Die größte der Kapverdischen Inseln ist Santiago. Dort liegt auch die Hauptstadt Praia. Ihr Zentrum liegt auf einer Anhöhe und wird „Plato“ genannt. Dort wurde der Verwaltungssitz errichtet, denn das Plateau auf dem Berg galt als uneinnehmbar für Pirat*innen. Heute ist auf dem Plateau auch das kommerzielle Zentrum der Insel mit einer Fußgängerzone. In vielen bunten Häusern sind hier kleine Läden, Cafés und Restaurants. Hohe, grüne Büsche bilden Tore und spenden Schatten vor der auch im Dezember sengenden Sonne. An einem kleine Platz mit Brunnen sitzen die Einwohner*innen und Besucher*innen von Praia auf Bänken und plaudern. An diesem Platz ist auch die Kirche Nossa Senhora da Graca, die innen im Altarraum überraschend weiß ist.
Hier oben weht außerdem die Fahne des afrikanischen Landes. Sie ist so groß, dass man sie auch aus der Ferne und von der Mein Schiff gut erkennen kann. Kanonen und das Quartel, der Militärstützpunkt, erinnern an die Vergangenheit der Stadt und daran, wie wichtig es war, sich gegen Feinde verteidigen zu können.
Gespräch mit einem Einheimischen
Als wir auf unserer Kreuzfahrt mit der Mein Schiff Herz im etwa 4,5 Kilometer entfernten Hafen liegen, hat der Reiseveranstalter TUI einen Shuttle-Service zum Plateau eingerichtet. Während ich auf meine Rückfahrt zum Schiff warte, setzt sich ein junger Mann neben mich. Er sei von der Insel Fogo, das ist die mit dem Vulkan. Da es dort aber keine Universität gibt, ist er nach Santiago gekommen, um zu studieren – und dann gleich geblieben.
„Wir haben hier kein hartes Leben. Wir sind entspannt, machen uns nicht so viele Gedanken um die Zukunft. Wir leben im Jetzt. Touristisch haben wir nicht so viel zu bieten, aber wir freuen uns über Tourist*innen und über die Kreuzfahrtschiffe, die hierher kommen. Denn sie bringen Geld ins Land, das ist gut für die Wirtschaft. Und so können wir uns langsam, ganz langsam weiter entwickeln. Wir haben nicht viel Geld hier. Warum sollten wir dann auch noch für Energie bezahlen, wenn wir doch die Sonnenkraft nutzen können, um beispielsweise Strom für unsere Straßenlaternen zu erzeugen?“
Stopp in Assomada auf Santiago
Straßenlaternen mit Solarpanel habe ich auch schon in Sao Vicente gesehen, sogar in einem kleinen Ort an der Küste. Doch während der Inselrundfahrt, die TUI in Zusammenarbeit mit lokalen Firmen angeboten hat, sehe ich in Assomada noch etwas anderes Interessantes: Dort steht auf dem zentralen Platz ein Kunstbaum mit vielen dicken Ästen, auf denen Solarpanele angebracht sind. So gibt es mitten auf der Insel einen Hotspot mit kostenfreiem Internet. Sonst hat Assomada nicht viel zu bieten: Ein Museum mit wenigen Exponaten. Sie erzählen die Geschichte der Insel und des Landes und erinnern vor allem an den Musiker Norberto Tavares, der aber ausgewandert ist. Sein Mikrofon wird hier gezeigt, sein Akkordeon, Pokale und Plaketten von Preisen, die er gewonnen hat.
Auch eine Kirche steht an diesem Platz. Als wir zu Besuch sind, findet gerade eine Hochzeit statt. Viele Kameras sind auf das Brautpaar gerichtet, von der Empore kommt Orgelmusik, die Gemeinde singt ein Lied und unser Reiseführer stimmt ein. Als am Ende alle klatschen, klatschen wir mit und verlassen dann schnell die Kirche. Ich weiß nicht, ob ich eine Reisegruppe bei meiner Hochzeit gewollt hätte, aber offensichtlich hat sich außer uns niemand daran gestört.
Sehenswürdigkeit in der Natur
Bei unserer Inselrundfahrt stoppen wir auch an einem Aussichtspunkt der den weiten Blick auf die steilen grünen Hänge und Schluchten freigibt. In der Ferne blitzt blau das Meer. Doch schnell sind wir Tourist*innen mehr fasziniert von den vielen Spinnen, die ihre Netze um eine Straßenlaterne gewoben haben. Sie sind dick und rund und ich bin froh, sie nicht in meiner Wohnung zu haben. Da nimmt sich eine einzelne Nosferatu-Spinne auf einmal geradezu harmlos aus. Unser Reiseführer José versichert uns aber, die kapverdischen Spinnen seien nicht giftig.
Eine weitere Attraktion auf dieser Tour ist der Botanische Garten. Ihn schützt eine Mauer und ein hohes Gittertor. Drinnen ist alles grün, hier spenden viele Palmen Schatten, die Blumen haben einen intensiven Geruch und die Vögel zwitschern uns lauthals ein Konzert. Rechts gehen einige steile Treppenstufen nach oben, dann schlägt man einen weiten Bogen und geht über schmale Stufen zurück auf den Kopfsteinpflasterhauptweg und wieder aus dem Garten hinaus. Alles in allem dauert unser Besuch keine 15 Minuten.
Busfahrt auf Santiago
Mindestens genau so interessant ist aber, was man beim Blick aus dem Fenster des kleinen Busses an Alltagsleben sieht: Da schleppen Menschen Heu auf ihren Köpfen von den Feldern am Hang hinunter zu ihren Tieren. Frauen transportieren anmutig riesige Schüsseln mit Orangen und Papaya auf ihren Köpfen durch die Straßen. Und im etwas streng riechenden Markt in Assomada wird rotes Spülmittel in gebrauchten Coca-Cola-Flaschen verkauft. Besonders gut gefallen haben mir außerdem die Kleider im westlichen Stil, die aus afrikanisch-gemusterten Stoffen geschneidert waren. Ich gebe aber zu, an diesem heißen Tag nicht die Muse gehabt zu haben, sie anzuprobieren.
Mein Fazit: Santiago ist eine deutlich grünere und liebenswertere Insel als São Vicente. Besonders viel zu sehen gibt es dort jedoch auch nicht. Wer aber erstmals einen Einblick in ein eher stabiles afrikanisches Land bekommen möchte, sollte die Chance nutzen, auf einer solchen Kreuzfahrt unkompliziert einreisen und sich umsehen zu können.