Nach einem Regentag im kleinen Zimmer unserer Pension haben wir nun alles nachgeholt, was wir bis dahin nicht machen konnten: Wir sind zunächst mit dem Sessellift auf einen Berg gefahren und dort fast vom Sturm umgeblasen worden. Aber der Blick über die Berge und Seen rund um Bariloche war der Hammer. Dafür stemmt man sich gerne mit aller Kraft gegen den Wind.
Und dann sind wir gewandert: Rund 20 Kilometer durch den kalten Regenwald, manchmal auf Pfaden, die so eng waren, dass man rechts und links vom Gestrüpp gestreift wurde, manchmal über umgestürzte Baumstämme oder drunter durch, und das Ganze mit einer sehr vagen Karte. Aber mit etwas Fantasie und Logik kamen wir doch zu allen Anlaufpunkten. So waren wir auf einem weiteren Berggipfel, an einem Strand, einer Aussichtsplattform, einer Brücke und an Seen. Recht interessant war der vertrocknete, übermannshohe Bambus, der die meiste Zeit die Strecke gesäumt hat. Er, so erklärte uns Adriana, die Pensionsinhaberin, blüht nämlich nur alle 50 bis 60 Jahre. Das war zuletzt 2011. Wenn er geblüht hat, vertrocknet er und macht Platz für neue Schößlinge. Außerdem haben wir auf vielen Pflanzen Aschereste von dem chilenischen Vulkan gesehen, der den Flugverkehr so lange gestört hat.
Ein Deutscher in Argentinien
In San Carlos de Bariloche haben wir in der Hosteria Katy übernachtet. Sie feiert im Jahr 2012 ihr 40-jähriges Bestehen. Gegründet wurde sie von zwei Slowenen, die nach dem zweiten Weltkrieg ausgewandert waren, und sich in Bariloche trafen, Antonio und Katy. Die beiden wohnen noch immer in der Hosteria, haben aber die Geschäfte an ihre Tochter und deren Mann abgegeben. Adriana ist gebürtige Argentinierin und hat ihren deutschen Mann Dirk in einem Zug im Norden des Landes kennengelernt. Nach einigen Jahren in Deutschland und Asien, haben sie beschlossen, den Lebensmittelpunkt nach Argentinien zu verlegen. Hier wohnen sie jetzt mit ihren drei Kindern. Neben der Hosteria, in der es übrigens leckeres selbst gebackenes Brot und immer ein Stück frischen Kuchen zum Frühstück gibt, haben die beiden auch eine Reisebüro. Sie sind auf Ausflüge rund um Bariloche und durch Patagonien spezialisiert. Dirk Gerhards hat ein Buch über sein Leben geschrieben, Liebe in Lateinamerika, das es bei Amazon gibt (Werbelink zu Amazon).
Tag 5: Von Buenos Aires nach Bariloche
Am Sonntag haben wir rund 1.600 Kilometer in etwa neun Stunden zurückgelegt. Die ersten 1.000 Kilometer gingen schnell: Wir sind von Buenos Aires nach Neuquen geflogen. Weiter konnte Aerolineas Argentina nicht fliegen, weil der Vulkan in Chile, der im Juni 2011 ausgebrochen war, noch immer ab und zu Asche spuckt. Also sind wir in Neuquen in einen Bus umgestiegen, die Plätze hatten wir bereits mit dem Flugticket reserviert.
Unser Busfahrer hat die Strecke unfallfrei zurückgelegt. Was man von anderen argentinischen Autofahrern leider nicht sagen kann: Kurz nach dem Flughafen standen wir im Stau, weil es einen Unfall gegeben hatte. Wir sahen Abschleppwagen, die die am Unfall beteiligten Wagen abtransportierten. Der erste sah relativ unbeschadet aus. Auf dem zweiten Abschleppwagen lagen so viele Einzelteile, dass man nicht wusste, ob es ein oder mehrere Autos waren. Deutlich zu erkennen war jedoch der blutgetränkte Fahrersitz. An der Unfallstelle selbst lagen viele Trümmer und ein grauer, verschnürter Plastiksack, der die Konturen eines erwachsenen Menschen erahnen ließ.
Weiter ging die Fahrt an einem Pferdeskelett vorbei auf meistens schnurgerader und gut ausgebauter Straße in einer kargen Gegend. Nach etwa zwei Stunden bremste der Bus plötzlich. Schon wieder ein Unfall: Ein Auto lag auf der linken Seite. Außer unserem Bus hielten noch zwei, drei andere Wagen an, um zu helfen. Ein älterer Man war bereits aus dem Unfallauto herausgeklettert, er blutete nur leicht an den Händen. Einer jungen Frau half man aus dem Auto, sie hatte keine offensichtlichen Verletzungen, weinte aber und zitterte. Da offensichtlich war, dass man das Auto wieder auf die Räder bringen wollte, bin ich mit den anderen Männern kurzerhand ausgestiegen und habe mitgeholfen. Das verunfallte Auto war übrigens ein VW und hat den Überschlag relativ gut überstanden.
Etwa eine Stunde vor unserem Ziel in den Bergen vor Bariloche dachten wir, durch Nebel zu fahren. Später stellten wir jedoch fest, dass es kein Nebel, sondern Vulkanasche war. Übrigens ist während unserer Fahrt leider die Temperatur um 25 Grad gefallen und die Regenwahrscheinlichkeit auf volle 100 Prozent gestiegen. (Jörg Düspohl)