Zwei Mountainbiker in grellgelben Trikots fahren vorbei. Sie sind die einzigen Farbkleckse an diesem grauen Samstagmittag im Friedwald zwischen Siegburg und Lohmar. Es ist Januar, und dementsprechend herrschen hier die Farben braun und grau vor. Selbst die beiden Mütter, die ihre Kinderwägen durch den Wald schieben, sind in dunkle Farben gekleidet, genau so wie das Paar, das seine drei Hunde hier spazieren führt. Nur das Moos ist saftig grün, das an den Baumstämmen nach oben wächst.
Wir sind eine Gruppe von etwa 20 Leuten zwischen 20 und 70, dabei sind auch vier Kinder. Langsam gehen wir von Baum zu Baum, meistens abseits der angelegten Wege. „Wir stehen hier überall auf Gräbern“, sagt Förster L., und einige zucken bei diesen Worten zusammen. Dabei ist es genau das, was die Menschen wollen, wenn sie sich hier im Friedwald ihre letzte Ruhestätte kaufen: Sie wollen eins sein mit der Natur, in den Alltag der Lebenden integriert sein, nicht unter einer schweren Grabplatte auf einem eingezäunten Friedhof einen Ehrenplatz bekommen.
Der Friedwald in Lohmar ist einer von 60 in der ganzen Bundesrepublik. Er wurde 2011 gegründet, in der Zwischenzeit gibt es hier gut 1450 Grabbäume. Rund 12.000 Menschen können hier begraben werden, und auch wenn noch nicht alle Plätze belegt sind, so ist die Nachfrage doch höher als erwartet. 500 bis 600 Bestattungen gibt es hier pro Jahr, sechs Förster sorgen dafür, dass sich die Besucher beispielsweise auch nach einem Sturm hier gefahrlos bewegen können
Friedwald bis 2110
Wer sich für einen Ruheplatz im Friedwald entscheidet, fordert seinen Angehörigen eine gewisse körperliche Fitness ab: Zwar kann man mit Sondergenehmigung mit dem Auto auch aufs Gelände fahren, die letzten Meter wird man jedoch in der Regel zu Fuß zurücklegen müssen. Je nachdem, wo man sich einen Baum aussucht, kann das auch ganz schön weit oben sein: 90 Meter beträgt der Höhenunterschied auf dem Gelände. Außerdem gibt es eher im hinteren Bereich des Waldes freie Bäume – da kann ein Kilometer zwischen den vorderen Grabfeldern und den hinteren liegen. „Mit dem Rolllator oder dem Rollstuhl kann der Weg je nach Witterung schwierig werden“, sagt der Förster, denn geteert sind die Wege hier nicht. Schließlich soll der Friedwald eben genau kein Park oder Friedhof sein, sondern das, was der Name verspricht: ein Wald.
Vorgesehen ist er bis 2110, und weil die gesetzliche Liegezeit 20 Jahre beträgt, können zumindest theoretisch die letzten Verstorbenen hier im Jahr 2090 begraben werden. Bis dahin fließt jedoch noch viel Wasser den Rhein hinunter. „Selbst nach 2110 kann niemand die Ruhe der hier Liegenden stören“, sagt L., „denn bis dahin ist die Asche längst eins geworden mit dem Boden.“ Vielleicht erinnern dann noch die schwarzen Alutäfelchen am Baum daran, wer hier einst begraben wurde.
Wie eine Bestattung im Friedwald abläuft
So alternativ wie die Bestattungsform ist, ist auch alles, was dazu gehört: Die Urne in der Satteltasche mit einem Pferd zum Grab bringen? Kein Thema! Mit dem Motorrad oder in der alten Ente? Geht auch! Eine Party auf dem Grab feiern? Nach Absprache durchaus möglich. Einzig Grabschmuck ist hier verboten, es gibt kein Engelchen, Lämpchen oder Blumenbeete.
Die kompostierbare Urne kommt in ein etwa 70 Zentimeter tiefes Loch in den Boden, einen Stein kann man als Beigabe dazulegen, vielleicht auch eine kleine Holzfigur, wenige Blumenblätter. „Aber je mehr organische Masse mit eingegraben wird, desto eher gärt es unter der Erde. Das könnte Wildschweine anlocken“, erklärt uns der Förster. Darum sollte man also nicht einen ganzen Strauß mit einbuddeln. Nach etwa drei Jahren nimmt der Baum, zu dem das Grab gehört, die restlichen Nährwerte aus der Asche auf, die eingegraben wurde. Dann wird der Mensch im wahrsten Sinne eins mit der Natur, ist Teil des Stamms, der Äste, der Blätter und der Blüten. Ein schönes Bild.
Welche Grabbäume es gibt
Wer in Lohmar im Friedwald liegen möchte, hat die Wahl zwischen Kiefern, Eichen, Buchen oder beispielsweise Douglasien. Fichten gibt es nicht, sie werden zu schnell ein Opfer des Borkenkäfers, und Linden wachsen nicht in Lohmar. Kirschbäume sind auch ungeeignet, weil sie zu lange brauchen, um als Baum wahrgenommen zu werden. Buchen und Eichen dagegen sind hervorragend geeignet, weil sie mehrere hundert Jahre alt werden können. Es sei den, ein Blitz oder ein Gewittersturm trifft sie. Dann können die Menschen, die sich an dem betroffenen Baum einen Grabplatz gesucht haben, einen anderen Baum aussuchen. Zumindest so lange noch niemand dort begraben liegt. Falls dort schon jemand liegt, wird ein zugehöriger Baum nachgepflanzt, umgebettet wird niemand.
Grundsätzlich kann man sich an einem so genannten Basisbaum begraben lassen. Dann wählt jedoch die Friedwaldverwaltung aus, wo man liegt, und die Liegezeit ist auf 20 Jahre begrenzt. Das ist die günstigste Form der Friedwaldbestattung. Alternativ sichert man sich einen teureren Platz an einem Gemeinschaftsbaum. Familien können einen eigenen Baum mit bis zu zehn Plätzen erwerben, Romantiker entscheiden sich eher für den Partnerbaum. Dort ruhen zwischen den Wurzeln dann eben nur zwei Menschen, die sich zu Lebzeiten liebten oder zumindest sehr gern mochten.
Mehr Informationen
Wer im Friedwald begraben sein möchte, bekommt mehr Informationen im Internet oder bei einer der kostenlosen Führungen.
Alternative Bestattungsformen in der Nähe gibt es zum Beispiel auch in den Gärten der Bestattung in Bergisch-Gladbach. Auch auf den Kölner Friedhöfen sind Ruhestätten in Bestattungsgärten möglich, zum Beispiel auf Melaten.
In Kassel gibt es ein Museum, das sich mit Bestattungskultur beschäftigt, und in Lateinamerika hat man sowieso einen viel lebhafteren Umgang mit den verstorbenen Angehörigen – beispielsweise beim Dia de los Muertos.