Warum steht eigentlich mitten in Bad Oeynhausen im Teutoburger Wald ein ionischer Tempel? Mit dieser Frage begann für René Haeseler vor acht Jahren etwas Neues. Denn er stellt fest, dass er nicht nur auf diese Frage zu seiner Heimatstadt keine Antwort wusste. Was folgte, war eine akribische Recherche in der Stadtchronik und im Stadtarchiv. Und dann hat er sich mit diesem Wissen als Stadtführer selbstständig gemacht. Mir gehen bei unserem Spaziergang durch den Kurpark der Stadt so einige Lichter auf – insbesondere, weil René Fragen beantwortet, die ich mir selbst noch nie gestellt habe. Aber der Reihe nach:
Dass Oeynhausen das schmückende „Bad“ im Namen tragen darf, hat die Stadt einem Bauern zu verdanken. Der wunderte sich nämlich in den 1740er Jahren darüber, dass an seinen Schweinen Kristalle funkelten. Gefunden war so der erste Solestrang, der zu einem wirtschaftlichen Aufschwung in der Region führte. Auf der Suche nach weiterem Salz bohrte man das tiefste Loch der Erde, wie Alexander von Humboldt es seinerzeit nannte. 696 Meter tief war das Bohrloch Nummer 1 – nicht nur für die damalige Zeit enorm tief. Was man damals fand, war kohlesäurehaltige Sole – doch die ignorierte man zunächst. Schließlich hoffte man auf Salz.
Griechische Anmutungen im Kurpark
Doch als die Bohrarbeiter das etwa 33 Grad warme Wasser nutzten, um sich zu waschen, und feststellten, wie wohltuend es war, begann die Entwicklung des Ortes hin zur Bäderstadt. Dazu baute man mitten in den Wiesen und zwischen den Bauernhöfen zunächst ein Badehaus. Seinerzeit sicherlich ein ungewöhnliches Gebäude – zumindest an diesem Ort, denn: „Es orientierte sich am griechischen Badewesen“, sagt René. Und hatte damals schon einen Lesesaal und ein Theater, denn man verfolgte einen ganzheitlichen Heilungsansatz. Es ging also nicht nur um den Körper, sondern auch um den Geist.
Die Tempelfassade selbst macht noch heute schnell klar, was hier passiert: Gezeigt wird die Hygieia, eine Tochter des Asklepios, die personifizierte Gesundheit. In ihrer Hand hält sie einen Schwamm. Klar, es geht ja ums Baden. Zu dieser griechischen Anlage stellte man in den 1870er Jahren zwei Kirchen, eine im mittelalterlichen Stil und eine gotische mit hohen Fenstern – so, wie wir sie aus dem Kölner Dom kennen. Dazu kam das heutige Badehaus 2, das seinerzeit die Nummer 4 war, und im Renaissance-Stil gebaut wurde. sehr interessant: „Im Eingangsbild sieht man eine Putte mit Krücken und Rollstuhl“, macht mich René auf die pummelige Gestalt links oben über der Tür aufmerksam. Ein Rollstuhl zu dieser Zeit? „Nicht so verwunderlich, wenn man weiß, dass hier 1871 die Erste Oeynhauser Krankenfahrzeug-Fabrik von Heinrich Wilhelm Voltmann gegründet wurde“, erklärt René. Damals, so erzählt er, habe man sogar die Kurgäste vom Bahnhof mit dem Rollstuhl abgeholt.
Bad Oeynhausen: Stilistische Vielfalt
Badehaus 1 und 2 sind innen übrigens prunkvoll: bemalte Wände und Mosaikfußboden, die Räume sind hoch und hell, und eigentlich wirken sie wie zwei kleine Schlösser. Badehaus 3 gibt es heute nicht mehr. René sagt, es sei ein eher einfaches Armenbad gewesen, Badehaus 2 soll damals von außen wie eine skandinavische Stabkirche ausgesehen haben. Wenn man sich jetzt noch vorstellt, dass auf dem Gelände Pfauen spazierten, es ein Reptiliengehege gab und im Kurpark noch heute Mammutbäume stehen, dann war das schon ein äußerst exotischer Ort.
Im Badehaus 2 lässt René etwas Wasser in eine der großen Metallwannen laufen. Es stinkt! Nach Schwefel nämlich. „Daran gewöhnt man sich“, lacht René. Wichtig sei, dass es gesund ist: Die Haut wird durch die Kohlensäure angeregt, das enthaltene Eisen soll gut für die Gelenke und das Bindegewebe sein.
Ganzheitlicher Ansatz schon vor vielen Jahren
Das Kurhaus, das heute das Herzstück der Anlage ist, wurde übrigens erst in den 1920er Jahren gebaut, damals, als Bad Oeynhausen gut 26.000 Kurgäste im Jahr hatte. Schon damals gab es in dem Gebäude ein Spielzimmer, ein Varieté, eine Bibliothek und ein Restaurant. „Das Kurhaus“, so René, „vereint immer die schönen Dinge des Lebens für die Gäste an einem Ort“. Übrigens wird dort auch heute noch Unterhaltung geboten, und zwar im GOP.
Um die architektonische Stilsammlung im Kurpark weiterzuführen, ist das Kurhaus im Barock gebaut – und sieht mit dem klar strukturierten Park und den Wasserbecken davor aus wie ein kleines Schloss Versailles. Ganz anders der wild-romantische Park direkt daneben: Er wurde im Stil englischer Landschaftsgärten angelegt. „Hier gibt es keine einzige gerade Sichtachse“, so René. Dann gibt es noch ein Theater im Rokoko-Stil, und die Wandelhalle – eben der ionische Tempel, der bei René der Auslöser für sein heutiges Wissen war. „Er steht mit seinen weißen Säulen als Würdigung der Demokratie – schließlich wurde er während der Weimarer Republik gebaut“, sagt der Kurpark-Experte, der übrigens Kunstgeschichte studiert hat.
Immer in Bewegung bleiben
In der Wandelhalle wurde und wird Konversation gehalten – oder der Demokratie entsprechend diskutiert. Außerdem ist dort der Heilwasserausschank, und kleine Geschäfte gibt es dort auch. „Wer zur Kur ist, soll sich zwar erholen, aber nicht unbedingt sitzen oder liegen“, erklärt René. „Darum sind die verschiedenen Kurangebote immer über eine größere Fläche verteilt. So bleiben die Gäste in Bewegung“. Schlau, denke ich. Und: Darüber habe ich noch nie nachgedacht.
Rund um den Kurpark stehen übrigens noch einige Villen aus der guten alten Zeit erhalten. Doch wenn man durch die Fußgängerzone schlendert, sieht man in Bad Oeynhausen auch viel Leerstand und einige Bausünden. Aber nun ja – von Letzteren haben wir in Köln auch nicht gerade wenig, nicht wahr?
Essen und schlafen in Bad Oeynhausen
Gleich zweimal habe ich in Bad Oeynhausen im Mercure Hotel am Bahnhof übernachtet. Die Zimmer sind zwar noch etwas altmodisch, aber das Foyer und die Flure sind sehr stylish. Hinzu kommt: Das Frühstück im Hotel ist sehr liebevoll mit frischgepresstem O-Saft und einer Vielzahl an Wurst- und Käsesorten sowie beispielsweise Eiersalat.
Zum Essen bietet sich das Leander am Kurhaus an: Das Restaurant dort hat sehr gute Pizza, beispielsweise mit Trüffel. Auch die Salate sind top.
Bad Oeynhausen in aller Kürze
Bad Oeynhausen ist eine Stadt in NRW. Sie liegt in der Region Teutoburger Wald, ungefähr zwischen Herford und Minden.
Der Kurpark in Bad Oeynhausen ist sehr schön. Dort können auch Läufer bequem ihre Runden drehen. Neben dem Kurhaus ist außerdem ein Restaurant. Und im Kurhaus selbst kann man sich Varieté ansehen. Vom Kurpark aus ist man auch schnell im Stadtzentrum, um einen Kaffee zu trinken.
Von Bad Oeynhausen ist man schnell in Herford. Dort ist das Museum Marta. In Bad Salzuflen kann man salzhaltige Luft inhalieren. Und in Lemgo gibt es ein ganz ungewöhnliches Künstlerhaus.
Alles in allem ist das Deutsche Märchen- und Wesersagenmuseum etwas verstaubt. Allerdings hat es seit Januar 2022 einen neuen Leiter, und so wird sich dort bald etwas verändern. Davon abgesehen sind die Dioramen sehr sehenswert. Sie ziehen die Besucher quasi ins Märchen hinein. Die Leporellos sind besonders sehenswert: Sie zu entschlüsseln gleicht der Dechiffrierung einer Geheimsprache. Und großen Unterhaltungswert haben die Rotkäppchen-Varianten, für die man sich aber etwas Zeit nehmen muss.
Als Journalistin halte ich mich an den Pressekodex des Presserats. Die Kosten für den Aufenthalt im September 2020 wurden vom Veranstalter Teutoburger Wald Tourismus und seinen Kooperationspartnern getragen. Die so genannte Teutoblogger-WG wurde im Rahmen des EFRE-Projekts „Zukunftsfit Digitalisierung“ durchgeführt. Der Artikel ist als „Werbung“ gekennzeichnet, weil ich ein Honorar für die Teilnahme an der TeutoBlogger-WG bekommen habe. 2021 und 2022 war ich auf eigene Kosten in Bad Oeynhausen und habe für mein Buch „80 Glücksorte im Teutoburger Wald“ recherchiert. Dieser Artikel wurde im März 2022 aktualisiert.