Anzeige * Glashütte Gernheim und die Geschichte des Glases

Flaschen in der Sammlung der Glashütte Gernheim

Schau dich bitte einmal um, bevor du weiterliest: Wo überall in deiner Wohnung siehst du Glas? Die Fensterscheiben natürlich, Gläser und Flaschen, Brillengläser, Glaslampen, Spiegel und Objektive. Vielleicht konservierst du auch Obst und Gemüse für den Winter in Gläsern? Spätestens jetzt wirst du bemerken, welche Revolution die Erfindung des Glases war. Auch die Bremer Kaufleute Johann Friedrich Christoph Schrader und Cornelius Lampe hörten von diesen Möglichkeiten – und gründeten 1812 die Glashütte Gernheim bei Petershagen in der heutigen Urlaubsregion Teutoburger Wald, also im Norden von NRW. Sie ist heute ein LWL-Industriemuseum.

Der Glasturm
Der Glasturm

Allerdings gab es an diesem Ort damals nichts. Oder alles – je nachdem, aus welcher Perspektive man die Region sah. Lampe und Schrader brauchten die Rohstoffe für Glas – und Sand gab es dort genügend. Außerdem war ein Transportweg wichtig – dafür bot sich die Weser an. Politisch betrachtet war die Lage auch gut, denn Petershagen gehörte noch zum Napoleonischen Reich. Aufgrund einer Handelsblockade gegen England konnten von dort keine Glasprodukte eingeführt werden. Entsprechend groß war der europäische Festlandmarkt. Und so kam es zur Glashütte Gernheim, die ihren Namen von einem Ausruf Schraders hat: „Hier bin ich gern heim“, soll er gesagt haben, als er sein Boot verließ und an Land ging.

Weltweiter Versand aus der Glashütte Gernheim

In der Hochzeit um 1842 beschäftigte die Glashütte 260 Mitarbeiter. Unter ihnen auch Ziegler, Maurer oder Formenmacher – denn in einer Glashütte gibt es mehr zu tun, als nur Glas herzustellen. Schreiner und Tischler beispielsweise produzierten die Kisten, mit denen die Glaswaren in die ganze Welt verschickt wurden. Sogar bis Kalkutta in Indien und nach Nord- und Südamerika. Und weil Sand bei etwa 1500 Grad Celsius schmilzt und etwa 18 bis 24 Stunden braucht, um zu Glas verarbeitet zu werden, durften die Arbeiter nicht allzu weit entfernt wohnen. Also baute man für 30 Arbeiterfamilien kleine Häuschen.

Die gute Stube in den Arbeiterhäuschen in der Glashütte Gernheim
Die gute Stube in den Arbeiterhäuschen
  • Ein Schlafzimmer für die Eltern. Gut abgedunkelt, damit der Vater auch tagsüber schlafen konnte, wenn er nachts gearbeitet hatte. 
  • Ein Aufenthaltsraum, in dem die Kinder auf Matten schliefen, 
  • die Küche und 
  • die gute Stube. 

Außerdem gab es Platz für eine Ziege, ein Schwein und Hühner. Und einen kleinen Garten. 

Nicht nur die gute, alte Zeit

Allerdings gab es keinen Laden, in dem die Arbeiterfamilien beispielsweise Mehl, Tabak und alles andere, was sie nicht selbst herstellten, kaufen konnten. Darum führten die Fabrikherren auf dem Gelände auch einen Laden. Und weil man rund um die Glashütte die wenige Freizeit nicht gut verbringen konnte, eröffneten sie auch eine Kneipe. So trugen also die Arbeiter das hart verdiente Geld wieder zurück an ihre Arbeitgeber. Und obwohl die Mitarbeiter froh über ihre Situation waren, hatten sie letztlich nichts davon.

  • Das sehr helle Licht bei der Arbeit führte im Alter oft zu Blindheit. 
  • Weil das Blasrohr weitergereicht wurde, steckte sich die Belegschaft gerne untereinander mit Infekten an. 
  • Und die Giftstoffe, mit denen man Glas färbte und entfärbte, führten oft zu einem frühen Tod durch eine Staublunge.
  • Die Lebenserwartung lag bei 38,5 Jahren.

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Glashütte Gernheim: Gerne mit Führung

Den Arbeiterkindern gegenüber zeigten sich die Fabrikherren wenig verantwortlich: Sie waren billige Arbeitskräfte, die im Prinzip von den Vätern sieben Jahre ausgebildet wurden. Die Familien begrüßten das – der Beruf war gut bezahlt und schien zukunftssicher. Dass es eine Schulpflicht gab, übersah man nur zu gerne. Die Fabrikinhaber gründeten zwar 1822 eine Fabrikschule. Doch die Lehrer waren privat angestellt. Beschwerten sie sich über zu viele Fehlstunden der Schüler, wurden sie ersetzt. So umging man über 40 Jahre die Schulpflicht. Spätestens 1877 war jedoch damit und mit allem anderen Schluss: Weil die Glashütte Gernheim keinen Eisenbahnanschluss hatte, war sie insolvent.

Zugegeben: Alles das hätte ich mir niemals selbst aus der Dauerausstellung ableiten können. Ohne Führung hätte ich wahrscheinlich nur die vielen bunten Glasflaschen in unterschiedlichster Form hübsch, die Arbeiterhäuschen niedlich gefunden und über den Prunk des hergerichteten Herrenhauses gestaunt. Dank der Führung habe ich eine Menge gelernt und einen ganz neuen Blick auf die Glasproduktion im 19. Jahrhundert bekommen.

Gut zu wissen

  • Vor Ausbruch der Corona-Pandemie besuchten etwa 20.000 Besucher*innen im Jahr die Glashütte Gernheim. Häufig kamen und kommen sie aus Hannover, Bremen und Minden.
  • Der Aufwand, die Glashütte zu erhalten ist hoch: Bei der Reparatur des Ofens spielte beispielsweise der Denkmalschutz eine Rolle.
  • In der Glashütte Gernheim arbeiten Glasbläser und -schleifer – heute sind dies eher seltene Berufe. Der Glasbläser produziert pro Stunde sechs bis sieben einfache Gläser. An mehrfarbigen Schüsseln arbeiten allerdings zwei Glasbläser schon mehrere Stunden. Deutlich länger als das Blasen des Glases dauert dann nochmals das Schleifen. Dabei muss immer Wasser auf den Schleifstein tröpfeln. Denn sonst würde durch das Schleifen Hitze entstehen und das Glas springen. Außerdem ist der Glasstaub ist nicht gesund für die Schleifer.
Wie erreicht man die Glashütte Gernheim?

Die Glashütte Gernheim erreicht Ihr am besten mit dem Auto. Die Adresse lautet Gernheim 12 in Petershagen. Mein Navi kannte die Adresse. Die Glashütte ist aber auch schon früh ausgeschildert. Parkplätze gibt es gegenüber von der Glashütte. 

Gibt es in der Glashütte Gernheim einen Shop?

Derzeit gibt es nur einen kleinen Shop bei der Glashütte. Doch in einem Neubau soll es künftig einen größeren Laden und ein Café geben.

Die TeutoBloggerWG 2021 fand im Rahmen des EFRE-Projekts „Zukunftsfit Digitalisierung“ statt. Das Projekt wird gefördert durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und das Land NRW. Als Journalistin halt ich mich an den Pressekodex des Presserats. Ich war während der #TeutoBloggerWG von Teutoburger Wald Tourismus in der Glashütte Gernheim, sowie 2022 im Rahmen einer Expedientenfahrt mit dem Mühlenkreis Minden-Lübbecke. Die Kosten für die Anreise wurden beim ersten Besuch, die Unterbringung und Verpflegung sowie der Eintritt beim ersten und zweiten Besuch vom Veranstalter und seinen Kooperationspartnern getragen. Der Artikel ist als „Anzeige“ gekennzeichnet, weil ich ein Honorar für die Teilnahme an der TeutoBlogger-WG bekommen haben.

Der Artikel vom September 2021 wurde im Oktober 2022 aktualisiert.

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