„Wenn Sie Milch haben, nehme ich gerne einen Kaffee“, sage ich. Kaum ist der Satz draußen, fällt mir auf, wie dumm er ist. Natürlich hat Birgit Weiler Milch. Mehr, als sie an einem Tag trinken könnte. Kein Wunder, dass die Landwirtin schmunzelt, als sie meine Antwort hört. Sie geht zum Kühlschrank und bringt Milch vom eigenen Milchbauernhof, also den eigenen Kühen an den Tisch. Die Milch ist nicht pasteurisiert, sondern frisch aus dem Euter, „drei bis vier Tage hält sie so im Kühlschrank“, sagt sie.
Birgit Weiler und ihre Familie haben einen Milchbauernhof in Lohmar bei Siegburg. 140 Milchkühe stehen im Stall, den die Weilers 2009 etwas außerhalb neu gebaut haben. Innerorts durften sie ihn nicht bauen, denn Kühe machen Geräusche, die die Nachbarn stören könnten – und sie riechen manchmal etwas streng. Angefangen hat die Geschichte des Familienunternehmens aber schon vor sehr langer Zeit: Die Großeltern ihres Mannes begannen damals mit zehn Kühen, die sie noch im Stall neben dem Wohnhaus unterbrachten. Als ihr Mann dann nach einer landwirtschaftlichen Lehre in den Betrieb einstieg, baute er einen neuen Stall und vergrößerte die Herde auf 30 Tiere.
Mehr als nur ein Standbein
Mitte der 80er Jahre wurde die Milchquote eingeführt. Damit war festgelegt, wie viele Liter Milch im Jahr produziert und verkauft werden durften. Somit ist das Einkommen vieler Milchbauern gedeckelt. Sinkt der Milchpreis, hat das natürlich auch Konsequenzen auf das Einkommen, denn die Quote bleibt gleich. „Anfang der 80er Jahre lag der Milchpreis bei 82 Pfennig pro Liter“, erinnert sich Birgit Weiler. Heute ist er bei 20 bis 40 Cent, also in schlimmen Zeiten nur noch halb so hoch wie damals – und die Preise für die Lebenshaltung sind seither gestiegen. „Als Familienbetrieb kamen wir mit den niedrigen Preisen über die Runden“, sagt die Landwirtin. „In schlechten Jahren haben wir aber nicht investiert, das ging einfach nicht. Und Angestellte hätten wir uns nicht leisten können.“
Um unabhängiger von der großen Politik zu sein, setzte Familie Weiler darum schon früh auf weitere Standbeine: So nahmen sie Pferde in Pension, haben Wald, in dem Kaminholz geschlagen wird, und Landwirt Weiler hat für Kunden Mais ausgesät oder Siloballen gepresst. „Eben Lohnarbeiten übernommen“, erklärt Birgit Weiler. 2015 wurde die Milchquote wieder abgeschafft, die zusätzlichen Standbeine sind geblieben.
Dann hat ihr Sohn die Liebe zur Landwirtschaft entdeckt, in einer Zeit, in der im Umland zwei Landwirte den Milchbetrieb aufgaben. Familie Weiler kaufte deren Kühe und pachtete ihr Land, und so kommt es, dass heute weit über 100 Kühe zu ihrem Betrieb gehören. Dank zweier Melkroboter läuft ein Teil der Arbeit automatisiert ab.
Einen Melkroboter habe ich übrigens auch auf der niederländischen Insel Texel gesehen. Dort wird die Milch direkt zu Speiseeis verarbeitet.
Wie sich die Arbeit auf dem Milchbauernhof verändert hat
„Früher dagegen war alles noch Handarbeit“, sagt Birgit Weiler. „Spätestens um 6.30 Uhr mussten wir melken, weil um acht der Milchwagen kam“, sagt sie. Bis dahin mussten sie die Milch auf vier Grad Celsius abkühlen, das regeln die Hygienevorschriften. Gut eineinhalb Stunden melkten sie morgens und abends, die Kälber mussten sie füttern und natürlich den Stall saubermachen sowie kochen für die ganze Familie und den Lehrling. Und in der Erntezeit muss die Familie zusätzlich Weizen und Mais, das Futter für die Kühe ernten. Ein Tag endete früher gegen halb sieben oder noch später.
Digitaler Milchbauernhof
Der Melkroboter spart den Weilers auf dem Milchbauernhof viel Zeit, denn während er melkt, können andere Aufgaben auf dem Hof erledigt werden: füttern, säubern ernten – was eben gerade ansteht. Gibt es Probleme beim Melken , wird automatisch eine Nachricht aufs Smartphone gesendet. Die Kühe gehen von selbst zum Roboter, „eher zu oft am Tag“, sagt Birgit Weiler. Ist der Euter leer, passiert im Roboter allerdings nichts, dann geht die Kuh wieder weg. Hat sie Milch, fließt diese nach dem Melken durch Schläuche und Rohre in einen Edelstahltank und wird dort gekühlt, bis der Milchwagen sie abholt. In den Tank passen 10.000 Liter, eine Kuh bei den Weilers gibt etwa 30 Liter am Tag. Das ist deutlich mehr als beispielsweise auf Gut Bollheim in Zülpich.
Doch trotz Melkroboter ist die Stallarbeit geblieben. Und das bedeutet: Jeder Tag ist für Familie Weiler ein Arbeitstag. Feiertage, Wochenenden, das gibt es auf dem Bauernhof in Lohmar nicht. Auch Urlaub hatte das Ehepaar Weiler früher nicht oft. „Heute ist das besser, weil wir zwei Familien sind“, sagt Birgit Weiler. Da ist immer eine da, die sich um die Tiere kümmern kann.
In der Kälber-Säuglingsstation auf dem Milchbauernhof
Zur Stallarbeit gehört auch, die Kälber zu füttern. Sie bekommen in den ersten Wochen Vollmilch, später wird Wasser untergemischt. Und wenn sie etwa sechs Monate alt sind, dürfen sie auf die Wiese und Gras fressen. Im alten Kuhstall, der direkt am Haus ist, ist so etwas wie die Säuglingsstation der Weilers. Hier stehen die Kälber, die gerade eine Woche alt sind. Nebenan sind die größeren Kälber. Die männlichen verkaufen sie früh, die weiblichen bleiben in Gruppen zusammen. In diese Ställe will Familie Weiler bald investieren: „Der alte Kuhstall ist im Vergleich zum neuen doch sehr dunkel“, sagt die Landwirtin. „Hier wollen wir etwas verändern.“
Drüben, im neuen Stall, sind die Längswände aus einem feinen Gitter, so dass die Tiere den ganzen Tag in der frischen Luft sind. Wird es zu kalt oder zu stürmisch, fährt eine Jalousie nach unten, um die Tiere zu schützen. Birgit Weiler erzählt, dass ihr Sohn alle Kühe auseinanderhalten kann und die älteste Kuh 17 Jahre alt geworden ist. Die Tiere machen übrigens den ganzen Tag, was ihnen gefällt und haben dabei durchaus Vorlieben. „Lotta beispielsweise ist gerne hinten rechts im Stall“, sagt Birgit Weiler, und andere schubbern sich besonders gerne in der so genannten Wellness-Abteilung an rotierenden Bürsten. Die Kühe fressen übrigens auch, wenn sie Lust haben, und nicht zu festgesetzten Zeiten: Mais und Gras liegt immer für sie bereit. So wie sie auch jederzeit Zugang zum Melkroboter haben, um dort die Milch abzugeben, die für die Weilers so wichtig ist.
Birgit Weiler arbeitet oft mit Schulklassen zusammen, die den Weg der Milch kennenlernen wollen. Auch Erwachsene dürfen gerne vorbeischauen – allerdings müssen sich Besucher vorher anmelden, denn die Weilers sind nicht immer verfügbar.