachfrage
Wie Philipp Adämmer machen es immer mehr Jugendliche: „Die Nachfrage nach Friedensdiensten übersteigt unser Angebot bei weitem“, erzählt Jan Gildemeister, Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, dem Dachverband von 34 ökumenisch orientierten Organisationen und Institutionen der Friedens- und Freiwilligenarbeit, zu der auch die Aktion Sühnezeichen gehört. Ihr Ziel ist es, im Zuge einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ Friedensarbeit zu leisten. „Bei der Aktion Sühnezeichen stehen Fragen der Erinnerung und Versöhnung im Mittelpunkt“, erklärt Gildemeister. Wer sich dafür interessiert, arbeitet beispielsweise in Gedenkstätten oder Altersheimen in Israel. „Andere Träger wie Eirene setzen Freiwillige als Hilfskräfte in entwicklungsbezogenen Projekten ein oder bei Jugend- oder sozialen Projekten“.
Prägt das ganze Leben
Friedensdienst kann im Prinzip jeder leisten. Für junge Menschen gibt es allerdings besondere Angebote – zum Beispiel Workcamps, Jugendbegegnungen oder mittel- bis langfristige Freiwilligendienste, die sechs bis 24 Monate dauern. Jörg Stroisch, heute 32 und Unternehmer in der Medienbranche, hat 1999 nach seinem Studium als Freiwilliger gearbeitet. Seinen Zivildienst hatte er da schon lange abgeschlossen. Er arbeitete im Kibbutz Geshar in Haziv bei Naharia in Israel, nahe an der libanesischen Grenze. „Ich habe dort vor allem gelernt, was der Unterschied zwischen Sicherheit und Frieden ist“, sagt er. „Wir in Deutschland haben Frieden, und wir werden darum beneidet“. Er arbeitete mit Behinderten und Kindern, also im sozialen Bereich. Auch über sich selbst und das Deutschsein hat er viel erfahren in dieser Zeit. „Das prägt ein Leben lang. Ich bin heute noch froh darüber, es gemacht zu haben und würde es jederzeit wieder genau so machen“.
Spenden sammeln
Wer Friedensdienst leisten möchte, muss sich schon im Vorfeld engagieren. Neun bis zwölf Monate vor Beginn sollte man sich auf die Suche nach einer geeigneten Stelle machen. „Ein Problem ist häufig die Finanzierung“, so Jan Gildemeister. Denn die freiwilligen Friedensdienste werden kaum gefördert. Petra Schwaiger, die bei der Aktion Sühnezeichen mit der Öffentlichkeitsarbeit betraut ist, erklärt, wie man dort das Problem löst: „Es wird ein einmaliger Solidaritätsbeitrag in Höhe von 520 Euro gespendet“, sagt sie. „Meistens zahlen das die Eltern. Dann bauen sich unsere Freiwilligen einen Förderkreis auf, der aus 15 Leuten bestehen sollte. Die zahlen über ein Jahr monatlich zehn Euro, so dass insgesamt 1800 Euro zusammen kommen“. Dieses Geld dient der Kostendeckung, denn der Verein finanziert sich hauptsächlich über private Spenden und Gelder der evangelischen Kirche. Im Förderkreis der Freiwilligen sind meistens Verwandte. „Man kann aber auch Politiker, die Kirchengemeinschaft oder Prominente ansprechen“, erklärt Petra Schwaiger. „Auf jeden Fall bekommt man 15 Leute zusammen“. Das weiß sie sicher, denn sie selbst leistet bei der Aktion Sühnezeichen ebenfalls Friedensdienst. Die 20-Jährige ist Österreicherin und neben der Öffentlichkeitsarbeit ist sie noch bei der jüdischen Gemeinde in Berlin tätig. Dort geht sie für Senioren einkaufen, die im Krieg ihre Angehörigen verloren haben, besucht sie und verbringt ein bisschen Zeit mit ihnen. „Viele sind sehr einsam“, erklärt sie. Ihr Beispiel zeigt: Wer Friedensdienst leisten will, muss soziales Engagement zeigen. „Und er darf kein Problem damit haben, ein Jahr von kleinem Taschengeld und in einer einfachen Unterkunft zu leben“.
Dieser Artikel wurde zuerst im Südkurier veröffentlicht.