Viertel nach elf in Frankfurt, es scheint, als ob die Stadt rund um den Hauptbahnhof noch schläft. Nur ein Transporter der Stadtwerke sammelt die Überbleibsel der letzten Nacht ein, während nach und nach die Cafés, Restaurants und Eisdielen auf der Kaiserstraße öffnen. Seit meinem letzten Besuch wurde der schäbige Charme der 70er Jahre verdrängt durch Burger- und Salat-Bars, trendige Thairestaurants und einen hippen Inder. Doch wer mit offenen Augen durch die Straßen geht sieht immer noch das verruchte Frankfurt am Main: Ausgerechnet vor dem Geldautomaten, den ich ansteuere, steht eine Gruppe junger Menschen, einige mit irrem Blick, eine Frau mit zerzausten Haaren hatte ein kleines, aber sehr scharfes Messer in der Hand. Auf der anderen Straßenseite steckte ein dunkelhäutiger, junger Mann einem hellhäutigen ein Tütchen zu, bevor sich ihre Wege wieder trennten. Kurz hatte der Empfänger meinen Blick gestreift, mich aber vermutlich als sehr harmlos eingestuft, und mich so bis zur Kreuzung, die wir gleichzeitig erreichten, ignoriert.
Dort saßen vor einem Etablissement zwei Frauen in der Sonne, tiefe Falten im Gesicht, dicke Tränensäcke, zu blond und zu schwarz für ihr Alter. Ich schätzte sie auf jenseits der 60, aber vielleicht waren sie auch einfach nur verlebt. Zwei Häuser weiter ist ein Gitarrenladen, von dem es in Buch „111 Orte in Frankfurt, die man gesehen haben muss“, heißt, dass selbst Elvis Presley hier eingekauft habe. In einem Schuhmacherladen ertönt eine Glocke, als ich eintrete. Ich fragte, ob ich das kleine Hammermuseum auf der Galerie anschauen dürfe, natürlich, gerne, sagte man mir. Als ich die Wendeltreppe hinaufsteige, folgte mir eine Kundin. Seit Jahren bringe sie hier ihre Schuhe zur Reparatur, aber oben sei sie nie gewesen, sagte sie.
Hotels und Restaurants im Rotlichtviertel in Frankfurt
Trotz oder vielleicht auch gerade wegen des verruchten Charmes haben in dieser Ecke der Stadt einige stylish Hotels und Restaurants aufgemacht. Da ist beispielsweise das 25hours Hotel. Wer hinein möchte, kommt automatisch an einem zentralen Sammelpunkt der hiesigen Drogenszene vorbei. Das Hotel und auch die Zimmerpreise sind dadurch jedoch nicht beeinflusst: Es ist eine coole Unterkunft und entsprechend teuer. Natürlich gibt es im Bahnhofsviertel auch jede Menge Imbisse mit Döner oder Gyros, aber auch Restaurants und Bars. Es ist nicht die schlechteste Ecke der Stadt, um einen schönen Abend zu verbringen.
Frankfurt, Stadt des Euro
Ganz anders nur wenige Gehminuten entfernt: Vor dem blauen Euro-Zeichen am Willy-Brandt-Platz fragen mich drei Jungs schüchtern, ob ich ein Foto von Ihnen machen kann. 50 Meter weiter hauen mich zwei verbraucht aussehende Männer um eine Zigarette an, die ich nicht habe. Auf dem Römer zieht eine Besuchergruppe vorbei. Der Führer schwenkt einen Stock über dem Kopf, damit ihn niemand in dem Gewusel zwischen Straßenmusikanten, Souvenirshops und Restaurants verliert.
Sehenswürdigkeiten in Frankfurt: der Römer und Museen
Am Brunnen sitzen zwei Männer mit Akkordeon und Gitarre auf Höckerchen und singen „Oh Susanna, wie ist das Leben doch so schön“. Einige vorbeikommende Männer unterstützen sie lautstark. Eine Bedienung mit dickem blonden Zopf und Dirndl spricht eine asiatische Gruppe an einem Tisch auf der Terrasse ganz selbstverständlich auf Englisch an. Wüst schimpfend zieht gleichzeitig eine Frau in weißen Hosen mit einer blondgelockten Perücke und Mütze auf dem Kopf ihren Einkaufswagen über das Kopfsteinpflaster: „Arschloch!“, ruft sie immer wieder, „Wer glaubt ihr, wer ihr seid?“. Vor der Kunsthalle Schirn fotografiert sich eine Asiatin mithilfe eines Selfiesticks, sehr zum Erstaunen einer Gruppe Mitvierzigerinnen, die dieses Hilfsinstrument noch nie gesehen haben. Sie sind auf dem Weg in die Ausstellung Paparazzi, eine von vielen spannenden Ausstellungen in Frankfurt. Ich erinnere mich gerne an die Miró-Ausstellung, die man per App erkunden konnte.
Hoch oben über der Stadt
Mein Weg führt mich weiter Richtung Hochhäuser, während ich an einem Club vorbeikomme, der noch geöffnet ist. Die Türsteher mit ihren breiten Schultern sehen müde aus. Hinter einer Glasscheibe sitzt eine blondgefärbte Frau in ihren 50ern an einer Kasse, während durch die geöffnete Tür elektronische Beats wabern. Es ist 12 Uhr 30. An der Kreuzung vor dem Club stehen Vater und Sohn, beide tragen schwarze Eintracht-Schals. Es scheint ein Heimspiel zu geben. Ich biege rechts in die Neue Mainzer Straße ein, von hier sind es nur noch wenige Meter bis zum Main Tower. Seine Plattform ist auch am Sonntag geöffnet: 6,50 Euro kostet die Fahrt mit dem Aufzug in den 54. Stock. Einige Treppen muss man anschließend noch zu Fuß gehen. Dann liegt Frankfurts Altstadt und seine Brücken, der Bahnhof und das Bankenviertel recht klein unter einem.
Der Main Tower in Frankfurt hat eine Besucherterrasse. Die Fahrt mit dem Aufzug nach oben kostet 6,50 Euro.
Ein schneller Blick in die App der Deutschen Bahn: Der nächste Zug nach Köln fährt in 23 Minuten. Perfekt, den nehmen wir. Schnell zurück zum Bahnhof. Mach et joot, Frankfurt, bis bald!
… und falls Ihr mehr Zeit in Frankfurt habt: Der Osthafen ist auch ganz spannend!
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