Eigentlich ist es Quatsch, die Hauptstadt Großbritanniens, London also, mit ihren etwa zehn Millionen Bewohnern mit der nur viertgrößten Stadt der Bundesrepublik, dem beschaulichen Köln zu vergleichen. Die Domstadt hat nur eine Million Einwohner. Da ich Köln aber in Deutschland am besten kenne, liegt dieser Städtevergleich zwischen London und Köln doch irgendwie nah:
Die Metropole und das große Dorf am Rhein
Zunächst einmal komme ich mir in London vor, als ob ich in der Provinz leben würde. Das fängt bereits mit der Größe der Stadt und den Abständen zwischen den Stationen der Picadilly-Line an: Man fährt ewig, so scheint es mir. Und hat dabei die Stadt längst nicht durchquert. Der Größenunterschied zeigt sich auch anderswo: In Heathrow muss man lange Strecken zu Fuß zurücklegen, der Tower of London ist eine riesige Anlage, in der man Stunden zubringen kann, und in Westminster Abbey kann man sich locker verlaufen. Der Dom ist dagegen fast ein Witz.
Man läuft gerne – in London und Köln
Laufen scheint überhaupt so ein Ding der Londoner zu sein: Überall joggen sie mitten durch die Stadt. Ein Brite sagte mir, das könne damit zusammen hängen, dass man es in London nicht gerne sehe, wenn die Angestellten Mittagspause machten. Leistungsorientierung sei angesagt, dazu passten Pausen nicht. Wer aber in der Mittagspause laufen gehe, habe ja etwas vor, würde etwas tun, das sei wiederum akzeptiert. Außerdem gebe es in den Büros Duschen, so dass Schweiß in der Mittagspause kein Problem sei. In Köln laufe ich zwar auch gerne, aber nicht in der Mittagspause.
Interessant ist außerdem, dass die Londoner gerne in kurzer Hose und T-Shirt laufen, während ich im Kapuzenpulli und mit Daunenjacke friere. Auch die Frauen scheinen hier härter gesotten zu sein als ich: Viele tragen auf dem Weg zur Arbeit kurze Röcke und dünne Strumpfhosen – mir ist in meiner Jeans kalt. Und nach der Arbeit trifft man sich im Pub auf ein Bier. Oder besser: davor. Ohne Winterjacken. Und die vorhandenen Heizpilze sind nicht eingeschaltet.
Sauberkeit in London und Köln
Der Londoner scheint außerdem besser gekleidet zu sein als der Kölner. Das mag auch daran liegen, dass man die Leute in ihrer Arbeitskleidung sieht und London ein Finanzplatz ist: Männer in dunkelblauen Anzügen, Frauen im Kostüm. Farbflecken sucht man in diesem Einheitslook umsonst. Mir scheint, das ist in Köln, aber auch in ganz Deutschland etwas lockerer. Und darüber bin ich gar nicht böse. Während wir so durch die Straßen laufen, fällt mir außerdem auf, dass London viel sauberer ist als Köln: nur selten sieht man Müll auf der Straße oder an den Haltestellen, es gibt sogar eine Kampagne, damit Raucher ihre Kippen nicht auf die Straße werfen. Köln dagegen scheint zunehmend zu verkommen und von Jahr zu Jahr schmutziger zu werden.
Selbst die U-Bahn ist in London sauber – und das, obwohl sie schon ziemlich alt und weit verzweigt ist. Und die Bahnen fahren oft im Minutentakt. Schwarzfahren wird durch Kontrollen am Eingang unterbunden, das Kartensystem besteht aus wiederaufladbaren Plastikkarten. Dadurch wird der Papiermüll weniger. Und in Köln kann man noch immer nicht mit Geldscheinen an den Automaten in der Bahn bezahlen.
Gelebte Dienstleistungsgesellschaft in London
Interessant ist auch die Dienstleistungsorientierung in der Stadt: Ein Fahrradfahrer fährt in der Mittagspause Burrito aus, in kleinen Läden nimmt man sich eine heiße Suppe aus dem Regal und isst sie schnell vor Ort oder nimmt sie mit ins Büro. Auch im Supermarkt gibt es viele Fertigprodukte wie Obstsalat, Sandwiches oder heiße Speisen. In einer dieser Suppenbars kann man sich sogar Schirme leihen falls es regnet. Man bringt sie einfach irgendwann wieder zurück. Das System beruht auf Vertrauen. Das finde ich großartig, aber ich zweifle daran, dass das in Köln funktionieren würde.
Das Essen scheint mir außerdem zumindest nicht teurer zu sein als in Deutschland: Ein Obstsalat aus dem Supermarkt: 1 Pfund, also 1,39 Euro. Ein reichlich belegtes Sandwich aus Vollkornbrot: 3,98 Euro. Eine sehr große Portion Suppe: 6,97 Euro. Im Vergleich dazu stehen die Eintrittspreise zu den Sehenswürdigkeiten in keiner Relation. So kostet der Eintritt in Westminster Abby, eine Kirche, fast 28 Euro. Ich wäre nie im Dom, wenn ich soviel Eintritt bezahlen müsste. Aber immerhin bin ich Mitglied im Dombauverein und zünde bei jedem Besuch ein Kerzchen für einige Cent an. An diesem Punkt ist das kölsche System echt besser.