Es fehlen die Frauen. Das ist das Erste, was mir auffällt, als wir vom Museum für Islamische Kunst am Meeresufer in Doha in Qatar durch die Jabr Bin Mohd Street Richtung Altstadt gehen. Zwar sitzen Männer in langen weißen Gewändern überall am Straßenrand oder kommen uns auf den Bürgersteigen entgegen. Frauen jedoch nicht. Dafür fährt ein metallic-blauer Ferrari an uns vorbei, den eine Frau mit schwarzem Schleier steuert. Auch ein weißer Jaguar, der an uns vorbei saust, hat eine weibliche Fahrerin mit Schleier. Abaja heißt die Ganzkörperverhüllung hier übrigens. Doch auf der Straße sehen wir sie nicht, als wir vorbei gehen an geduckten Läden, in denen Händler Teppiche und Stoffe verkaufen.
Alles neu macht in Doha die Fußball-WM
Wir sind auf der Suche nach einem traditionellen Haus mit einem Windturm, eine typische Sehenswürdigkeit in Doha. Ziel dieser Bauweise: Die Luft fährt oben hinein und kühlt so im Sommer die Wände, also eine Art ältere Klimaanlage. Solche Windtürme sieht man überall auf der arabischen Halbinsel. Das Haus mit Turm soll im Innenhof eines Einkaufszentrums stehen, heißt es in meinem Lonely Planet vom Januar 2017. Tatsächlich finden wir das Einkaufszentrum. Doch das ist so neu, dass es noch nicht einmal bezogen ist. Und darum wundert es mich, dass es im Reiseführer vom Januar schon erwähnt wird. Einzige Erklärung: Es wurde am selben Fleck wie das alte neu gebaut.
Im Innenhof steht in der Tat ein Haus, und einen Windturm hat es auch. Doch dieses traditionell aussehende Haus ist noch so neu, dass am Windturm ein Gerüst steht. Das ist das Zweite, was mir in Doha auffällt: Hier sieht in der Altstadt eigentlich nichts alt aus. Rund um das historische Fort ist eine riesige Baustelle. Der Falken-Souq sieht nicht alt aus, und der Souq Waqif sieht auch eher neu aus. Am Rande des Marktes sieht man auf riesigen Plakaten, wie dort weitere Marktgassen im alten Stil künftig den Schein wahren werden, denn hier hat man noch viel vor. Doha wird für die WM 2022 schön gemacht, scheint mir. Ein Land will zeigen, was es kann – und wie reich es ist.
Bummel über den Markt
Der Spaziergang über den Markt lohnt sich trotzdem. Denn obwohl so viel neu gebaut wurde, ist zumindest der Stil traditionell: Enge Gassen mit kleinen Läden, in denen Lampen aus bunten Glasscheiben und Parfüm, Holztruhen mit naiven Bildern in Pastelltönen, Gewürze und Gewänder verkauft werden. An manchen Läden steht wie ein Siegel, dass nur Produkte aus 100 Prozent qatarischer Produktion angeboten werden, an anderen, dass man nur Produkte aus Qatar und den befreundeten Ländern kaufen soll. In einem Schaukasten gibt es außerdem Informationsmaterial für Nicht-Muslime – auch auf Deutsch.
Nachdem wir auf dem Gold-Souq waren, stehen wir plötzlich wieder auf der Straße, und in der Nähe ist das Museum für islamische Kunst. Das Gebäude besteht aus vielen Kuben, so scheint es, es hat wenig Fenster – und zugegeben: Es interessiert mich nicht besonders. Da ich aber auf Bildern gesehen habe, dass man von dort einen tollen Ausblick auf die Skyline des Stadtzentrums hat, gehen wir hinein. Nach der Sicherheitskontrolle werden wir darauf aufmerksam gemacht, dass Knie und Schultern bitte bedeckt sein sollten, doch das ist für uns kein Problem: Wir sind entsprechend angezogen.
Und da wir nur Handtaschen, aber keine Rucksäcke dabei haben, dürfen wir diese mitnehmen in das Foyer mit der geschwungenen Freitreppe und der kreisrunden Lampe darüber. Die Innenarchitektur nimmt mir fast die Luft zum Atmen, als ich nach oben schaue, denn sie ist äußerst ungewöhnlich und darum sehenswert. Nun bin ich auf jeden Fall froh, hierher gegangen zu sein. Wir gehen in eine Ausstellung über türkische, iranische und irakische Muster, und sehen Teppiche aus aufwendigen Knüpfereien sowie eine Art gigantisches Kaleidoskop, in dem sich die Muster immer wieder neu anordnen.
Rund ums islamische Museum
Tipp: Geht man Richtung Toilette und ein bisschen weiter, steht man plötzlich vor einer Wasserfläche vor Bogenfenstern: Hier ist der Ausblick, der sich zur modernen Hochhausskyline auf der anderen Seite der Bucht öffnet. Wieder denke ich: atemberaubend schön.
Rund um das Museum ist der MIA-Park. Hier kann man in einem Halbrund am Wasser entlang wandern auf eine Art Halbinsel, um dort nochmals den unverstellten Blick auf die Skyline zu genießen. Oder man geht in die Galerie Al Riwaq. Dort gibt es gerade eine Ausstellung zu deutschem Design, gefördert von der Volkswagen Stiftung, dem Auswärtigen Amt und dem Goetheinstitut. Spannend, aber nicht spannend genug, wenn man nur wenige Stunden in Doha hat.
Kaffee mit Datteln
Weiter auf der Corniche entlang kommt links das Café Halul. Eigentlich wollen wir dort einen Kaffee trinken, doch drinnen sitzen nur Männer in langen Gewändern. Einige spielen Karten, andere rauchen Wasserpfeife. Da keine Frau dort zu sehen ist, gehen wir weiter, überqueren rennend die zweimal vierspurige Straße, denn Fußgängerampeln, Zebrastreifen oder Unterführungen gibt es an dieser Stelle wie so oft in der Stadt nicht.
So erreichen wir das Restaurant Orient Pearl. Es sieht teuer aus, aber es gibt dort in der Ecke ein kleines Bistro, das Karaki, in dem wir eine große goldene Kanne voll hellem arabischen Kaffee bekommen, der stark nach Kardamaom riecht, und zunächst ziemlich bitter schmeckt. Darum isst man vorher eine der getrockneten, süßen Datteln, die zum Kaffee gereicht werden. Wir essen außerdem ein Käse- und ein Schokoladen-Chapati. Chapati sind eine Art dicker Pfannkuchen, die ich aus Indien und Tansania kenne.
Am Nebentisch sitzen übrigens zwei einheimische verschleierte Frauen. Sie schauen uns genau so neugierig an wie wir sie. Die meisten anderen Frauen, die ich heute im Souq beim Einkauf gesehen habe, trugen schwarze Masken um die Augen, zwei habe ich gesehen, die komplett verschleiert waren, also auch keinen Schlitz an den Augen hatten, sondern durch das dünne Tuch hindurch geschaut haben. Auch wenn ich verstehe, dass die langen Gewänder ein Schutz vor der Sonne und der Wärme sind, und sie dabei helfen, eine helle Hautfarbe zu behalten: Ich bin sehr froh darüber, dass ich in langen, weite Hosen und einer dünnen Bluse mit langen Ärmeln auf die Straße darf, und vor allem darüber, das mein Blick auf die Umwelt nicht durch einen Schleier oder eine Maske getrübt wird.
Ein Tag in Doha? Ja! Urlaub? Nein!
Und ich bin auch froh darüber, mich für diese Schiffsreise in die arabischen Länder entschieden zu haben. Denn ich glaube nicht, dass ich Spaß dabei hätte, in einem Land individuell Urlaub zu machen, in dem Frauen in der Öffentlichkeit zumindest für mein Verständnis so sehr vom Rest der Gesellschaft getrennt werden.
Tipp für Kreuzfahrttouristen: Der Hafen von Doha ist in der Nähe des Museums für islamische Kunst. Uns hat ein kostenloser Shuttlebus an den Rand des Hafens gebracht. Von dort konnten wir die Altstadt bequem zu Fuß erreichen. Man kann sie also auf eigene Faust erkunden. Aber Achtung: Es sind sehr viele Autos sehr schnell unterwegs, und es gibt nur wenige Fußgängerübergänge. Das Stadtzentrum ist nicht in der Altstadt, sondern dort, wo die Hochhäuser sind. Dorthin ist es vom Hafen aus ziemlich weit. MSC hatte für die Touristen, die sich dort umschauen wollten, einen kostenpflichtigen Shuttle-Bus angeboten.