Rodenbeckerschnieder, Schloß Holte-Stukenbrock, Herzebrock-Clarholz: Familien- und Ortsnamen sind in Ostwestfalen-Lippe (OWL) häufig so kompliziert, wie die Bezeichnung der Region selbst. Ich weiß oft nicht, ob ein Name mit Bindestrich geschrieben wird oder ohne. Und ich gebe auch zu, dass mein Gehirn in der Regel einige Zeit braucht, um die meistens vielen Silben in der richtigen Reihenfolge anzuordnen. So war es auch mit Herzebrock-Clarholz. Die Bindestrich-Gemeinde gehört zum Kreis Gütersloh und hat etwa 16.000 Einwohner. Sie liegt ganz im Westen von OWL, am Rande des Teutoburger Waldes.
Der Bindestrich lässt es außerdem erahnen: Herzebrock und Clarholz waren eigentlich zwei Gemeinden, die 1970 miteinander verbunden wurden. So kommt es, dass es auch zwei Ortskerne gibt – und zwei ehemalige Klöster. Wer beide an einem Tag besuchen will, kann mit Gästeführerin Christina Ruberg oder einer ihrer Kolleg*innen eine gemütliche Fahrradrunde um die Gemeinde herum machen. Ich empfehle dazu ein E-Bike, denn auf dem platten Land in OWL muss man mit starkem Gegenwind rechnen.
„Seit einiger Zeit gibt es die Interessengemeinschaft der Gästeführer, deren Vorsitzende Christina Ruberg ist. Neun Frauen und ein Mann haben sich intensiv in die Geschichte der Gemeinde eingegraben und Rundgänge ausgearbeitet, bei denen Sie hinter die Fassaden schauen und interessante Geschichten erzählen.“
Anja Valentien, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Herzebrock-Clarholz
Wirtschaftsstandort Herzebrock-Clarholz
Natürlich könnte man auch einfach mit dem Auto von Kloster zu Kloster fahren. Dann aber verpasst man die Schönheiten der umliegenden Natur: vorbei an Feldern, Blumenwiesen und unter hohen Bäumen hindurch ist die Fahrradrunde eine gute Möglichkeit, mehr von der Region zu sehen. Davon abgesehen gibt es viele und breite Fahrradwege und im Vergleich zu Köln wenig Straßenverkehr.
Doch wer sich mit Christina am Bahnhof in Herzebrock trifft, fährt nicht sofort ins Grüne, sondern zu einer Sehenswürdigkeit, die man erst mit der entsprechenden Erklärung zu schätzen weiß: Ein Haus an der Straße und den Bahngleisen, die Schaufenster voll mit Töpfen, einem Grill, Körben und vielen anderen Haushaltsutensilien. In goldener Schrift steht auf hellgelbem Hintergrund über der Tür „H. Siewecke“. Den Laden, so erklärt mir Christina, gibt es seit 1896. „Und wenn du im Baumarkt eine Schraube nicht bekommst, kannst du sicher sein, dass Norbert sie hat“. Norbert führt das Geschäft in dritter Generation, sein Sohn Ingo wird die vierte Generation sein, die den Traditionsladen übernimmt.
Doch der Haushaltswarenladen gehört erst seit 1905 den Sieweckes. Gründer war Carl Miele, der dort seinerzeit Sparherde, Nähmaschinen und andere Dinge verkaufte, bevor er nach Gütersloh zog, um mit Reinhard Zinkann das heutige Weltunternehmen Miele zu gründen. Überhaupt ist die Region wirtschaftlich interessant: Die Firma Craemer sitzt um die Ecke und produziert unter anderem Kunststoffpaletten und große Mülleimer. Nicht weit ist außerdem Lübbering, ein Unternehmen, das Hochpräzisionswerkzeuge herstellt. Möglicherweise hängt es mit diesen und anderen Firmen in der Gegend zusammen, dass nach Herzebrock-Clarholz vor allem Gäste auf Geschäftsreise kommen, wie mir Anja Valentien sagt, die für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde zuständig ist.
Das platte Land rund um Herzebrock-Clarholz
Ein Industriegebiet findet man hier trotzdem nicht, denn zwischen diesen Unternehmen erstrecken sich Felder, auf denen im Herbst sattgelb der Senf blüht, in einem Acker liegen einige Kartoffeln, die beim Ernten übriggeblieben sind. Vertrocknete Maisstauden ragen genauso in die Höhe wie geschossener Spargel. Und an gefühlt jeder Weggabelung steht ein Hofkreuz. „Kein Wunder“, sagt Christina, „das ist hier eine sehr katholische Gegend“.
Trotz der starken Wirtschaft in der Region ist man eben eher auf dem Land. Und das ist auch gut so, denn sonst wäre unsere Fahrradtour nur halb so schön. Das scheint sich übrigens auch zunehmend bei Tagestouristen herumzusprechen: „Wir haben insbesondere im gerade vergangenen Corona-Sommer viele Anfragen nach Rad- und Wandermöglichkeiten erhalten“, sagt Anja. Davon gibt es rund um Herzebrock-Clarholz eine ganze Menge: „Zum Beispiel den Prälatenweg, der kürzlich im Rahmen eines Projekts mit Teutoburger Wald Tourismus runderneuert wurde.“ Und auf dem auch ich während meines Besuchs ein Stück unterwegs war.
Unter weitausladenden Kastanienbäumen und durch jahrhundertealte Klostereichenwälder führt uns unsere Tour zunächst aber zu einem weiteren, sehr irdischen Platz: dem Eierlikörparadies. Die Familie Heitmann verkauft dort seit gut zwei Jahrzehnten Eierlikör, den sie natürlich selbst herstellt. Ihn gibt es nicht nur in der klassischen Variante, sondern auch beispielsweise mit Spekulatius-, Schoko- oder Limettengeschmack.
Von Kloster zu Kloster
Unser nächstes Ziel ist die Klosteranlage Clarholz, der wir uns von hinten über eine schmale Holzbrücke nähern. So kommen wir direkt in den Klostergarten, der 2006 neu angelegt wurde. Dabei, so erzählt Christina, hat man Pläne genutzt, die ein Herzebrock-Clarholzer beim Ausmisten auf dem Dachboden gefunden hat. Inmitten des Gartens steht die ehemalige Probstei, ein mächtiges Gebäude, das man mitten auf dem Land eigentlich nicht erwarten würde. Heute ist dort ein Museum, das Standesamt – und es gibt hier sogar einige Mietwohnungen. Ich gebe zu: Das würde mir als Lebensumfeld auch gefallen.
Neben dem ehemaligen Kloster ist die wuchtige Kirche St. Laurentius, die bereits um 1175 gebaut wurde. „Sie ist das älteste Gebäude im Kreis Gütersloh“, weiß Christina. Hat man sie umrundet, steht man übrigens im Prinzip mitten im Ort. Für die Stärkung bietet sich das Eiscafé am Torbogen an: Dort hat man den Blick auf den grünen Platz mit Kirche und Kloster. Im Hintergrund hört man einen Brunnen plätschern – alles in allem ist es dort recht gemütlich. Vor der Kirche stehen übrigens die ersten neuen Informationstafeln, die neugierigen Besuchern mehr über die Geschichte des Ortes verraten. Auf ihnen ist auch ein QR-Code, der zu noch mehr Wissenswertem im Internet führt. In den kommenden Monaten soll es weitere Infotafeln in Herzebrock-Clarholz geben.
Christina fährt mit mir weiter zur ehemaligen Klosteranlage Herzebrock. Dort sieht es lange nicht so mondän aus wie am Kloster Schloss Clarholz. Dafür aber ein bisschen verwunschen: Efeu rankt sich an dem alten Gemäuer nach oben. Die letzten Rosen blühen in hellrosa, während Lavendel und Goldrute schon sehr herbstlich aussehen. Zu meiner großen Überraschung sind auch hier einige Mietwohnungen. Natürlich gibt es auch eine Kirche, St. Christina heißt sie. Um das ehemalige Kloster in Herzebrock gibt es ebenfalls viel Grün, einige Apfelbäume, einen Weiher. Alles in allem also ein ruhiges Fleckchen Erde, das zum Entspannen einlädt.
Gut zu wissen
Wenn du mit dem Fahrrad unterwegs bist, sind vier Stunden sinnvoll, um beide Klöster und ein bisschen von der Region zu sehen.
Cafés und Restaurants gibt es nicht im Überfluss in Herzebrock-Clarholz. Aber in den Ortskernen findet man schon das ein oder andere. Wer unabhängig sein will, bringt sich sein Picknick mit, oder deckt sich in einer der Bäckereien ein. Bei meiner Fahrradtour hatte Christina beispielsweise sehr leckere Kekse aus der Klosterbäckerei Möllenbrock besorgt. In den Gärten der ehemaligen Klosteranlagen kann man auf jeden Fall gut eine Pause machen.
Ja, es gibt eine Bahnverbindung nach Herzebrock-Clarholz. Allerdings bist du mit dem eigenen Auto deutlich unabhängiger. Du kannst am Bahnhof in Herzebrock kostenlos parken.
Als Journalistin halte ich mich an den Pressekodex des Presserats. Die Kosten für den Aufenthalt 2019 und im September 2020 wurden vom Veranstalter Teutoburger Wald Tourismus und seinen Kooperationspartnern getragen. Die so genannte Teutoblogger-WG wurde im Jahr 2020 im Rahmen des EFRE-Projekts „Zukunftsfit Digitalisierung“ durchgeführt. Der Artikel ist als „Werbung“ gekennzeichnet, weil ich ein Honorar für die Teilnahme an der TeutoBlogger-WG bekommen habe.