Ich wusste, dass mein Mann mir nicht glauben würde. Und auch alle anderen würden denken, meine müden Augen haben sich verguckt. Auch darum griff ich instinktiv zu meinem Smartphone, als ich im IC von Mainz kommend langsam am Mediapark vorbei in den Hauptbahnhof rollte. Denn ich wollte ein Foto machen von der Szene, die ich da gerade sah, quasi als Beweis, auch für mich selbst. Leider oder vielleicht auch zum Glück war der Zug dafür dann doch zu schnell, um den sex am Mediapark länger zu verfolgen. Wir waren nämlich in Sekunden an dem Mann vorbei, dem die Hose um die Knöchel schlodderte, sein Geschlechtsteil war unbedeckt und stand ab.
Der Mann war nicht besonders gutaussehend, graues Haar, kinnlang, aber schon etwas ausgedünnt, eine Nickelbrille, eine wattierte Weste, schätzungsweise Mitte, Ende 50. Mir fällt dazu ein, dass ich vor etwa 20 Jahren meinem Vater meinen Liebeskummer geklagt hatte. Und er sagte: Ach Kind, das wird im Alter alles noch schlimmer und komplizierter zwischen Mann und Frau. Je oller, je doller.
Dazu fiel mir dann wieder ein, dass meine Mutter mir vergangene Woche von einer entfernten Bekannten erzählt hatte. Deren beste Freundin, neuerdings Single, Anfang 60, hatte dem Lebensgefährten der Bekannten meiner Mutter, also dem Lebensgefährten ihrer besten Freundin, per WhatsApp Nacktfotos von sich geschickt. Daraufhin fühlte der sich genötigt, am späten Abend bei ihr vorbei zu fahren, um ihrer Seele eine gewisse Linderung zu verschaffen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Sex am Mediapark zwischen Plastik- und Verpackungsmüll
Zurück zum Mediapark: Der Mann stand da nicht alleine. Vielmehr kniete eine deutlich jüngere Frau mit Pferdeschwanz vor ihm auf dem Boden. Sie sah nicht so aus, als ob sie zu dieser Handlung gezwungen worden war. Trotzdem fragte ich mich natürlich, wie die beiden zu diesem Sextreffen zusammen gekommen waren. Zwischen dem kleinen Hügel im August-Sander-Park, so heißt die Grünfläche zwischen Mediapark und Saturn, und den Bahngleisen wirkten sie zwischen all dem Müll deplatziert. Von Alter und Aussehen wollten sie außerdem nicht so recht zusammen passen. Sie war jung und brauchte das Geld?
Und überhaupt: Die lauschigen Sommerspätnachmittage sind vorbei, in denen das Blut in Wallung kommt und man eben mal ruckzuck hinter einen Busch springen muss. Abgesehen davon sahen beide auch nicht so aus, als ob die Lust sie überrannt hätte. Aber was soll’s? Manche Situationen in Köln nimmt man wie Schnapschüsse wahr, eine Erklärung dafür wird man nie bekommen. Und überhaupt: Do mäht en Kölle keener an Fenster für op.
Außerdem gibt es für Sexarbeiterinnen auch Beratungsstellen, beispielsweise hier.