Politische Picasso-Ausstellung in Köln

Was fällt dir ein, wenn du an den Begriff „Friedenstaube“ denkst? Klar, ein weißer Vogel auf blauem Hintergrund. Aber wusstest du, dass auch Pablo Picasso ganz eng mit diesem Begriff verbunden ist? Der spanische Künstler hatte für den Weltfriedenskongress in Paris 1949 die Silhouette einer Taube entworfen. Seine Tochter wurde am Abend des Kongresses geboren – und er nannte sie Paloma. Das ist das spanische Wort für „Taube“. Sechs Jahre später wurde seine Lithographie, also ein Druck, der Taube mit dem Weltfriedenspreis ausgezeichnet. Seither istdie Taube das weltweite Symbol für den Frieden. Jetzt ist sie auch wichtiger Bestandteil der Picasso-Ausstellung in Köln. Die weiße Taube auf blauem Grund wurde allerdings von einem finnischen Grafiker gezeichnet.

Picassos Taube auf einem Theatervorhang und einem Tuch des Berliner Ensembles im Museum Ludwig

Trotzdem: Picassos Taube war mehr als Kunst. In der DDR und der Sowjetunion zierte sie Briefmarken. Und das Berliner Ensemble, von Bertolt Brecht gegründet, ließ sie in den Theatervorhang weben. Dieser Vorhang, der man bei Gastspielen einsetzte, hängt derzeit im Museum Ludwig. Denn das eröffnet heute Abend die Ausstellung „Der geteilte Picasso. Der Künstler und sein Bild in der BRD und der DDR“.

Wie unterschiedlich man Picasso sehen kann

Kuratiert hat die Ausstellung Julia Friedrich. Bei der heutigen Pressekonferenz erzählte sie, dass sie zunächst einmal viel über Picasso gelernt habe, als sie damit begann, eine Ausstellung zu dem spanischen Maler zusammenzustellen. Beispielsweise nämlich, dass Picasso Mitglied in der Kommunistischen Partei war – ebenso wie Brecht übrigens. Besonders interessant für sie in diesem Zusammenhang: Menschen, die in der DDR sozialisiert waren, wussten das sehr wohl. Im Westen hat man darüber jedoch lange nicht viel geredet. Wie konnte das sein, fragte sich Friedrich. Wie konnte das Bild eines Künstlers im geteilten Deutschland so unterschiedlich sein?

Eine spannende Frage, auf die die Ausstellung versucht, Antworten zu finden. Das allerdings ist nicht so einfach. Denn viele Picasso-Werke stammen vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts. In Deutschland zeigt und sieht man ihn jedoch erst richtig ab den 50er Jahren. So gibt es eine große zeitliche Distanz zwischen der Schaffung und der Rezeption. Diese Diskrepanz zeigt sich für mich besonders deutlich am Bild Guernica. Damit verarbeitete Picasso den Angriff auf und die Zerstörung der spanischen Stadt Gernica. Daran war die deutsche Wehrmacht beteiligt. Sie unterstützte zu diesem Zeitpunkt General Franco im Spanischen Bürgerkrieg. Für mich unfassbarerweise nutzte die Bundeswehr dieses Bild in einer Anzeige. Diese haben damals viele große Medien abgedruckt. Günter Grass schrieb über diesen Vorgang 1991 in der Zeit unter der Überschrift „Das geschändete Bild“. 

Unterschiedliche Ansichten in der Picasso-Ausstellung sichtbar machen

Der Artikel ist genauso wie großformatige Anzeige in der Ausstellung zu sehen. Dort erfährt man auch, dass in der Bundesrepublik Guernica sehr lange nur mit dem Spanischen Bürgerkrieg, nicht aber mit der Beteiligung der Nationalsozialisten in Zusammenhang gebracht wurde. In der DDR dagegen wurde diese immer ausdrücklich erwähnt, wenn über das Bild gesprochen wurde. Diese unterschiedlichen Perspektiven hat der Künstler Eran Schaerf mit seiner Ausstellungsarchitektur umgesetzt: Auf provisorisch wirkenden Stellwänden eröffnet sich auf jeder Seite ein anderer Blick und eine andere Meinung zu den Exponaten.

Gleichzeitig ist die Bundeswehr-Anzeige mit Guernica ein gutes Beispiel dafür, wie die Ausstellung zu verstehen ist. Es geht nämlich nicht nur um Picassos Werke, sondern eben auch um deren Rezeption. Und die fällt äußerst unterschiedlich aus. Nicht nur, dass man offensichtlich in West und Ost einen anderen Blick darauf hatte und vielleicht noch immer hat. Auch nicht alle Bürger Kölns waren von dem spanischen Maler so begeistert wie Peter Ludwig. Der schenkte mit seiner Frau Irene der Stadt 350 Kunstwerke, die die Grundlage für das Museum Ludwig waren. Darunter auch so viele Picassos, dass Köln heute nach Paris und Barcelona weltweit die drittgrößte Ausstellung mit Bildern des Künstlers beheimatet. Ludwig hat übrigens auch seine Doktorarbeit über Picasso geschrieben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht ein einziges Original gesehen, wie Carla Cugini, Vorständin der Peter und Irene Ludwig Stiftung, bei der Pressekonferenz betonte.

Picasso als Kitsch oder Stümperei gesehen 

Doch wie man in der Ausstellung in Leserbriefen an den Kölner Stadtanzeiger aus den 50er Jahren lesen kann, sprang die Ludwigsche Begeisterung nicht immer über: Ein Leser aus Kalk hielt den Kauf eines Picasso für Verschwendung von Steuergeldern, das Bild selbst für Kitsch. Ein anderer Leser aus Ehrenfeld schrieb von Stümperei.

Tatsächlich war aber Picassos so gescholtene Kunst schon damals sehr wertvoll. So wertvoll, dass die DDR sich zumindest keine großformatigen Werke leisten konnte. Peter Ludwig war jedoch daran gelegen, mit Kunst Brücken zu schlagen. So sorgte er dafür, dass Bilder aus Aachen und Köln ab 1977 in die Nationalgalerie nach Ost-Berlin, also in die damalige Hauptstadt der DDR, gebracht wurden. 

Was man als Besucher der Picasso-Ausstellung nicht so im Blick hat

Pressekonferenz zur Eröffnung der Picasso-Ausstellung: Sonja Hempel (Museum Ludwig), Oberbürgermeisterin Henriette Recker, Yilmaz Dziewior (Museum Ludwig), Carla Cugini (Peter und Irene Ludwig Stiftung), Julia Friedrich (Museum Ludwig) (von links nach rechts)

Für die heute eröffnete Ausstellung greift das Museum Ludwig auf 40 Originale zurück. Von diesen sind etwa 20 Leihgaben. Die Zusammenstellung der Exponate war übrigens eine besondere Herausforderung. „Die Logistik und die Versicherung für die Bilder sind sehr teuer“, sagte Museumsdirektor Yilmaz Dziewior bei der Pressekonferenz. Bei einem Gespräch im Rahmen der vergangenen gemeinsamen Andy Warhol-Ausstellung mit den Kollegen der britischen Tate Gallery hätten diese die Kosten auf den Punkt gebracht:

„Warhol is complicated. Picasso is out of Control.”

Museumsdirektor Yilmaz Dziewior bei der Pressekonferenz

Die Picasso-Ausstellung läuft bis 30. Januar 2022. Wer sie besuchen will, muss ein Ticket für ein Zeitfenster buchen. Die Öffnungszeiten des Museums wurden aufgrund der Corona-Pandemie und der beschränkten Besuchsmöglichkeiten verlängert: Dienstag bis Sonntag hat das Museum von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Auf der Internetseite Der geteilte Picasso wird es ab morgen eine digitale Begleitung der Ausstellung geben. Dort ist dann auch der ungekürzte Film des Dokumentarfilmers Peter Nestler zu sehen: Er berichtet über Picassos Aufenthalt im französischen Vallauris und seiner Gewölbegestaltung einer Kapelle. Der Film wurde im Rahmen dieser Ausstellung gedreht. 

Wer schreibt hier? Bettina Blass

Bettina Blaß ist Bloggerin, Buchautorin und Verbraucherjournalistin. Sie gibt Seminare und Workshops rund das Internet wie beispielsweise "Personal Branding" oder "Online publizieren". 2021 hat sie das Buch "Zu Fuß durch Köln" herausgebracht, 2022 "80 Glücksorte im Teutoburger Wald. Beide Bücher sind im Droste Verlag erschienen.

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