Der Eichblattsalat mit den grün-roten Blättern, den Landwirt Heinz Bursch frisch vom Feld abschneidet, passt genau in eine Hand. „Für den Handel ist er zu klein“, sagt er. „Wollen wir ihn verkaufen, müssen wir uns etwas einfallen lassen.“ Die Lösung lautet in diesem Fall, ihn kombiniert mit einem grünblättrigen Salat zu verkaufen, der ebenfalls etwas zu klein geraten ist. Was für ein Wahnsinn, denke ich. So oft ärgere ich mich darüber, dass die Salatköpfe im Supermarkt, aber auch in meiner wöchentlichen IDA-Regio-Gemüsekiste, zu groß sind. Die IDA wird übrigens auch von Bursch beliefert, und alleine darum fand ich es spannend, mir den Biohof Bursch in Bornheim bei Bonn anzusehen und zu schauen, woher mein Gemüse kommt.
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Biogemüse sieht nicht immer perfekt aus
Ich wäre also dankbar für kleinere Salatköpfe, die Größe, die Heinz Bursch in der Hand hält, finde ich optimal. Aber sie entspricht nicht der Norm. Das gilt für auch für anderes Gemüse: Kohlrabi, der beispielsweise eine dunkelbraune Macke hat, verkauft sich nicht. Bursch nennt die Macke liebevoll „Verletzung“. „Denn“, so erklärt er, „die Schale des Kohlrabi ist wie menschliche Haut sehr empfindlich. Regen und Sonne setzen ihr zu, dann spannt die Haut und reißt, während die Kohlrabi weiter wächst. Aus dem Riss wird schließlich eine braune, holzige Stelle. Schneidet man sie ab, ist dieser Kohlrabi genau so gut wie jede andere. „Nur leider nicht verkaufbar“, sagt Bursch.
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Selbst in seinem Hofladen, der eher ein kompletter Bio-Supermarkt mit großer Wein- und Gemüseauswahl ist, blieben diese Exemplare liegen. Bei Bursch versucht man, nur im Notfall Gemüse wegzuschmeißen, „dann, wenn alle Urlaub haben“, sagt er. Sonst verschenkt man das Gemüse mit Macken an die 100 Mitarbeiter – oder macht beispielsweise aus Kohlrabi eine Suppe, die man dann als Fertigprodukt verkauft. „Immer mehr Menschen haben keine Zeit oder Lust, zu kochen“, weiß Bursch. „Für sie sind fertige Gerichte aus Bio-Gemüse perfekt.“
Demeter und andere Bio-Siegel
Den Biohof Bursch gibt es schon seit Generationen. Burschs Vater war einer der ersten Landwirte in der Region, die nach dem Krieg zunächst auf Pflanzenschutzmittel setzte. „Als denjenigen, die die Mittel aufbrachten, übel wurde, beschloss er, die Finger davon zu lassen“, erzählt sein Sohn Heinz. Darum ist der Hof seit 1964 ein Bio-Betrieb, seit etwa sieben Jahren ist er sogar von Demeter zertifiziert. Für Demeter-Produkte gilt, dass zu 100 Prozent Biozutaten verarbeitet werden müssen, bei anderen Bio-Siegeln kann es etwas weniger sein. Auch bei den Zutaten, der Tierhaltung und der Saatgutzüchtung gelten strenge Regeln. Rund 60 Produkte baut der Biohof Bursch demeter-gerecht in Bornheim an. Den Obstanbau hat er nach Meckenheim verlagert, die Tiere sind in die Eifel gezogen, der Biohof Bursch ist auf Gemüse spezialisiert.
Aktionstag Slow Food bei Biohof Bursch
Als wir Bursch besuchen, probieren wir grünen Spargel, Kohlrabi, Salatgurke und Erdbeeren direkt vom Feld beziehungsweise aus dem Gewächshaus. Die Freilandsaison hat erst vor etwa zwei Wochen begonnen, sagt Bursch. Das hängt natürlich mit dem Wetter zusammen. Überhaupt ist das Wetter ein unberechenbarer Faktor für seine Arbeit: Der Handel besteht darauf, dass die Verträge erfüllt werden. Wer also zugesagt hat, täglich oder wöchentlich eine bestimmte Menge zu liefern, muss das halten.
Also produziert der Landwirt mehr, als er muss. Denn nicht jede Saat geht auf. Die Kohlrabi am Rand des Feldes beispielsweise hatten zu wenig Wasser bekommen und sind darum nicht schön genug für den Handel. Es kann aber auch anders kommen: Eine plötzliche Hitzewelle zum Beispiel lässt sehr viel Gemüse viel zu früh reifen – und plötzlich hat man einen gewaltigen Überschuss, aber keine Abnehmer. Rund 30 Prozent der Produkte würden dem Kunden gar nicht erst zur Verfügung gestellt, schätzt Bursch.
Wir besuchten den Biohof Bursch auf einer Erntetour, die im Vorfeld zur Aktion „Köln rettet Lebensmittel“ stattfand. Der Aktionstag von Slow Food Deutschland ist Teil der Initiative Zu gut für die Tonne, hinter der die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn steht. Jedes achte Lebensmittel werfe der Bürger weg, heißt es in einer zugehörigen Informationsbroschüre. Das entspreche rund 82 Kilogramm pro Person und Jahr. 44 Prozent davon sind Obst und Gemüse.