„Meine Berlin-Träume in Mittenwalde“, „Der Zitronen-Elefant“ oder „Meeting der Pilz-Köpfe“ heißen die Bilder, die Ursula gemalt hat. Darum bin ich sofort sicher: Wäre Ursula Schultze-Bluhm nicht Malerin geworden, hätte sie großartige Texte geschrieben. Allerdings sind die Bilder der Künstlerin, die 1921 in Mittenwalde geboren und 1999 in Köln gestorben ist, eben auch ganz wunderbar. Hier strahlt es in Gelb und Rot, dort in Rosa, Blau und Gold: Es ist ein Farbenrausch, den Besucher*innen im Museum Ludwig in Köln in der Ausstellung Ursula ab Samstag erleben können. „Die ganzen Farben, das ist ja ein Feuerwerk“, sagt so auch Stefan Charles, Kulturdezernent der Stadt Köln bei seiner Begrüßungsrede.
Als „surrealistisch“ wird ihr Werk beschrieben, und ja, das ist sicherlich die korrekte Beschreibung. Zumindest, wenn es um die Gestalten in vielen ihrer Bilder geht: Die Menschen sind sehr oft geschlechtslos. Dabei ist nicht einmal immer sicher, ob wir einen Menschen sehen. Denn das Wesen könnte auch ein Tier oder eine Pflanze sein. Aber: Alle Bilder haben einen konkreten Anlass. Das könne eine Reise sein – beispielsweise nach Mailand oder New York, ein Buch, eine Legende, sagt Kurator Stephan Diederich.
„Tentakelhaftes Überwuchern“ in der Ausstellung Ursula
Diese fließenden Übergänge, diese ständige Metamorphose macht die Werke von Ursula aber auch so fabelhaft. Von einem „tentakelhaften Überwuchern“ spricht Stephan Diederich. Kaum treffender könnte eine der Werkszusammenfassung lauten als „Im Zauberwald“. So komme ich mir zumindest vor, als ich durch die nicht endend scheinende Ausstellung mit ihren gut 230 Exponaten von Raum zu Raum gehe. Dabei sind die Räume so ineinanderfließend wie die Farben und Formen auf den Bildern, die in zwölf Kapitel eingeordnet sind. Kein Wunder, dass das Museum bereits vor drei Wochen mit dem Aufbau begonnen. Wie kann diese Frau so viel gemalt haben? Und warum habe ich noch nie von ihr gehört?
So scheint es nicht nur mir zu gehen. Für diese Retrospektive, die größte seit 30 Jahren, hat das Museum Ludwig nämlich in vielen anderen Ausstellungshäusern um Leihgaben gebeten. Kurator Diederich: „Einige Häuser waren sehr erstaunt darüber, was sie da eigentlich in ihren Depots hatten“. Eines hat das Museum Ludwig auf jeden Fall mit der Ausstellung Ursula schon jetzt erreicht: Die New York Times hat darüber geschrieben. Damit dürfte das Interesse an den Bildern der Künstlerin ganz sicher steigen. Ursula gilt davon abgesehen als eine der wichtigsten deutschen Künstlerinnen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die Büchsen der Pandora
In ihren fortgeschrittenen Jahren hat Ursula sich auch mit Skulpturen beschäftigt. Da steht Le Paravent d’Ursula, da sind Stühle, die eher Thronen gleichen und da sind die Schränke, die die Büchse der Pandora sein sollen. Man kann sie geschlossen lassen oder öffnen, „und es kann das Glück herauskommen, es kann das Unglück sein, man weiß nie, was herauskommt“, wird Ursula in den Hintergrundinfos zum „Pandora-Schrank mit den vielen Gesichtern“ zitiert.
Tipp: Du kannst die Ausstellung bis zum 23. Juli 2023 besuchen.
Das Ursula-Pelz-Haus als Highlight
Highlight der Ausstellung ist das Ursula-Pelz-Haus. „Das ist der absolute Wahnsinn“, sagt eine andere Besucherin, die mit mir bei der Preview der Ausstellung Ursula ist. Und ja, es ist der Wahnsinn. Da steht mitten im Raum eine Art Zelt aus Pelzen. Dieses Zelt ist umgeben von vielen Schaufensterpuppenköpfen, die alle unterschiedlich gestaltet sind. Helena Kuhlmann, kuratorische Assistentin, erklärt, was es mit dieser Installation von 1970 auf sich hat: Mit ihr würden viele Themen realisiert, die die Künstlerin immer wieder thematisiert habe. Es sei Ursulas größte Installation, wieder eine Pandora-Büchse. Sie könne geöffnet werden, verberge aber auch etwas. Übrigens muss der viele Pelz an der Installation muss vor der damaligen Zeit gesehen werden: Er war damals wertvoll, stand für Weiblichkeit, war ein Statussymbol. Heute dagegen wird Pelz von vielen geächtet. Interessant ist außerdem auch hier der Bezug zur Metamorphose: Der Pelz ist ein Zwischending zwischen dem lebendigen und toten Tier.
Tipp: Neben einigen Bildern kannst du einen QR-Code scannen. Dieser bringt dich auf Seiten, auf denen in sachlicher Sprache Hintergründe zu den Bildern und Zusammenhänge beispielsweise mit Menschen, aber auch zur griechischen Mythologie erklärt werden. Anders ist der QR-Code neben dem Meeting der Pilzköpfe: Er führt quasi zu einer Anschauanleitung. Ich bin froh, ihn gescannt zu haben. Denn sonst hätte ich das Bild nicht mit dem notwendigen Abstand betrachtet und auch das Gesicht nicht erkannt, aus dessen Mundwinkel die Pilze zu wachsen scheinen.
Unterstützt wird diese Ausstellung
- vom Landschaftsverband Rheinland (LVR)
- von der Karin und Uwe Hollweg Stiftung
- von der Kulturstiftung der Länder
- von den Freunden des Wallraf-Richartz-Museum und des Museum Ludwig e.V.
- von der Peter und Irene Ludwig Stiftung
- von Russmedia
- von Farrow & Ball für das Teilsachsponsoring ihrer neuen Wandfarbe.