Mit einem Fuß auf der Süd- und mit dem anderen auf der Nordhalbkugel stehen, das ist in Ecuador möglich. In der Nähe der Hauptstadt Quito verläuft der Äquator, Mitad del Mundo, Mittelpunkt der Erde genannt. Eine dicke gelbe Linie macht ihn für alle sichtbar. Ich hüpfe von einer Seite auf die andere und habe Spaß daran. Die Attraktion ist zweifelsohne einen Halbtagesausflug wert. Und die Flucht aus der lauten, stinkenden Hauptstadt des südamerikanischen Landes tut mir gut. Nur die Altstadt, la parte colonial, ist in Quito einen Besuch wert. 1978 wurde sie von den Vereinten Nationen zum Weltkulturerbe ernannt. Die rund 300 Jahre alten Plätze, Kirchen und Regierungspaläste versetzen mich zurück in die Zeiten der spanischen Eroberer. Trotzdem hält mich hier nicht viel.
Ich habe vier Wochen Zeit, das Land zu bereisen und Quito ist ein hervorragender Ausgangspunkt, um ganz Ecuador zu erkunden. Mit einer Größe von rund 283.600 Quadratkilometern ist das südamerikanische Land kleiner als Deutschland. Mich zieht es zunächst in den Norden. Einen Tagesausflug entfernt liegt Otavalo, ein kleines Dorf, berühmt für seinen farbenfrohen und unschlagbar günstigen Wochenmarkt. In den frühen 1980ern wurden die Webarbeiten und die Musik der indígenas, der Eingeborenen, wegen ihrer Schönheit weltberühmt. Heute verkaufen sie CDs und Ponchos, Keramik, Strümpfe oder Hängematten in fast jedes Land der Erde. Obwohl ich nicht viel Spanisch spreche, hat bei diesem ersten Ausflug alles geklappt. Die Ecuadorianer sind hilfsbereit und die Verständigung funktioniert auch mit Händen und Füßen.
Auf in den Dschungel in Ecuador
Langsam werde ich mutiger und die eigentliche Reise kann beginnen. Drei Busstunden südlich von Quito liegt Baños. Der Ort ist schon umgeben von den Ausläufern des Urwaldes, in Ecuador Oriente genannt. Mit den Einwohnern des Ortes plansche ich im Bad der Jungfrau, der Hauptattraktion von Baños. Sie starren mich an und haben viele Fragen: Woher kommst Du? Was machst Du hier? Wie heißt Du?
In Baños finde ich eine Agentur, die Reisen nach Osten in den Dschungel anbietet. Die Drei- bis Fünf-Tages-Ausflüge stehen für wilde Romantik und Abenteuer pur. Und so kommt es auch: Mit meinem Dschungelführer Lenin und der achtköpfigen Gruppe fahren wir im Einbaum über den Fluss und baden unterm Wasserfall. Nachts blitzen die Augen der Kaimane im Dunkeln. Darüber streckt sich der Himmel der südlichen Hemisphäre, beleuchtet mit unzähligen Sternen. Wir schlafen in der Cabaña, der offenen Bambushütte. Vor Stechmücken und Schlangen schützt uns ein feinmaschiges Moskitonetz. Das Einschlafen fällt trotzdem schwer: Der Dschungel lebt nachts. Es knistert und knarrt, es heult und surrt. Ich fühle mich ungeschützt unter meinem Moskitonetz. Doch irgendwann schlafe ich ein – und lebe auch am nächsten Morgen noch.
Übrigens bin ich in Ecuador auch das erste und wahrscheinlich letzte Mal auf einem Zugdach mitgefahren.