Tallinn jenseits der Altstadt

Das Rothermannviertel in Tallinn

Wer schon einmal in Tallinn war, kennt die Altstadt. Dort sind auch besonders viele Tourist*innen, denn sie ist UNESCO Weltkulturerbe. Liegt ein Kreuzfahrtschiff im Hafen, sind die Straßen dort voll mit Reisegruppen auf Landausflug. Aber auch die Tagestourist*innen aus Helsinki oder die Fährtourist*innen aus Stockholm sorgen dafür, dass die Altstadt schnell überlaufen wirkt. Wer dem entgehen möchte, der hat einige Möglichkeiten. Es lohnt sich, dass du über den Kauf einer TallinnCard nachdenkst. Denn manche Strecken sind zu Fuß zu weit, wenn du Tallinn jenseits der Altstadt entdecken möchtest. Und wenn man den Preis für die Busse und Straßenbahnen mit den Eintrittsgebühren über die TallinCard spart, lohnt sich deren Kauf recht schnell.

Blick über die Stadt

Ein beliebtes Ziel in Tallinn jenseits der Altstadt ist der Fernsehturm. Dorthin fährst du mit dem Bus etwa eine halbe Stunde. Vormittags und unter der Woche sollte es kein Problem sein, ein Ticket ohne Reservierung und vor Ort zu kaufen. Der Blick von oben über die Stadt und auf die Ostsee ist bei gutem Wetter beeindruckend. Es gibt auch einen Balkon, vom dem aus man durch den Maschendraht schauen und fotografieren kann. So entfällt die Spiegelung, die man von innen auf den Fenstern sieht. Im Balkon-Stockwerk gibt es auch Kaffee und Kuchen. Eine Etage tiefer erfährt man an interaktiven Terminals einiges über die Geschichte der Stadt.

Jenseits der Altstadt von Tallinn im Rothermannviertel

Wer vom Fährhafen kommt, kann durchs Rothermanviertel gehen, das noch jenseits der Altstadt liegt. Das Besonders dort ist die ungewöhnliche Architektur: Moderne Farben, Materialien und Bauweisen hat man mit der alten Bausubstanz des Hafenviertels gemischt. In den Häusern sind viele Restaurants, Bars und Cafés. Außerdem ist dort ein Kalev-Laden. Die Schokolade und das Marzipan von Kalev sind eine Spezialität aus der Stadt und wie ich finde äußerst lecker. Es lohnt sich also, dort Souvenirs zu kaufen.

Im Freilichtmuseum an der Küste

Ebenfalls in Tallinn jenseits der Altstadt ist das Freilichtmuseum mit Fischerhütten, Bauernhöfen, einer Schule und einem Mietshaus aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Auch dort kann es voll werden, aber das Gelände ist weitläufig. Bei schönem Wetter macht es Spaß, im Freilichtmuseum durch den Wald und am Ostseeufer entlangzuspazieren und so in die Vergangenheit zu reisen.

Am Yachthafen in Tallinn

Noblessner ist ein ziemlich neuer Stadtteil, den man auch am besten mit dem Bus erreicht. Dort ist auch das Estnische Meeresmuseum. Es ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Tallinn nach der Altstadt. Das Museum ist in einem ehemaligen Flugzeughangar ohne tragende Stützpfeiler, was allein schon beeindruckend ist. Dort kann man außerdem ein U-Boot von innen besichtigen und sich mit der Marine auseinandersetzen. Da der Eintritt in der TallinCard enthalten ist, ist das Museum eine gute Alternative für alle, denen die Altstadt zu voll oder zu langweilig sein sollte. Auch hier kann es voll werden, denn das Museum ist bei Familien beliebt.

Im Viertel gibt es außerdem Saunakabinen, die man mieten kann – übrigens auch für Firmenevents und Konferenzen. Und natürlich auch Cafés und Bars, die Kunstgalerie KAI und das Restaurant Lore Bistroo, das eine Bib-Gourmand-Empfehlung von Michelin hat. Im Lore Bistroo kann man à la Carte bestellen oder sich für ein Menü entscheiden, das von allem etwas bringt. Für uns war das die perfekte Lösung.

Ein anderes Restaurant, in dem wir sehr gut gegessen haben, war das Tchaikovsky in der Altstadt im Hotel Telegraaf. Auch dort haben wir uns für das Menü entschieden und bei klassischer Musik die geschmackliche Vielfalt genossen. Das Restaurant hat ebenfalls eine Bib-Gourmand-Empfehlung.

Das Kreativviertel jenseits der Altstadt in Tallinn

Ganz anders ist das Telliskivi-Viertel hinter dem Bahnhof. Dort gibt es einige bunte Wandgemälde, das Fotografiemuseum, Cafés und Bars und die Destillerie von Junimperium-Gin. Wenn die Bar geschlossen hat, kann man klingeln, um Gin kaufen. Er ist mehrfach prämiert und entsprechend ein nettes Mitbringsel. 

Multimedia-Kunst in Tallinn jenseits der Altstadt

Ganz anders als die Altstadt ist das Digitiva Space. Dort kann man in multimediale Kunst großer Künstler eintauchen. Ich finde den Raum zwar nicht perfekt für die Vorführung, aber die Show ist trotzdem sehenswert: Da fliegt der Schirm einer Protagonistin von Van Gogh weg und seine Sonneblumen drehen sich auf dem Boden. Ich habe diese Multimediashow schon 2016 in Köln gesehen. Damals hatte ich die Möglichkeit, mit einem der Gründer zu sprechen. Das ist ein Auszug aus meinem Beitrag von damals:

„Bis zu vier Meter hoch sind die animierten Kunstwerke von Monet, Klimt und van Gogh, die im Rhythmus klassischer Musik wechseln. Möglich ist das nach zwei Jahren Arbeit durch 45 HD-Beamer, die so programmiert sind, dass sie die vielen kleinen Bilder zum großen Gesamtkunstwerk zusammensetzen. Da soll nochmal jemand sagen, die großen Maler der Vergangenheit seien heute nicht mehr gefragt.

Ganz im Gegenteil macht die moderne Technik möglich, was bisher undenkbar war: Bilder werden im wahrsten Sinne belebt, und die Besucher scheinen mit ihnen zu verschmelzen: Hier drehen sich die Flügel einer Windmühle, Blätter fallen von den Bäumen, die Meeresbrandung rollt langsam an den Strand, erste sanfte Bleistiftstriche skizzieren, was später ein großes Gemälde sein wird. Manche Details wie beispielsweise die Schwertlilien von van Gogh sind fast mannshoch, als sie über die Wände wandern. Wer möchte, kann sogar die einzelnen Pinselstriche erkennen. 45 Minuten geht die Show, bevor sie wieder von vorne beginnt. 

(…)

Anthony Stavchanskyy und seine Familie sind aus Estland. Die Ausstellung From Monet to Klimt verantwortet im Wesentlichen Anthonys Vater, der Regisseur ist, und mit Künstlern und Komponisten zusammenarbeitet. Insgesamt, so sagt er, waren 15 Leute rund zwei Jahre mit der Show beschäftigt. Dazu habe man mit einem guten Dutzend Computerprogrammen gearbeitet, bis man schließlich das gewünschte Ergebnis erzielte. Außerdem wurden die Kunstwerke in 4K gescannt, der derzeit höchstmöglichen Auflösung. Damit sind sie so groß, dass man sie auf 6 x 3 Metern anzeigen kann. Wegen der Urheberrechte musste man sich mit den Museen auseinandersetzen, die die 138 Werke zeigen, und die auch beim so entstandenen neuen animierten Werk ein Mitspracherecht hatten, wie Anthony mir erklärt. Das ist auch ein Grund, warum es so lange gedauert hat, die Show umzusetzen. Ein anderer lag in der Herausforderung, die Software für die Beamer zu schreiben.

Doch Anthonys Familie war es das wert, denn ihr Wunsch ist, Kunst mit anderen zu teilen, und durch die Shows auch diejenigen an Kunst heranzuführen, die normalerweise keinen Zugang dazu haben, oder sich für ein klassisches Museum nicht interessieren.“

Ehrenfeldreporter

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