Lemgo. Gebt zu, dass Ihr diesen Städtenamen bisher eher nicht als touristisches Ziel für einen Tagesausflug auf dem Schirm hattet. Was soll eine Stadt im Teutoburger Wald mit knapp 40.000 Einwohnern schon so interessant machen, dass man dort einen Urlaubstag verbringen möchte? Tatsächlich sind es mindestens drei Dinge, die ich nach einer Rikschafahrt mit Gästeführer Werner Kuloge an Lemgo sehenswert finde.
Spaziergang durch die historische Altstadt in Lemgo
Da ist zunächst die historische Altstadt. Sie erkundet man am besten zu Fuß – wenn man nicht gerade in der Fahrradrikscha gefahren wird. Dazu parkt man das Auto außerhalb des Rings, der die Altstadt umgibt.
Die erste Besiedlung der Region muss um 780 herum gewesen sein, erklärt mir Werner. Später entwickelte sich die Stadt auch dank einer Kreuzung von Handelswegen – zunächst als eine Art Kaufmannssiedlung. Aus dem 16. Jahrhundert stammen mehrere Häuser mit aufwendigem Fachwerk – das Fächerrosettenhaus beispielsweise und das Planetenhaus. Man wollte zeigen, was man hatte – und auch, was man wusste.
Moderne Stadt mitten im Teutoburger Wald
Werners Erklärungen zeigen mir eine äußerst moderne Stadt: Da war beispielsweise Fürstin Pauline, die 1818 Bürgermeisterin von Lemgo war. Eine Frau an der Spitze der Stadt – in einigen Städten ist das heute noch unvorstellbar. Und diese Pauline war zudem recht fortschrittlich: Sie gründete einen Kindergarten und eine Heil- und Pflegeanstalt. Außerdem spielte Upcycling schon damals eine Rolle – auch wenn es den Begriff noch nicht gab. Denn wenn den Bürgern von Lemgo ihr Haus nicht mehr gefiel, hat man einfach eine neue Fassade davor gesetzt. Ganz schön teuer, aber „ein neues Haus wäre um ein Vielfaches teurer gewesen“, sagt Werner. So kommt es, dass einige Häuser mit Fassaden aus dem 16. Jahrhundert innen Balken aus dem 14. Jahrhundert haben. Und wer mit Werner in die Hinterhöfe fährt, sieht, dass dort die Häuser viel älter aussehen, als von der Straße aus.
Interessant ist außerdem die Evangelisch-lutherische Nicolai-Kirche mitten in der Stadt. Sie fällt nämlich dadurch auf, dass ihre Kirchtürme zwei unterschiedliche Dächer haben. Kurioserweise gehört der linke Turm mit dem Haubendach außerdem der Stadt und nicht der Kirche. Von oben hat man einen schönen Blick über die Stadt und ist außerdem den Glocken sehr nah.
In der Touristeninformation können sich Besucher den Schlüssel zum Turm ausleihen und dann alleine nach oben steigen.
Lemgo ist übrigens ein typisches Beispiel für die so genannte Weserrenaissance. Das ist ein sperriger Name, der nach viel Staub klingt. Aber die erhaltenen Häuser, die üblicherweise zwischen 1520 und 1630 gebaut wurden, sind sehr schön. Die Weserrenaissance spielt beispielsweise auch in Bremen, Einbeck oder Bad Salzuflen eine große Rolle. Auch das Hexenbürgermeisterhaus, eine der Hauptattraktionen in der Altstadt, ist aus der Weserrenaissance. Seinen Namen hat es, weil der Bürgermeister ein strammer Hexenverfolger war. „Zu seiner Zeit wurden von 1400 Einwohnern 100 als Hexen verfolgt“, sagt Gästeführer Werner. „Im Prinzip war davon jede alteingesessene Familie betroffen.“ Im Inneren des heutigen Museums geht es darum natürlich auch genau um diese Zeit.
Rund ums Weserrenaissanceschloss Brake
Gleich ein weiteres Mal wird Euch der Begriff Weserrenaissance in Lemgo begegnen. Dann nämlich, wenn Ihr zu einem ehemaligen Wasserschloss in Brake fahrt. Von außen ist dieses Schloss sehr sehenswert, natürlich umgeben von einem Wassergraben – und von ganz viel Grün, in dem man gut ein bisschen spazieren kann. Innen ist ein Museum, das sich dieser Epoche widmet. Besucher können sich dort als Burgfräulein und Burgherr fühlen, indem sie Kleider anziehen, die dieser Zeit gewidmet sind.
Im Museum gibt es aber auch ganz moderne Ausstellungen. Bei meinem Besuch 2019 wurden die Arbeiten eines Fotokünstlers gezeigt. Er verfremdet Fotos digital, indem er beispielsweise Objekte einsetzt, die dort in echt nicht sind. Das kann ganz interessant sein, auch wenn es inhaltlich weit weg vom Thema der Dauerausstellung ist. Ich gebe allerdings zu, dass mich beide Ausstellungen nicht überzeugt haben. Von außen ist das Schloss jedoch sehr hübsch.
Lemgo in Zahlen
Rund 40.000 Besucher kommen pro Jahr in die Stadt (2018/2019)
1-4 Tage bleiben Gäste üblicherweise – also eher kurz
Die meisten internationalen Gäste kommen aus den Niederlanden, Österreich und Frankreich
Ein absolutes Muss: das Junker-Haus in Lemgo
Ganz anders das Junker-Haus in Lemgo. Das hat mit der Weserrenaissance übrigens nichts zu tun. Dort lebte der Künstler Karl Junker, und er hat im Prinzip das gesamte Haus geschnitzt. Das klingt merkwürdig, und tatsächlich ist es das auch. Denn Junker hat in dem Holzhaus die Deckenbalken bearbeitet, die Bodendielen bemalt und rund 150 Bilder in die so genannten Kassettendecken gemalt. Er hat außerdem alle Möbel selbst gefertigt – vom Sofa mit gigantischen Ausmaßen über das Bett mit Himmel bis zur Krippe im Kinderzimmerchen. Das Traurige an seiner Geschichte ist, dass er nie eine Familie hatte.
Während einige Lemgoer und Besucher des Hauses wohl denken, Junker müsse verrückt gewesen sein, sieht Werner das anders: „Der wusste genau, was er tut. Schließlich war er in Hamburg, Berlin, München und Italien. Er hat Kunst studiert, sich ein Modell des Hauses gebaut, bevor er richtig loslegte. Das macht ein Profi, niemand, der verrückt ist.“ Außerdem, so Werner, habe Junker schon immer Eintritt verlangt, wenn Besucher sein Haus sehen wollten.
Junker, der die reich-geschmückten Häuser aus der Innenstadt natürlich kannte, nahm auf sie bei seinem Bau übrigens auch Bezug: „Die Säulen und Köpfe, die man am Hexenbürgermeisterhaus sieht, werden in der Fassade des Junker-Hauses zitiert“, sagt Werner Kuloge. Einige von Junkers Gemälden und Modellen können Besucher übrigens auch im modernen Anbau sehen. Die eigentliche Sehenswürdigkeit ist jedoch das Haus selbst mit seinen überwältigend vielen Details. Mein Tipp: Früh da sein und etwas mehr Zeit einplanen. Wegen der Corona-Pandemie kann die Besucherzahl und die Aufenthaltsdauer im Haus nämlich begrenzt sein. Wer früh genug da ist, kann sich die Zeit nehmen, die er braucht.
Lemgo in Kürze
Eindeutig das Junker-Haus. Wer mehr Zeit hat, geht noch in die Innenstadt und besteigt den Kirchturm.
Ja, in der Innenstadt gibt es einige Cafés und Restaurants. Ich war beispielsweise im Stadtlicht. Dort gibt es auch regionale Speisen wie beispielsweise Pickert.
Ich würde sagen, vier bis sechs Stunden reichen aus, um das Wichtigste zu sehen und noch in aller Ruhe einen Kaffee zu trinken.
Als Journalistin halte ich mich an den Pressekodex des Presserats. Die Kosten für den Aufenthalt 2019 und im September 2020 wurden vom Veranstalter Teutoburger Wald Tourismus und seinen Kooperationspartnern getragen. Die so genannte Teutoblogger WG wurde im Jahr 2020 im Rahmen des EFRE-Projekts „Zukunftsfit Digitalisierung“ durchgeführt. Der Artikel ist als „Werbung“ gekennzeichnet, weil ich ein Honorar für die Teilnahme an der TeutoBlogger-WG bekommen habe.