Eine Polizistin ist Protagonistin im Buch (Werbe-Link zu Amazon) „Köln 9 mm“. Sie ist ganz zu Beginn des Buches aus dem Emons Verlag von Marco Hasenkopf mit einem Journalisten unterwegs. Er lässt sich MAP nennen. Das ist vermutlich sein Namenskürzel, mit dem Nachrichten oder kurze Berichte ohne Autorenzeile gekennzeichnet werden. Meines ist beispielsweise bbl. MAP also ist an der Zülpi mit der Polizistin unterwegs, die irritiernderweise immer mit ihrem Nachnamen Mertin benannt wird. Beide haben viel getrunken, landen in einem Jazzclub und kommen sich in die Haare.
Der Abend endet spät und abrupt, als Mertin feststellt, dass sie zur Frühschicht muss. Ihr Kollege Kaiser zeichnet ein ziemlich zerstörtes Bild von ihr, doch der Funkspruch „Beamte unter Beschuss“ macht sie zumindest gefühlt augenblicklich nüchtern. Es kommt zum Ernstfall in Nähe des Flughafens. Und so stecken Lesende mit dem Ermittler*innenteam Kaiser/Mertins ab Seite 22 mitten drin im Krimi.
Die Geschichte teilt sich nach einiger Zeit durch eine Versetzung von Mertin. Doch auch wenn es scheint, dass die beiden Stränge nicht zusammengehören, kommt am Ende alles wieder zusammen: die völkische Community im Königsforst, die Ghost Guns und der Flughafenernstfall. Das Buch ist durchaus spannend bis zum Ende, gewinnt sogar auf den letzten Seiten nochmals an Fahrt.
Wie realistisch ist „Köln 9 mm“?
Das Thema an sich ist gut: Bei der Polizei gibt es rechte und extremistische Chatgruppen. Die Hessenschau zum Beispiel hat 2022 darüber berichtet und auch bei der Polizei NRW findet man einen entsprechenden Artikel. Neulich gab es auch einen Frankfurt-Tatort, der in der Wetterau spielte und sich inhaltlich mit dieser Thematik beschäftigt hat.
Ghost Guns sind ebenfalls Teil der aktuellen Nachrichten – wie beispielsweise beim ZDF. Und über völkische Siedler hat beispielsweise der Deutschlandfunk berichtet. „Köln 9 mm“ hat also durchaus einen vorstellbaren und realistischen Plot.
Was ist mit dem Köln-Bezug?
Einen Köln-Bezug gibt es durchaus. Allerdings zeichnet sich dieser überwiegend durch das Name-Dropping von Straßennamen aus. Neben wir einen Absatz von der ersten Seite von Köln 9 mm, der rund um den Zülpicher Platz spielt. Er ließe sich auch leicht beispielsweise nach Düsseldorf verlegen. Dann würde er ungefähr so lauten:
„Mertin warf den Kopf in den Nacken und torkelte von der Flinger Straße kommend über die Heinrich-Heine-Straße, ohne darauf zu achten, ob ein Bus kam. (…) Rund um die längste Theke der Welt herrschte wie immer am späten Abend ein reges Treiben. In die Ecke von Galeria Kaufhof pinkelten einige Männer an das alte Gemäuer. (…)“
Weiterer Köln-Bezug sind ansonsten einige bösartige Sätze zu Karneval und älteren Männern mit Schnäuzer. Während die hiesige Lebenseinstellung eigentlich „Levve und levve losse“ ist, werden diese in wenig toleranter Art ziemlich gedisst und als eher alte weiße Männer dargestellt. Eine solche Pauschalisierung gefällt mir nicht und passt aus meiner Sicht auch nicht zur Kölner Mentalität. Mertin scheint, obwohl sie in Köln wohnt, außerdem keinerlei Bezug zur Stadt und den bekannteren Gebäuden zu haben. So weiß sie beispielsweise nicht, dass der Turm am Alter Markt zum Rathaus gehört. Hä? Wie wenig kann man sich bitte mit der Stadt, in der man lebt, auseinandersetzen?
Die Hauptdarsteller*innen in Köln 9 mm
Judith Mertin entwickelt sich leider zu einer unberechenbaren und unsympathischen Zicke, die mir auch im Laufe des Buches nicht mehr sympathischer wird. MAP, der Journalist, hat eine merkwürdige Rolle: Er wird zu Beginn mit viel Trara eingeführt, ist dann weg, taucht etwas plötzlich und unerklärt in der Mitte des Buches einmal auf und schließlich erst wieder zum emotionalen Finale. Das finde ich rein persönlich schade, weil ich gerne Bücher mit Journalist*innen lese. Außerdem kommt es mir so vor, als ob er nachträglich in die Geschichte hineingeschrieben wurde, um Mertin eine sozialere Seite zu verleihen. Kaiser, der zweite Polizist, ist solide. Hat viel Lebenserfahrung, zwei Kinder und schon viel erlebt.
Der Schreibstil
„Köln 9 mm“ lässt sich gut lesen. Der Geschichte kann man ohne größere Hirnverrenkungen einfach folgen. Das Buch ist also durchaus auch geeignet, um es morgens in der KVB, im Zug oder in einem Flieger zu lesen. An einigen Stellen wird der Text aber seltsam distanziert. Ein Beispiel von Seite 193: „Die Außengastronomie am Alter Markt war gut besucht“. Entsteht bei dir da ein Bild im Kopf? Man könnte doch einfach schreiben: „Die Tische und Stühle der Cafés und Restaurants am Alter Markt waren wie immer bei gutem Wetter voll.“ Oder: „Wie immer bei gutem Wetter saßen viele Leute am Alter Markt draußen in den Cafés und Restaurants.“
Zum Autor von „Köln 9 mm“
Der Autor des Köln-Krimis heißt Marco Hasenkopf und ist zwei Jahre jünger als ich. Er lebt in Köln, stammt gebürtig aber aus Westfalen. Sein Roman Eisflut 1784 wurde gleich zweimal ausgezeichnet. Hasenkopf arbeitet als Theaterproduzent und Autor.
tl,dr
Du liest gerne einfache Krimis? Dann ist „Köln 9 mm“ eine angenehme Lektüre. Wenn dir der Bezug zur Stadt wichtig ist, findest du sicherlich andere Bücher.
Als Journalistin halte ich mich an den Pressekodex des Presserats. Der Emons Verlag hat mir das Buch kostenlos zur Rezension geschickt.