Holadio – so begann die Titelmusik einer meiner Lieblingszeichentrickserien, als ich noch ein Kind war. Holadio, und dann sprang die kleine Heidi mit den kurzen dunklen Locken und im roten Rock mit blauem Oberteil durch grüne, saftige Wiesen mit Blumen. Währenddessen graulte der Alm-Öhi seinen Bart und Peter lief den Berg hinauf um seine Ziegen zu hüten.
Natürlich ist es naiv, sich die Schweiz so vorzustellen, ich tat es trotzdem. Als Kind war ich auf dem Weg nach Italien einige Male hindurchgefahren, als Erwachsene darüber hinweggeflogen. Stets hatte ich den Vorsatz, mal in der Schweiz zu verweilen, doch irgendwie wurde nie etwas daraus. Kein Wunder also, dass ich eine etwas kindische Vorstellung von dem Land hatte. Gut, dass Eurowings uns mit Blind Booking nach Genf schickte und mir so die Augen öffnete.
Man spricht nicht deutsch
Dort angekommen war meine Überraschung nämlich groß: Erstens gab es nicht die erwarteten Berge, sondern einen See. Zweitens spricht in Genf kaum jemand deutsch, dafür alle französisch. Das ist so auffällig,dass ich den Kellner im Restaurant, der tatsächlich gebrochen deutsch sprach, danach fragte. Er bestätigte es: Deutsch sei in dieser Region sehr ungewöhnlich. Er spricht die Sprache nur, weil sein Vater Tunesier, seine Mutter Österreicherin sei, und Zuhause deutsch gesprochen wurde.
Auch die Stadtführerin ging auf den Punkt ein. Sie erzählte, wie schwierig es sei, Kinder in der Schule für Deutsch zu begeistern. Die Schweizer sprechen nämlich schwyzerdütsch, in der Schule lerne man hochdeutsch. Folge: Die Schüler können nicht mit den Deutsch-Schweizern kommunizieren, weil sie sie nicht verstehen. Gleichzeitig hörten sie überall Englisch, darum sei es doch verständlich, wenn sie lieber diese Weltsprache lernen wollten.
Bei der Stadtführung lerne ich übrigens ein Ehepaar aus Los Angeles kennen, das durch einen Haustausch im Urlaub in die Schweiz gekommen ist.
Genf: bunt und teuer
Drittens sind die Schweizer nicht die kerngesunden Almbauern, sondern ein sehr buntes Völkchen. Das mag damit zusammen hängen, dass die Vereinten Nationen in Genf einen Sitz und hier überdies viele Nicht-Regierungsorganisationen ein Büro haben. Es kann auch daran liegen, dass die Schweiz als Luxusreiseort eine ganz bestimmte Klientel anzieht. Egal, woran es liegt: Man hört an jeder Straßenecke Englisch. Auf der Straße sind sehr selten Bettler. Dafür Rolls Royce, Bentley, Mercedes und Ashton Martins. Aber auch einige Menschen, die mit Kleinstjobs versuchen, sich über Wasser zu halten: Sie verkaufen Rosen oder putzen an roten Ampeln Autoscheiben. Ein anderer Tourist erzählt uns, dass seine Schweizer Freunde sich das Leben im Land kaum noch leisten könnten. Ein Cheeseburger beispielsweise kostet umgerechnet rund 3,50 Euro, die Dose Cola in einem Straßencafé in Carouge ebenfalls. Dafür ist der Eistee Zitrone im Supermarkt Migros mit knapp 70 Cent für einen halben Liter günstig. Die Schweizer, von denen der andere Tourist erzählt, kauften nur ein, wenn etwa zu 50 Prozent reduziert sei. Manchmal warteten sie auch darauf, ob etwas bis 75 Prozent reduziert werde. Das geschehe oft, denn die normalen Preise seien für viele Schweizer einfach deutlich zu teuer.
Internationaler geht’s kaum
Tatsächlich trifft man die Schweizer in Genf kaum – außer in der für Touristen typischen Beziehungen zu den Servicekräften im Restaurant, dem Hotel oder im Museum. Plauscht man mit diesen, so haben sie immer einen kleinen Scherz auf den Lippen. Sei es der Sandwichverkäufer auf dem Berg, der gespielt mit der Touristin schimpft, weil sie in letzter Minute ihre Meinung beim Einkaufen wechselt. Oder sei es der Touristen-Engel, der als Ansprechpartner für Besucher unterwegs ist. Er erklärt, man habe die Fontäne, das Wahrzeichen des Ortes, abgeschaltet und sein Zöpfchen auf der Kopfmitte nun zur Attraktion des Ortes erklärt.
Am Seeufer und in den Restaurants zwischen den Privatbanken und Vermögensverwaltungen trifft man ansonsten vor allem auf andere Touristen. Viele der weiblichen Besucher tragen ein Tuch um den Kopf, Ebenfalls viele sind komplett in schwarz gehüllt und tragen über dem Sehschlitz eine Sonnenbrille, unter ihrem Mantel Turnschuhe. Männer im weißen Kaftan und mit rot-weiß-karierten Tüchern auf dem Kopf sind ebenfalls keine Seltenheit. Durch die Straßen Genfs fahren teure Autos mit Kennzeichen in arabischer Schrift. Und die Gesichter in der Stadt zeigen alle Farbnuancen, die Hauttöne nur haben können. Das ist also die Schweiz. Oder zumindest ist das Genf. Hatte ich mir nicht so international vorgestellt.
P.S.: Die Schokolade ist übrigens genau so, wie ich sie mir gewünscht habe. Holadio!