Paderborn: Besuch im Heinz Nixdorf Museumsforum

Aufbruch ins All: Aktuelle Ausstellung im Heinz Nixdorf Museumsforum
Nadine
Nadine im Heinz Nixdorf Museumsforum

Irgendetwas stört mich an der Frau mit dem kinnlangen, dunkelbraunen Bob. Ich weiß nicht so recht, was es ist: Ihre etwas zu aufrechte Sitzhaltung? Ihre fahrigen Hände? Immer wieder schweift mein Blick zu ihr hinüber. Ist es ihr Blick, der ins Nirgendwo gerichtet zu sein scheint, oder vielleicht, dass sie mich überhaupt nicht wahrnimmt? Vielleicht verwirrt mich auch nur, dass mitten in der Ausstellung im Heinz Nixdorf Museumsforum, kurz HNF, in Paderborn eine Frau an einem Schreibtisch sitzt.

Es ist ein beklemmendes Gefühl, als ich bemerke, dass Nadine, so heißt die Frau aus Japan, ein humanoider Roboter ist. Um ganz genau zu sein: Sie ist der erste humanoide Roboter, dem ich auf Armlänge gegenüberstehe. Und es ist zugleich faszinierend und beängstigend, wie sie den Kopf hebt, als ich sie anspreche, wie sie mich ansieht, wie ihre Augenlider auf- und zuklappen. Ich kann es nicht abstreiten: Nadine beeindruckt mich.

5000 Jahre Informationstechnik

In der Dauerausstellung im weltgrößten Computermuseum ist sie derzeit eines der modernsten Exponate. Außer ihr können Besucher auf den zwei Etagen im ehemaligen Verwaltungssitz der Heinz Nixdorf Computer AG aber noch viel mehr sehen: Rund 4.000 Ausstellungsstücke erzählen hier die Geschichte des Schreibens, Lesens und Rechnens von der Keilschrift im Jahr 3000 vor Christus in Mesopotamien bis heute. „Oder anders gesagt: Bei uns geht es um 5000 Jahre Geschichte der Informationstechnik“, sagt Christian Berg, der die Abteilung Ausstellung und Kommunikation leitet. Das zieht jährlich rund 100.000 Besucher an, allein an Aktionstagen können es 1500 bis 4000 sein. „Viele kommen aus der Region von Dortmund bis Hannover“, so Berg. Und auch aus Nordhessen fahren einige Besucher in das 1996 gegründete Museum. Dass es das heute überhaupt gibt, geht auf Heinz Nixdorf selbst zurück, der schon früh anfing, historische Schreib- und Rechengeräte zu kaufen. Auch darum hat das HNF die größte Schreibmaschinensammlung Europas. Übrigens findet man dort auch ein E-Bike von 1984, das Nixdorf von seinen Mitarbeitern anfertigen ließ. Der Studienabbrecher gründete sein Unternehmen übrigens 1952 und hatte zu den besten Zeiten 30.000 Mitarbeiter.

Wie sich unsere Welt verändert: Spaziergang durchs Heinz Nixdorf Museumsforum

Besonders schön: Viele der mechanischen Ausstellungsstücke funktionieren noch, und das, obwohl sie schon Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte alt sind. So gibt es zum Beispiel noch eine Telefonvermittlung, an der per Hand die Anrufer zusammengesteckt wurden. „Ihr Smartphone dagegen wird in zehn Jahren nicht mehr funktionieren“, sagt Berg. Und ich denke mit etwas Wehmut daran, dass ich gerade vergangene Woche mein erstes iPhone zum Recycling geschickt habe, weil sich die Rückwand plötzlich ablöste.

Ich versuche mich an einem Comptometer, einem frühen Vorläufer des Taschenrechners, der einen Löschhebel hat, Tasten mit zwei unterschiedlichen Zahlen und kleine, drehbare Metallblättchen, die als Merkhilfe für Kommastellen dienten. Um ehrlich zu sein: Ohne die Bedienungsanleitung auf dem Bildschirm hätte ich nicht gewusst, wie man das Gerät bedient. So wie ich stehen übrigens heute Kinder und Jugendliche im Museum vor den Telefonen mit der Wählscheibe, erzählt mir Berg. Sie versuchten oft, zu drücken, oder hätten einfach kein Gefühl dafür, wie weit sie die Scheibe drehen müssten. So hat eben jede Zeit ihre ganz eigene Technik.

Die Sache mit der Größe

Bei unserem Spaziergang durchs HNF kommen wir auch in einen nahezu leeren Raum. Er ist 50 Quadratmeter groß, das entspricht in etwa der Hälfte der Größe unserer Wohnung. Und das ist die Größe, die der ENIAC, der Electronic Numerical Integrator and Computer, der erste rein elektronische Universalrechner, einst hatte. Um zu funktionieren, waren in ihm 18.000 Röhren verarbeitet, und wenn nur eine defekt war, stimmte das Ergebnis nicht mehr. Heute kann unser Smartphone mehr, und Studenten gelang es, den funktionalen Aufbau des ENIAC auf einem Chip zu realisieren, der gerade einmal die Fläche 6 mal 6 Millimeter hat.

Das Herz des Heinz Nixdorf Museumsforum

Die 4000 gezeigten Exponate sind jedoch nur rund ein Fünftel aller Objekte des HNF. Die überwiegende Mehrheit der Ausstellungstücke steht nämlich im Depot. „Viele der Objekte dort sind für die Zukunft des Museums gedacht“, sagt Christian Berg. Es geht nämlich darum, frühzeitig zu erkennen, was einmal ins Museum muss, und das dann möglichst günstig schon heute einzukaufen. Erleichtert wird das dem HNF-Team durch die eigene Internetseite: Dort kann jedermann ein Objektangebot machen. Alle vier bis sechs Wochen treffen sich Kuratoren, Archivare und Restaurator und besprechen diese Angebote. Dabei spielt auch eine Rolle, ob man im Depot überhaupt Platz hat. Und natürlich der Preis, denn jedes neue Objekt macht Arbeit und kostet somit mehr als nur die Ankaufssumme: „Es braucht eine Inventarnummer, einen Platz im Depot in einem säurefreien Karton, muss in die Datenbank eingetragen und versichert werden“, erklärt Christian Berg. Bevor ein Objekt angekauft wird, muss es natürlich auch verifiziert werden. Dass der Apple I, der ausgestellt ist, echt ist, hat übrigens Steve Wozniak, Mitbegründer von Apple, bestätigt.

Die aktuelle Ausstellung „Aufbruch ins All“ läuft übrigens noch bis Anfang Januar 2021. Dort geht es um den beginn der Raketentechnik in Peenemünde auf Usedom, es geht um Neil Armstrong und Apollo. Und die Besucher können sogar ein Stück Mondgestein in einer Vitrine sehen.

Eine Art der Hellseherei müssen die Mitarbeiter auch in Bezug auf die Wall of Fame im zweiten Stock beweisen. Dort werden Pioniere der digitalen Welt multimedial vorgestellt, Bill Gates ist zum Beispiel dabei, und Mark Zuckerberg soll bald dazukommen. „Es ist immer eine Frage, ab wann jemand hier aufgenommen werden soll“, sagt Christian Berg. Zuckerberg zum Beispiel habe trotz Datenskandal mit Facebook etwas geschaffen, was eine Würdigung wert sei.

Arbeiten im HNF

Damit ein so großes Museum reibungslos funktioniert, braucht man schon einige Mitarbeiter: 40 Leute arbeiten hier zusammen, um gut 1000 Veranstaltungen pro Jahr und Ausstellungen zu organisieren, Schulklassen zu betreuen und die Exponate zu verwalten. Ganz wichtig sind außerdem Mitarbeiter, die sich mit Technik auskennen. Denn wo es so viele interaktive Stationen gibt, ist klar, dass die ein oder andere manchmal ausfällt: An 85 Multimediaterminals können die Besucher interaktive Anwendungen nutzen, es gibt 29 Video- und Audio-Installationen sowie Spieleinseln und Multimedia-PCs. Darum geht auch jeden Morgen ein Restaurator durch die gesamte Ausstellung, um zu sehen, wo etwas repariert werden muss.

Aufwändig ist es außerdem, Exponate an andere Museen zu verleihen. So hatte das HNF beispielsweise Ausstellungsstücke nach Katar zur Ausstellung Driven by German Design geliefert. Dazu mussten extra Kisten angefertigt werden. Nadine war übrigens erst vor kurzem in Berlin. „Solche Kunsttransporte sind arbeitsintensiv und teuer“, sagt Christian Berg. „Da kommen schnell vierstellige Summen für den Transport zusammen.“

Wie man sich im Heinz Nixdorf Museumsforum zurecht findet

Es gibt viele Wege, das HNF zu erkunden:

  1. Natürlich kann man einfach so von Exponat zu Exponat gehen.
  2. Freunde der Technik nutzen dabei ihr Smartphone und scannen die QR-Codes auf dem Boden, um weitere Infos zu bekommen. Sie findet man an den Highlights der Ausstellung.
  3. Gegen Vorlage des Führerscheins oder Personalausweises bekommt man einen interaktiven Museumsguide an der Rezeption, den man auch mit den eigenen Kopfhörern benutzen kann. Darauf gibt es je nach Abteilung mehr Informationen.
  4. Ganz wunderbar ist es auch, sich von Peter oder Petra durch die Ausstellung leiten zu lassen: Die beiden Roboter bieten auf ihrem Bildschirm verschiedene Ziele an, führen ihre Gäste auf direktem Weg zum ausgewählten Objekt und erzählen dort die Geschichte dazu. Peter war übrigens zuerst da, und sein Name steht für „Paderborns erster toller Erklärroboter“.
  5. Sonntags um 15 Uhr gibt es eine kostenlose Führung. An anderen Tagen kann man eine von neun Themenführungen buchen.

Gewusst?

Das Computer History Museum in Mountain View hat sich übrigens das HNF zum Vorbild genommen. Dort hatte ich vor einigen Jahren schon einmal viel Spaß.

Als Journalistin halte ich mich an den Pressekodex des Presserats. Ich war im Heinz Nixdorf Museumsforum während der #TeutoBloggerWG von Teutoburger Wald Tourismus. Die Kosten für die Anreise, die Unterbringung, Verpflegung und die Besichtigung des Museums wurden vom Veranstalter und seinen Kooperationspartnern getragen.

Der Artikel ist ursprünglich aus dem Juni 2018. Er wurde im August 2020 aktualisiert.

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