Hast du schon einmal versucht, mit einem Buch auf dem Kopf den Flur entlangzugehen? Gar nicht so einfach, nicht? Dann stell dir jetzt bitte vor, dass du einen Menschen auf deinem Kopf balancierst. Und zwar einen ausgewachsenen Mann, der auf deinem Kopf einen Kopfstand macht. Geht doch gar nicht, denkt man da. Doch die Hermanos Acero aus Kolumbien zeigen genau das in der aktuellen Show All for Art for All des Circus Roncalli auf dem Kölner Neumarkt. Ich war zur Premiere als Pressevertreterin eingeladen.
Für mich war dieser Auftritt das absolute Highlight der Vorführung. Und darum ist es auch richtig, dass es der krönende Abschluss vor dem Finale und dem poetischen Ende ist. Bei Letzterem findet Krissie Illing endlich den ersehnten Mann, den sie in der Show immer wieder sucht. Leider ist das Poetische Finale der einzige Auftritt von ihr, den ich gesehen habe. Denn obwohl wir direkt hinter den Logen in Reihe eins saßen, war rechts von uns ein dicker Leuchtenträger, der ihre anderen Auftritte überwiegend verdeckte. Sie scheint aber lustig zu sein, im Publikum wurde viel gelacht.
Tipp: Wenn du Karten kaufst, achte darauf, dass die Plätze möglichst genau gegenüber des Bühneneingangs sind. Von den vier dicken Pfosten mit den Scheinwerfern solltest du möglichst jeweils zwei Plätze Abstand halten.
Kunst und Architektur in der Manege
Zu meinen Favoriten gehören außerdem der Catwalk der Kunst, bei dem die Artist*innen Gemälde von Rembrandt, van Gogh oder Munch nachstellen. Die Bilder bekommen dadurch eine Dreidimensionalität und Lebendigkeit, die die Wahrnehmung auf sie verändert. So scheint Vincent van Gogh tatsächlich in einem Sternenhimmel zu schweben. In eine ebenfalls künstlerische Richtung geht Maria Sarach mit ihrem Handstand à la Mondrian. Dabei habe ich mich gefragt, ob die Artistin in einem Kostüm, das die für den niederländischen Maler typischen Rechtecke zeigt, eigentlich Knochen im Körper hat. Denn ihre Verdrehungen setzen eine schier unglaubliche Beweglichkeit voraus.
Auch die Bauhaus-Hommage des Balletts in ihren bunten, futuristisch und gleichzeitig retro wirkenden Kostümen, ist eine kreative Darbietung, die ich in einem Zirkus zunächst nicht erwartet hätte. Sie zeigt deutlich, dass Frauen in der Manege nicht immer halb nackt sein oder scheinen müssen, um viel Applaus zu bekommen.
Was mir in der Circus Roncalli Show noch besonders gut gefallen hat
Paolo Carillon hat mein Herz erobert mit seinen vielen und großen Seifenblasen. Das ist einfach traumhaft schön. Jump’n’Roll ist auf Stelzen noch faszinierender anzusehen als auf dem Schleuderbrett, und bei Vanessa & Sven begeistert, dass die Frau den Mann trägt. Den Quick Change des Duo Minasov habe ich zwar schon oft gesehen, aber ich finde ihn immer wieder großartig: Dabei wechselt ein Paar in Sekundenbruchteilen seine Kleidung. Das Ganze geschieht vor den Augen des Publikums, versteckt nur hinter Rauch, einem großen Fächer oder einem Tuch. Und obwohl man sieht, was geschieht, scheint es unglaublich. Wahre Meister der Illusion!
Mein Fazit von All for Art for All: Man braucht im Zirkus keine Löwen, Tiger oder Elefanten mehr, um verzaubert zu werden. Der Circus Roncalli schafft das auch auf eine kreativ-künstlerische Art und mit Unterstützung der neuesten technischen Möglichkeiten. Applaus!
Zum Weiterlesen: So war der Weihnachtszirkus in Köln.