Erst möchte ich es ausspucken: Das kleine Stück Spitzwegerich fühlt sich zwar weich an auf der Zunge, aber als ich anfange es zu kauen, schmeckt es bitter. Ich mag es nicht, bis es plötzlich ganz überraschend nach Champignon schmeckt. Wer hätte das gedacht? Diese Erkenntnis kommt während eines Achtsamkeitsspaziergang durch das Gartenschaugelände in Bad Lippspringe für mich überraschend. Etwa so überraschend wie die Feststellung, dass man Bäume zumindest teilweise anhand ihrer Rindenstruktur ertasten kann. Das ist bei der Birke sehr einfach, denn ihre Runde ist ganz glatt. Die Pappel dagegen hat eine eher wülstige Oberfläche, stelle ich fest, als ich mit geschlossenen Augen und der Hand an den Stämmen an einer Station mit Namen „Klang des Waldes“ stehe.
Bad Lippspringe: Gartenschau mit geschlossenen Augen erleben
Überhaupt habe ich die Augen während des Spaziergangs mit Achtsamkeitslehrerin Renate Pollmann oft geschlossen. Denn Achtsamkeit, das bedeutet im Jetzt und Hier sein, nicht über das nachdenken, was vor zwei Stunden war, nicht darüber, was am Abend passieren soll, erklärt sie. Es geht darum, was ich jetzt, in diesem Moment fühle, taste, schmecke, höre und sehe, und zwar ohne das zu bewerten. Das ist nicht ganz einfach, denn wie oft sitzt man schon einmal mit geschlossenen Augen auf einer Parkbank und versucht, die verschiedenen Geräusche zu unterscheiden?
Ich höre von links vorne leise Stimmen, etwas weiter links plätschert Wasser. Und von rechts höre ich Vögel. Sind es zwei verschiedene Gezwitschere? Oder drei? Und war das eben etwa ein Frosch, der gequakt hat? Je länger ich so sitze und dem Naturkonzert lausche, desto ruhiger werde ich. Es ist, als ob eine Last von meinen Schultern gleiten würde, und am Ende des Spaziergangs ruhe ich so sehr in mir selbst, dass mich der Zusammenstoß meines Zuges auf der Rückfahrt nach Bielefeld mit einem umgefallenen Baum überhaupt nicht aufregt. Mein Fazit also: ich sollte öfter mit geschlossenen Augen in der freien Natur sitzen.
Gartenschau bei Führungen erkunden
Was mich mindestens genau so beeindruckt wie der Achtsamkeitsspaziergang an sich, ist die Gartenschau selbst. Sie ging aus der Landesgartenschau 2017 hervor, und es gibt hier auch nach deren Ende noch viel zu entdecken. Neben dem Klang des Waldes sind es vor allem die Mustergärten und der Glaubensgarten, in denen ich mich verliere: In den Mustergärten, die vom Eingang kommend am Ende der Kurpromenade sind, staune ich über Sichtachsen und natürliche Materialien, im Glaubensgarten erkenne ich viele Elemente von meinen Asienreisen wieder: Da sitzt Buddha vor einer Lotusblüte und Ganesha vor einem Om-Zeichen, das für den Hinduismus steht.
Weil die Gartenschau in Bad Lippspringe so gepflegt ist, ist sie auch einer von 80 Glücksorten in meinem Buch, das 2022 im Droste-Verlag erschienen ist.
Möglich wird dies, weil der Zutritt zum Gartenschaugelände im Teutoburger Wald noch immer Eintritt kostet. Denn um die finanzielle Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen zu bekommen, verpflichten sich die Veranstalter, das Gelände zehn Jahre lang zu erhalten, erklärt mir Nina Reichstein, die für das Marketing zuständig ist. So kommt es, dass die Blumenpracht auch ein Jahr nach der Landesgartenschau noch viermal im Jahr wechselt, und es noch immer beispielsweise Konzerte, Andachten oder Meditationen auf dem Gelände gibt. Auch meine Führung zum Thema Achtsamkeit gehört zu den vielen Veranstaltungen, die man über die Internetseite der Gartenschauseite abrufen kann. Sonntags um 14 Uhr gibt es übrigens immer eine kostenlose öffentliche Führung auf dem Gelände.
Als Journalistin halte ich mich an den Pressekodex des Presserats. Ich war auf dem Gartenschaugelände in Bad Lippspringe während der #TeutoBloggerWG von Teutoburger Wald Tourismus. Die Kosten für die Anreise, die Unterbringung, Verpflegung und die Führung über das Gelände wurden vom Veranstalter und seinen Kooperationspartnern getragen.