Teutoburger Wald: Im Freilichtmuseum in Detmold

Auf dem Gräftenhof
Blick nach draußen
Blick nach draußen

Nichts wurde dem Zufall überlassen. Das wird mir klar, als ich mit Torsten Schmidt durch das LWL Freilichtmuseum in Detmold streife. Er lenkt meinen Blick auf die Kleinigkeiten: Das überhängende Mauerwerk am Haussockel ist kein Baufehler, sondern leitet Regenwasser ab. Ohne die Steine liefe das Wasser in den Holzrahmen, und das Haus würde von unten verrotten. Auch die Holzwand am Pferdestall hat ihren Sinn: Wenn die Gäule der Hafer stach, haben sie gerne ausgetreten – eine gemauerte Wand hätte dem nicht standgehalten, Holz dagegen gibt nach. Die zwei Meter tiefen Wassergräben ums Haupthaus und um eine der beiden Scheunen des Münsterländer Gräftenhofs sind nicht nur schön, sie haben auch Eindringlinge abgehalten. Es hat also schon alles seinen Sinn. Man muss ihn nur erkennen.

Mit dem Fachmann auf Tour

Mir hilft dabei Torsten. Er ist Architekt und einer von 40 festangestellten Mitarbeitern im westfälischen Freilichtmuseum. Er lebt selbst in einem Fachwerkhaus, das er zwei Jahre in Vollzeit renoviert hat. 2017 hat er mit anderen Fachwerkhausbesitzern zusammen den Rheinisch-Westfälischen Staatspreis für Denkmalpflege gewonnen. „Ein Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert besteht aus etwa 300 Eichen“, erklärt er mir. Das Eichenholz sei besonders resistent, und darum gut für den Hausbau geeignet. Das Dach des Gräftenhofs in Detmold ist mit Ziegeln gedeckt, die man vor Ort gebrannt hat. „Für diese Zeit ist das noch ungewöhnlich“, sagt Torsten. „Aber die Münsterländer waren durch den niederländischen Einfluss schon immer innovativ beim Hausbau“.

Abtauchen in der Geschichte im Freilichtmuseum in Detmold

Der Gräftenhof ist ein niederdeutsches Hallenhaus, erklärt mir Torsten. Das heißt, die Küche, der Pferde- und der Kuhstall waren auf einer Ebene, ein riesengroßer Raum. Zwischen den Ställen im vorderen Hausbereich und den Zimmern weiter hinten konnte man aber schon ein hölzernes Tor schließen. Die Mägde und Knechte schliefen nach Geschlechtern getrennt im Heu auf zugigen Holzgalerien über den Tieren, die Familie hatte Schlafstuben, in denen auch Besuch empfangen wurde.

Himmelbett und offenes Feuer

Geschlafen hat man mit angezogenen Knien und erhobenem Kopf – aus Angst vor dem Rauch aus dem offenen Feuer. Die Betten sind kurz, dafür aber mit einem Himmel. „Damit hat man verhindert, dass der Dreck aus dem Speicher, der durch die Holzdielen fiel, auf den Schlafenden landete“, erklärt Torsten. Und außerdem war es wärmer, wenn man die Vorhänge zuzog. Ganz wichtig: Im Himmelbett gab’s die hohe Kante, ein verschließbares Schränkchen. Dort legte man wichtige Dokumente und sein Geld ab. Und ich weiß jetzt, woher der Ausdruck kommt, „Geld auf die hohe Kante legen“.

Bis zu 15 Leute lebten auf einem Bauernhof wie diesem. Die Besitzer, der Schulte und seine Frau, gehörten zur Oberschicht oder zum niedrigen Adel. „Weil man aber keine Nachbarn hatte, die man hätte beeindrucken können, ist das Haus außen eher schlicht, innen aber um so reicher“, erklärt Torsten. So steht in der großen Küche neben der offenen Feuerstelle unter dem Kamin ein Prahlhans – ein Schrank mit Glasscheiben, in den man die Teller aufrecht stellte, um zu zeigen, dass man sie sich leisten kann. Der Münsterländer Gräftenhof ist ungefähr von 1796.

Das LWL Freilichtmuseum in Detmold


Das Freilichtmuseum in Detmold ist das größte in Deutschland und zeigt 500 Jahre westfälische Alltagsgeschichte. Vorbild ist das Freilichtmuseum Skansen in Stockholm, das ich auch wunderschön finde. In Detmold stehen rund 120 historische Gebäude. Geöffnet hat es von April bis Oktober und an speziellen Tagen im Advent. In dieser Zeit kommen im Jahr im Schnitt 200.000 Besucher, die meisten sind aus der Region. Das Einzugsgebiet liegt bei rund 150 Kilometern, einige Gäste kommen aber auch aus den Niederlanden.

Früher brachte man die Gebäude aus der Region in Stücke zerlegt nach Detmold. Heute kommen sie in großen Quadern, „man transloziert sie, also versetzt sie an einen anderen Ort“, sagt Torsten. Das gelingt mithilfe von Schwertransportern, die meistens nachts unterwegs sind, um den Verkehr nicht zu behindern. Der große Vorteil dieser Vorgehensweise: Tapeten und der Putz bleiben im Original erhalten. Das Haus der Tagelöhners beispielsweise wurde so ins Paderborner Dorf gebracht.

Spaziergang im Museumsdorf durch die Jahre um 1900

Im Paderborner Dorf stehen jüngere Häuser: Sie wurden um 1900 gebaut und haben schon viele Fensterscheiben. Weitere Unterschiede: Die Küche ist jetzt vorne im Haus, denn Vieh wird in separaten Ställen gehalten – wenn man denn noch welches hat. Es gibt außerdem Eisenträger für den Hausbau und Motoren, die zum Beispiel bei der Landwirtschaft helfen. Hier gibt es auch eine Schmiede – und dort wird gearbeitet: Nägel werden hier gefertigt, denn: „Bei uns muss jeden Tag etwas repariert werden“, sagt Torsten.

Auch eine Schule gibt es im Museumsdorf, ein Spritzenhaus, Windmühlen – und seit diesem Jahr den Nachbau eines Sauerländer Aussichtsturms. Er steht als Holzgerüst etwas unspektakulär auf einem Hügel. Doch auch seine Geschichte ist spannend: Türme, die mitten im Wald und auf Bergen stehen, wurden im 19. Jahrhundert nämlich oft gebaut, um eine optische Telegrafenlinie in Deutschland aufzubauen. Schnell wurden sie Attraktionen für die Touristen, weil der Blick von oben so geschätzt wurde. Nachdem die optische Telegrafie sich nicht durchsetzen konnte, baute man darum Türme für die ersten Touristen und Sonntagsausflügler. Der Nachbau aus dem Sauerland zeigt ein Modell von 1920 und ist 12 Meter hoch. Der Kran dafür benötigte eine Ausladung von 60 Metern. Mit Drohnen hatte man vorher das Gelände genau vermessen und dokumentiert, um sicherzugehen, dass später auch alles wirklich passen würde.

Torstens Tipps für den Museumsbesuch

Was die Zukunft fürs Freilichtmuseum in Detmold bringt

Weiter entlang unseres Weges stecken Stäbe in der Wiese: Dort wird bald eine Straße entlang führen und ein Bungalow aus den 1960er Jahren ist hier geplant. Eine Tankstelle aus der Zeit steht schon dort.

Mein Tipp: Das Museum ist riesig! Plant darum bitte genügend Zeit ein. Und bucht eine Führung – Ihr werdet dabei viele Dinge sehen, die Ihr sonst nicht wahrnehmen würdet. Außerdem könnt Ihr im Restaurant im Freilichtmuseum Detmold regionale Spezialitäten probieren.

Zum Weiterlesen: Nicole von unterwegs & daheim hat im Freilichtmuseum einen Flachsworkshop gemacht.

Ich war im LWL Freilichtmuseum Detmold während der #TeutoBloggerWG und habe keinen Eintritt bezahlt. Meine Apfelschorle und mein Pickert in der Gaststätte waren für mich ebenfalls kostenlos.

3 Gedanken zu „Teutoburger Wald: Im Freilichtmuseum in Detmold

  1. Pingback: Highlights im Freilichtmuseum Detmold

  2. Gina Casabrava Antworten

    Liebe Bettina, Freilichtmuseen finde ich immer toll. Mir gefällt es sehr, so anschaulich etwas über das Leben in alten Zeiten zu erfahren. Das Museum in Detmold werde ich mir auf jeden Fall merken, für einen Ausflug demnächst mal.
    Liebe Grüße Gina

    • BettinaBlass Autor des BeitragsAntworten

      Liebe Gina,
      freut mich, wenn ich dich inspirieren konnte. Plane bitte genügend Zeit ein – das Museum ist riesig. Und: ich liebe Freilichtmuseen auch. Sehr!
      Liebe Grüße
      Bettina

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