Peenemünde bringen viele vor allem ältere Menschen mit Usedom in Verbindung, selbst, wenn sie nie dort gewesen sind. Denn in Pennemünde, in Usedoms Norden, wurde die V2 gebaut, die Vergeltungswaffe, die im zweiten Weltkrieg viele Menschen getötet hat. Nach dem Krieg blieb noch das Kraftwerk bis 1990 in Betrieb. Heute kann man diesen Ort, das historisch-technische Museum, besichtigen. Als NRWler sind wir große Freunde der so genannten Industriekultur, und uns dementsprechend schnell einig, dass wir uns auf dem Gelände der einstigen Heeresversuchsanstalt umsehen wollen.
Unpraktisch ist in Usedoms Norden wieder einmal, dass man das Auto auf einem Parkplatz abstellt, den man im Voraus bezahlen muss. Ungünstig ist das auch, weil hier noch mehr Museen sind, beispielsweise das Maritim Museum oder die Phänomenta. Da das Wetter schlecht ist, würde ich spontan noch ein oder zwei Museen besuchen, doch nach der Besichtigung des historisch-technischen Museums ist die Parkzeit abgelaufen, und das Münzgeld überwiegend aufgebraucht.
Rätselhaft bleibt für mich auch, warum man das Ticket zur Aussichtsplattform auf dem Dach des Museums nicht an der Kasse erwerben kann, sondern nur mit Münzen direkt am Aufzug. Natürlich könnten wir es wie die Jugendlichen machen, die ohne zu zahlen über das Gitter springen, aber das ist nicht wirklich die Lösung. Davon abgesehen ist der Blick über das Fabrikdach nicht so beeindruckend, wie ich gedacht hatte. Einzig erstaunlich ist, dass man von hier, im Norden von Usedom, die Rügener Kreidefelsen deutlich erkennen kann, als ein einzelner Sonnenstrahl sie wie ein Spot bei einem Theaterspiel kurz anleuchtet.
Das Museum selbst ist sehr technisch mit langen Erklärtexten. Zu Beginn fürchte ich, es wird ein Lobgesang auf deutsche Ingenieurskunst, ohne die Folgen zu beleuchten. Doch die Ausstellung wird zunehmend kritischer, und die Besucher immer stiller.
Usedoms Norden: Zinnowitz
Wir fahren weiter Richtung Zinnowitz, links ist die Küste, rechts über viele Kilometer militärisches Sperrgebiet, abgetrennt durch einen hohen Zaun. Auf einem Parkplatz halten wir kurz an. Kurz, weil wir keine Münzen übrig haben, um schon wieder einen Parkscheinautomaten zu füttern. Wir sprinten ans Wasser, gehen dort einige Meter. Ein längerer Spaziergang wäre schön gewesen, doch das ist bei vorausbezahltem Parken nur schwer umzusetzen, wenn als einziges Zahlungsmittel Münzen angenommen werden.
Also fahren wir weiter bis Zinnowitz. Alles, was dort der Parkscheinautomat an Münzen nimmt, und wir noch haben, werfen wir ein. So können wir etwa 45 Minuten durch den Ort schlendern. Die Broschüre „Bäder Architektur“ gibt uns wie schon in den Kaiserbädern einige wenige Informationen. Doch die sind hier nicht zwingend nötig, denn Zinnowitz ist ein hübsches Örtchen mit kleinen Geschäftchen und liebevoll renovierten Häuschen.
Kaffee und Kuchen in Zinnowitz
Nicht mein Ding, aber irgendwie amüsant ist das Café, das stündlich vom Boden abhebt und wie ein UFO über den umliegenden Häusern schwebt. Am Ende der Seebrücke gibt es außerdem eine Tauchglocke, mit der man einen Blick unter die Wasseroberfläche werfen kann. Der Buchladen im Ort ist gut sortiert, ich finde, was ich gesucht habe, die nächsten Abende sind gerettet.
Auf Foursquare lese ich, dass es in Zinnowitz die besten Backfischbrötchen auf der Insel geben soll. Ein Dialog mit Hallo, Bitte und Danke findet in der Fischkiste zwar nicht statt, dafür gibt’s aber ein heißes Fischbrötchen mit viel Remoulade und Zwiebel. Gegenüber ist Pier 14, ein Geschäft mit integriertem Café. Die Verkäuferinnen dort überschlagen sich geradezu vor Höflichkeit. Es scheint, als wollten sie die oft ruppige Art ihrer Kolleg*innen, die mich die Tage zuvor genervt hat, wettmachen. Zur Verabschiedung reicht man uns die Hand, dabei haben wir lediglich zehn Euro dort ausgegeben. Schräg gegenüber ist das Café Backbord. Das ist so voll, dass man sich einen Platz erkämpfen muss, dafür bekommt man dort riesige Stücke Kuchen. Um es genau zu sagen: Ich habe noch nie ein so großes Stück Kuchen in einem Café bekommen. Wir wären auch zu zweit daran satt geworden.
Wandern gut Glück im Norden von Usedom
Die Touristenzentrale in Bansin konnte mir leider keinen Tipp geben, wo man auf der Insel schön wandern kann. Aber ein Blick auf die kleine Infokarte aus dem Hotel brachte uns dazu, unser Glück einmal in Lütow zu versuchen. Dort ragt nämlich wie eine Halbinsel ein Stück Land in das Achterwasser genannte Gewässer. Dort, so denke ich, muss man doch am Ufer entlang gehen können. Die Antwort ist wie so oft ein Jein. Zwar gibt es einen versteckten Trampelpfad, doch zuvor muss man natürlich irgendwo das Auto parken. Direkt am Beginn des Pfades ist absolutes Parkverbot, also stellen wir uns ein Stück weiter links hinter einem Geländewagen auf eine Grasnarbe. Wie mag es hier im Sommer sein?
Dann folgen wir dem Trampfelpfad, ausgeschildert ist nichts, doch Google Maps navigiert uns: Wir kommen an eine Bank mit Blick auf das Krumminer Wiek: Hier schiebt der Wind die Wasseroberfläche in Falten übereinander, der Schilf biegt sich, die Sonne lächelt hinter Wolken: So soll Urlaub an der See sein. Doch wir müssen zurück, es wird bald dunkel. Dank Google Maps nehmen wir nun den Trampfelpfad durch die Wiese. An seinem Ende sind viele Pilzsucher unterwegs, wie übrigens entlang der ganzen Strecke zurück nach Berlin am nächsten Tag. Pilze aus Mecklenburg-Vorpommern scheinen begehrt in der Hauptstadt, wie ich einige Tage später dort bemerke: Auf einem Markt werden sie für teuer Geld verkauft.