Paris: Stadtwandern rund um den Gare du Nord

Blick über die Stadt
Paris am Canal Saint Martin
Paris am Canal Saint Martin

Überall steigt Rauch in die Luft: Auf den Bürgersteigen werden Maiskolben gegrillt und Erdnüsse. Die Verkäufer haben dazu Einkaufswagen umgebaut: Durch die Gitterstäbe feste Pappstreifen und dünne Latten geschoben, darunter ein Eimer, in dem Kohle schwelt. Obendrauf das Gargut. Viele Passanten kaufen hier ein, bevor sie rechts abbiegen in den Marché Dejean in der Nähe der Rue des Poissoniers, mitten in Paris also, nahe dem Gare du Nord.

Hier ist es eng: Auf der Straße an Ständen bieten Verkäufer Handtaschen, Kosmetik, weiße Auberginen aus Togo in der Größe einer Faust, Okraschoten, Obst, Fleisch, Fisch. Man kommt nur langsam voran, denn von allen Seiten wird geschoben und gedrängt. Es ist ein Markt, wie ich ihn aus Milingano in Tansania kenne, aber ich bin in Paris, der französischen Hauptstadt, unterwegs.

Das andere Paris: Am Gare du Nord in eine andere Welt abtauchen

Eiffelturm, Seine Louvre – das alles habe ich schon mehrfach gesehen. Dieses Mal wollte ich Neues entdecken, ein Paris, das ich noch nicht kenne. Darum war ich über den Hinweis froh, dass der Kölner Emons Verlag 111 Orte in Paris, die man gesehen haben muss herausgebracht hat. Da wir am Gare du Nord ankommen, beschließen wir, diesen einfach zu umrunden und von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu gehen.

Zu Beginn läuft es nicht rund: Das Geisterhaus, das gegen Mittag öffnen soll, sieht nicht so aus, als ob es jemals wieder aufmachen würde, aber vielleicht täusche ich mich. Ein gut verstecktes Café hat um Viertel vor elf noch zu, egal, wie sehr ich am Gittertor rüttle. Daran ändert auch nichts, dass im Buch steht, es öffne um 9. Der Stadtgarten Bois Dormoy hat zumindest im Oktober nur noch sonntags ab 15 Uhr geöffnet. Das Kata, ein ehemaliges Kino, heute ein Geschäft mit vielen billigen Schuhen, kann man nicht mehr betreten, so dass man die schöne beschriebene Wand nur erahnen kann.

Schwierige Zeiten in Paris

Die Bar à Bulle soll ihren Eingang jetzt um die Ecke haben, doch dort ist er nicht. Und der Marché sur l’eau am Place de la Bataille-de-Stalingrad ist viel kleiner, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Auf dem Weg dorthin laufen wir am Canal Saint Martin entlang. Unter einer Brücke liegen graue, saubere Teppichbodenstücke, am Rand ordentlich gestapelt noch recht neue Rucksäcke, auf der Ecke kokelt Holz. Es ist, als ob wir ein Wohnzimmer durchqueren. Einige Meter weiter sehen wir, wer hier übernachtet hat: Fünf Männer im mittleren Alter, sauber gekleidet, vielleicht aus Osteuropa, sitzen auf einer Stange am Ufer und unterhalten sich. Angekommen am Markt werde ich mit etwas anderem Unerwartetem konfrontiert: Zeltstädte, die mitten in der Stadt auf dem Mittelstreifen unter den Brücken entstehen. Zum Greifen nah an den Ökoprojekten der Stadt. Dort wo diejenigen aktiv sind, die im Leben mehr Glück hatten.

Sehenswertes außerhalb des Zentrums

Hinter der Halle Pajol beispielsweise steht man plötzlich mitten in einem Park mit wogendem Schilf und Hochbeeten. In einer Ecke übt eine Gruppe Thai Chi, Eltern spielen hier mit ihren Kindern, manche sitzen einfach nur in der Sonne, vielleicht der letzten des Jahres. Wenige Meter entfernt ist das indische Viertel Little India mit vielen Geschäften, deren Name in fremden Schriftzeichen angeschrieben ist. Aus einem Haus ertönt Gesang, es ist der buddhistische Tempel, so voll, dass kein weitere Besucher hineinpasst. Die Schuhe stehen draußen auf dem Trottoir und in einem Regal.

Nicht im Buch erwähnt sind die Halle des Grand Trains und der Marché de la Chapelle. An beidem kommen wir zufällig während unseres Spaziergangs vorbei. In der Markthalle gibt es schöne frische Lebensmittel, aber auch fertige Gerichte. Wir stehen an einem marokkanischen Stand, dort reicht man uns direkt ein kleines Glas gesüßten Tee. Wir bestellen gefüllte Taschen mit Hackfleisch und Hühnchen für auf die Hand. Mein Französisch ist nicht mehr gut, das Englisch des Verkäufers auch nicht. „No English!“, sagt er. „Only for Commerce!“ – nur, um verkaufen zu können. Ich sage: „Pas de Francais. Seulement pour manger!“ – kein Französisch, nur um zu essen, und wir lachen beide. Die andere Halle ist ein ehemaliges SNCF Lager. Dort stehen schöne, alte Lokomotiven auf Gleisen, die nirgendwo mehr hinführen. Dafür stehen zwischen den Gleisen jetzt Liegestühle, alle besetzt. In einem Hof gibt es Streetfood, die längste Schlange steht bei den Burgern.

Immer schön: Sacre Coeur – nicht weit vom Gare du Nord

Auf unserem Weg kommen wir dem Montmartre nahe. Ich mag die Kirche Sacre Coeur, darum steigen wir hinauf. Jetzt sind wir in einem anderen Paris, in dem der Touristen und der Sicherheitskräfte. Wir stellen uns in die lange Schlange, um in die Kirche zu dürfen, steigen mehrere hundert Stufen spiralförmig nach oben, um schließlich den 360 Grad-Blick über Paris zu genießen: Dort ist der Eiffelturm, die Notre Dame sieht man, das Centre Pompidou.

Auf dem Rückweg zum Gare du Nord essen wir noch Crepes gefüllt mit Ei und scharfer Wurst, die Bedienung ist leider etwas unhöflich, die Preise sind gesalzen. Da hatten wir am Morgen mehr Glück: Am Canal Saint Martin fanden wir direkt an einer der Staustufen ein nettes kleines Café. Weil ich nach zwei Croissants gefragt hatte, ging die Bedienung in die Bäckerei gegenüber und besorgte uns das typische Frühstücksteilchen. Unterwegs drückte sie einem Bettler noch eine kleine Tasse Kaffee in die Hand, die sie in der Bäckerei für ihn gekauft hatte. Oui, c’est Paris.

Günstig in die französische Hauptstadt

Wir hatten für den Thalys übrigens Spartickets bei Vente privée gekauft: Für 50 Euro sind wir morgens hin und abends zurück gefahren. Es ist zwar eine lange Zugfahrt, aber ich würde das jederzeit wieder so machen. Und die Idee, sich einen bestimmten Teil der Stadt zu erlaufen, hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich auch das wieder machen würde – dann aber natürlich in anderen Straßen.

Nicole, eine Freundin, die ein Jahr in Paris lebte, schlägt übrigens dieses Programm für einen Tagestrip vor:
Spaziergang an der Seine / die rue Oberkampf entlangschlendern und spontan ein Restaurant auswählen / eine Tasche kaufen

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