Ein Fahrradfahrer fährt zu nah an mir vorbei, hinter sich her zieht er den Geruch eines fetten Joints. Vor mir torkeln drei junge Männer in Schlangenlinien über den Bürgersteig. Sie reden zu laut miteinander, alle gleichzeitig, bis einer plötzlich rechts ausschert, sich auf den Boden setzt und sagt:“Ich brauch’ mehr Speed!“. Ich bin in Stuttgart.
Voraussichtliche Lesedauer: 7 Minuten
Stuttgart: Stadt voller Überraschungen
Ja, in Stuttgart. Dort, wo sich der Mercedes-Stern auf dem Turm des Hauptbahnhofes dreht. Dort, wo man neben Wutbürger*innen wegen Stuttgart 21 vor allem Bausparer*innen und Spießer*innen vermutet. In der Stadt mit einer der bekanntesten Baustellen der Republik. Stuttgart also. Ich bin überrascht. Auch wenn es keine Büdchen wie in Köln gibt, wo man nach 22 Uhr schnell mal eine Flasche Wasser kaufen kann.
Stuttgart: Königstraße und Schlossplatz
Zugegeben: in der Fußgängerzone der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg gibt es nichts Außergewöhnliches. Es reihen sich die Läden der bekannten Ketten aneinander – wie in vielen großen Städten. An einem sonnigen Samstagnachmittag ist die Königstraße trotzdem voll. Doch im Gegensatz zu den Kölner Einkaufsstraßen ist die Königstraße breit. Die vielen Besucher*innen verteilen sich so besser, es entsteht kein unangenehmes Gedrängel. Im Gegenteil ist noch ausreichend Platz für Straßenkünstler: Sie rappen, spielen Gitarre oder machen Akrobatik. Über einige Münzen in ihren aufgestellten Hüten freuen sie sich natürlich alle. Außerdem gibt es mitten in der Fußgängerzone die Domkirche St. Eberhard. An heißen Tagen angenehm kühl. Vor allem aber ein Ort der Ruhe im Vergleich zu dem Getümmel vor der Tür.
Essen in Stuttgart
Die Innenstadt ist bei rund 23 Grad jedoch nicht nur voll mit Einkäufer*innen: Rund um den Schlossplatz sitzen und liegen die Stuttgarter*innen in der Sonne, alleine oder in kleinen Gruppen. Als Besucher*in hat man das Gefühl, in Italien oder Frankreich zu sein. Wieder überrascht Stuttgart positiv. Rund um den Schlossplatz gibt es natürlich viel Gastronomie: Im Café Treppe kann man beim Eiskaffee dem Trubel zusehen, in der Alten Kanzlei gibt’s traditionelles Essen wie Maultaschen und im Künstlerbund scheint alles etwas chaotisch – ist aber trotzdem sehr nett.
Ebenfalls in der Innenstadt ist das Tobi’s: Es ist eine Art Imbiss, der aber nett eingerichtet ist. Zwar gibt es auch Currywurst/Pommes, im Fokus stehen aber schwäbische Gerichte: Käsespätzle und Maultaschen in vielen unterschiedlichen Varianten.
Im Ristorante Valle, auch zentral gelegen, gibt es gute italienische Küche. Ich hatte unter anderem eine Pizza mit Rucola und Räucherlachs.
Im Porsche-Museum
Nur etwa zehn Minuten mit der S6 fährt man vom Hauptbahnhof in Stuttgart bis Neuwirtshausen. Dort ist das Porsche-Museum. Zu sehen gibt es dort hauptsächlich Autos – was nicht weiter überrascht. Sie sind in der Reihenfolge ihres Alters aufgereiht, Besucher*innen geht an ihnen in Form eines Schneckenhauses vorbei. An multimedialen Bildschirmen werden Details von Porsches aus unterschiedlichen Jahren gezeigt, und wie sich die Form des Autos im Laufe der Zeit verändert hat. Audiokapseln demonstrieren den Klang verschiedener Motoren – auch den eines Porsche-Traktors. Unter dieser Audio-Kapsel steht eine Frau mit halblangen silbergrauen Haaren. Sie hat die Augen geschlossen, ein Lächeln spielt um ihre Lippen. Vielleicht denkt sie an längst vergangene Zeiten zurück.
In einem der Wagen sitzt ein Mann, seine Begleitung filmt ihn mit dem Handy. „Ich sitze hier so gut, ich steige nicht mehr aus!“, sagt er in die Kamera. Ich will es nun auch wissen und setze mich in einen roten Porsche 911 GT 3. Es ist, als ob man sich in das Auto hineinpressen müsste: Der Sitz ist tief, hat aber rechts und links einen Rand. Die Beine passen kaum in den Freiraum zwischen Lenkrad und Sitz. Als ich endlich sitze, stelle ich fest, dass es tatsächlich bequem ist. Auszusteigen kommt allerdings einer sportlichen Übung gleich.
Fazit: Mir sind Autos egal. Ich glaube aber, dass in diesem Museum Spaß haben wird, wer sich für Wagen dieser Marke begeistern kann.
Auf dem Weg zum Museum hatte ich in der S-Bahn ein ungewöhnliches Gespräch mit einer gebürtigen Marokkanerin.
Übernachten in Stuttgart
Übernachtungstipp: Das Motel One liegt sowohl zentral als auch am Hauptbahnhof. Außerdem sind die Fenster erfreulich lärmdämmend.
Das Mercure ist eigentlich auch nett und größtenteils renoviert. Allerdings liegt es nicht so zentral, wie der Name vermuten lässt. Außerdem ist es deutlich hellhöriger als das Motel One.
Das Hotel Azenberg liegt stramme 15 Fußminuten vom Hauptbahnhof entfernt. Von außen ist es nicht wirklich eine Schönheit, aber die Zimmer sind nett, und im Keller gibt es ein kleines Schwimmbad. Allerdings riecht man in einigen Zimmern den Abfluss.
Laufrunden und Spaziergänge mit Aussicht
Wenn Ihr etwas länger in der Stadt seid, lohnt es sich, raus zu fahren. Vom Bismarckturm beispielsweise hat man einen sensationellen Blick über die Stadt. Ich bin übrigens hoch gelaufen. Oder besser gesagt: Ich habe versucht, hoch zu laufen, es war aber teilweise so mörderisch steil, und es gab so viele Treppen, dass mich meine App am Ende fragte, ob ich wohl gewandert sei.
Steil hoch geht es auch zur Panoramastraße. Dort ist ein kleiner chinesischer Garten mit einem Tempel und einem tollen Blick über die Stadt. Hier kann man schön auf einer Sitzbank die meditative Stimmung genießen.
Dieser Artikel ist von 2014. Er wurde 2019 und 2022 aktualisiert.
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