Bio-Bauernhof Bollheim: „Die Arbeit am Lebendigen“

Kuhabtrieb
Kleine Kühe
Kleine Kühe im Bio-Bauernhof Bollheim

Kuhhörner mit Mist füllen, sie über den Winter vergraben und im Frühjahr den Horninhalt mit Wasser verrührt als Dünger benutzen? Bergkristall mahlen, bis er fein wie Mehlstaub ist und über Äcker und Wiesen sprühen? Das klingt esoterisch. Nach Hokuspokus, Zaubertrank und Hexerei. Doch auf Demeter zertifizierten Höfen wie dem Bio-Bauernhof Bollheim ist das normal. Man nennt das biologisch-dynamische Landwirtschaft. Präparate heißen die Ergebnisse dieser Verfahren.

Voraussichtliche Lesedauer: 13 Minuten

Ich kann nicht beurteilen, ob diese Methoden Wirkung zeigen. Aber ich weiß, dass die Produkte aus meiner wöchentlichen IDA-Kiste schmecken: Die Möhre schmeckt nach Möhre, Radieschen sind scharf. Käse, Fleisch, Wurst und Brot sind so lecker, dass man auch noch essen könnte, wenn der Hunger längst gestillt ist. Sie kommen unter anderem von Demeter zertifizierten Bauern aus der Region kommen.

So ist die Arbeit auf dem Bio-Bauernhof Bollheim

Davon abgesehen hat Hans von Hagenow überhaupt nichts Esoterisches an sich. Er ist bodenständig, ein Landwirt eben. Mit drei Kollegen bewirtschaftet er Haus Bollheim, den Bio-Bauernhof zwischen Euskirchen und Zülpich. Der Hof ist einer von fast 250 so genannten Demo-Betrieben, die zeigen, wie Ökolandbau funktioniert. 70 Mitarbeiter arbeiten auf dem Bollheimer Hof. 130 Kühe und Kälber leben hier sowie mehrere hundert Hühner. Außerdem gibt es über 50 Gemüsekulturen. Zahlen, die Hans von Hagenow selbst noch immer staunen lassen. „Ich hätte vor 30 Jahren nie damit gerechnet, dass wir einmal so groß würden“, sagt er, als er sich und den Hof während der Expedition Biomilch vorstellt. Sie wurde von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Bundesprogramm Ökologischer Landbau durchgeführt.

Öko, Bio und Demeter sind Begriffe, die bei vielen nur positive Assoziationen hervorrufen. Doch von Hagenow räumt ein, dass seine Arbeit nicht immer einfach ist. Er nennt Beispiele, bei denen man auch als biologisch-dynamischer Landwirt an die Grenzen des eigenen Anspruchs kommt: Trixi, Devotion, Berner Rose – diese und andere Tomatensorten würden ohne Plastiktunnel auch auf dem Bio-Bauernhof Bollheim nicht wachsen. Zu nass und kühl ist das Wetter für die zarten Pflanzen aus dem Süden. Auch Radieschen, Salat, Spinat oder Gurken wachsen unter Plastikfolien.

Alles Öko oder was?

„Ist das noch Bio?“, fragt Hans von Hagenow sich selbst. Anderes Beispiel: Für Kühe ist es optimal, wenn er und seine Mitarbeiter*innen sie alle zwölf Stunden melken. Morgens um sechs und abends um sechs also. „Fangen wir abends erst um 18 Uhr an, sind wir gegen 22 Uhr fertig“, sagt er. Das ist spät. Darum geht man einen Kompromiss ein: Die 55 Kühe werden nach nur zehn Stunden und schon ab 16 Uhr das zweite Mal gemolken.

Dazu muss man sie natürlich erst von der Weide holen: Nachdem die Straße gesperrt ist, geht das im Rhythmus der Tiere. Manchmal muss man sie dazu sanft auf den ausladenden Hintern klopfen. Ab und zu hilft nur, sie beherzt am schwingenden Schwanz zu ziehen, damit sie ihren schwankenden Schritt fortsetzen. Vor dem Melken, reinigt und trocknet man die Euter und desinfiziert die Zitzen. Eineinhalb bis zwei Stunden dauert das – zweimal am Tag. So kommt man auf gut 7000 Liter Milch im Jahr auf Bollheim. 1990 lag die Milchleistung einer Kuh in Deutschland noch bei gut 4700 Litern pro Jahr. In der konventionellen Viehzucht sind es jetzt teilweise 10.000 Liter und mehr.

Auch Bio hat mit Geld zu tun

Mit ein Grund, warum der Milchpreis zuletzt auf unter 20 Cent pro Liter gesunken ist: Es gibt zu viel davon, die Tiere wurden unter anderem durch Futter zu sehr optimiert. „Der Preis für Biomilch ist jedoch noch stabil“, sagt Hans von Hagenow. „Denn die Nachfrage steigt ständig. In einigen Jahren wird der Preis jedoch auch bei uns nachgeben“, mutmaßt er. Dann, wenn mehr Biomilch auf dem Markt ist, aber die Nachfrage nicht weiter steigt. Haus Bollheim wird der vielleicht künftig fallende Biomilchpreis jedoch wahrscheinlich nicht treffen: Schließlich wird die Milch in der Käserei verwertet.

Trotzdem geht es natürlich auch im auf dem Bio-Bauernhof Bollheim ums Geld: „Wir müssen mit Zahlen umgehen können“, sagt von Hagenow. „Die Arbeit muss sich rechnen“. Was das heißt, scheint nicht allen Kunden bewusst zu sein. Viele haben häufig ein verklärtes Bild von Bioprodukten: So glaubten einige Kunden auf dem Markt, dass er den Salat noch morgens geerntet habe, bevor er den Stand aufbaute. Andere wollten zu den angebotenen Möhren die Geschichte vom Saatgut bis zum Verkauf wissen. „Die können sie gerne bei uns auf dem Hof erfahren“, sagt Hans von Hagenow. „Würde ich sie ihnen auf dem Markt erzählen, würde ich aber zu wenig verkaufen.“ Übrigens: Haus Bollheim hat natürlich auch einen Hofladen.

Auf dem Bio-Bauernhof Bollheim: Aus dem Euter direkt in die Käserei

Haus Bollheim: Käse muss reifen
Haus Bollheim: Käse muss reifen

Rund 1000 Liter Milch pro Tag werden in der Käserei in Haus Bollheim bei Zülpich in NRW verarbeitet: 700 Gläser Joghurt pro Woche, 60 Gläser Dickmilch werden daraus gemacht – und natürlich Käse: Rotschmierekäse, Möhrengouda, Bergkäse und viele andere Sorten. Für ein Kilogramm Käse benötigt man zwischen acht und zwölf Litern Milch, erklärt uns Olaf Seyd, Käser auf Bollheim, bei der Expedition Biomilch. Sie wurde durchgeführt von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Bundesprogramm Ökologischer Landbau.

Seyd verarbeitet nur die Milch der Bollheimer Kühe. Sie wird direkt nach dem Melken in die Käserei gebracht. Trotzdem gibt es auch hier Unterschiede im Geschmack. Und das hat unter anderem mit dem Futter zu tun: Im Winter gibt es überwiegend Heu und Rüben, dadurch wird das Milchfett härter als im Sommer, wenn die Kühe auf der Weide sind. Aus der Sommermilch macht man beispielsweise Bergkäse.

Eigentlich wird die Milch in den großen Zubern mit den Metalldeckeln mit Lab versetzt und dann mit der so genannten Käseharfe zerstückelt. Weil wir aber unseren Käse selbst machen, arbeiten wir mit kleineren Mengen: Eine Metallschüssel mit vielleicht zwei Litern frischer Kuhmilch steht vor mir. Hinein kommen 40 Milliliter Labenzym, das die Milch verdickt. Lab wird aus Kälbermagen gewonnen. Nachdem ich das Enzym gut eingerührt habe, muss ich die Drehung der Milch mit einer Kelle stoppen.

Käse selbst gemacht in im Bio-Bauernhof Bollheim

Die Milch soll jetzt stehen, um möglichst schnell einzudicken. Nach etwa 20 Minuten fahren wir mit einem großen Spatel in unsere Schüsseln: Es bleibt eine Narbe zurück, und einige Zeit später, beim zweiten Versuch, ist die Masse nahezu schnittfest. Ziehen wir den Spatel heraus, entsteht ein Bruch. Jetzt schneiden wir den Schüsselinhalt längs und quer, so dass zunächst Scheiben entstehen, dann Säulen. Mit einem Löffel teilen wir die Masse nun von oben nach unten in Schichten, so dass wir schließlich weiße weiche Würfel in gelblicher Molke haben.

Die Milch hat beim Melken 37 Grad Celsius, jetzt hat sie noch 30 Grad Celsius. Wir erwärmen sie darum um vier Grad Celsius, ein Vorgang, der bei der Verarbeitung in den großen Kübeln nicht nötig ist. Wir schöpfen Molke ab, die später an die Tiere auf dem Bauernhof verfüttert wird. Dann rühren wir zwei Teelöffel Kräuter ein und füllen unsere Käsemasse in handgroße Herzförmchen. Durch die kleinen Löcher in der Form fließt die restliche Molke ab, der Käse senkt und verdichtet sich und trocknet soweit, dass wir ihn aus der Form stürzen und wenden können. Später badet Olaf Seyd unseren Herzkäse in Salzlake, und zum Frühstück steht er auf dem Tisch. Lecker ist er geworden, mir aber eine Spur zu salzig.

Ausverkauft: Bollheimer Löcherkäse

Käse auf dem Biohof Bollheim trocknet in der Regel zehn Tage und kommt dann ins Reifungslager. Dort hat es zwischen 9 und 19 Grad Celsius, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 70 bis 90 Prozent. Rotschmierekäse muss die ersten vier Wochen täglich mit Salzlake gebürstet werden, danach nur noch dreimal die Woche. Eine Arbeit, die eine 20-Stunden-Kraft voll beschäftigt. Durch diese Behandlung wird die Rinde nicht hart, sondern – wie es der Name schon sagt – rot und schmierig.

Bergkäse dagegen darf trocknen, mancher sogar bis zu zwei Jahre. Dazu liegt er auf speziellen Brettern, die Seyd aus der Schweiz gekauft hat: Sie sind aus Tanne oder Fichte, und der Hersteller beteuert, sie nur zu ganz bestimmten Mondphasen geschnitten zu haben. Mit den Ergebnissen ist Seyd zufrieden, doch noch besser werde der Käse auf Brettern, die er gebraucht gekauft hat, findet er. Seyd ist seit zwölf Jahren auf Gut Bollheim, ständig auf der Suche nach neuen Rezepturen und Möglichkeiten, seine Arbeit und den bereits mehrfach prämierten Käse noch besser zu machen. Die Kunden danken es. Der Bollheimer Löcherkäse beispielsweise ist ausverkauft, als ich ein kleines Paket im Hofladen für die nächste Woche kaufe. Der nächste Laib ist erst Mitte Juli soweit, dass er verkauft werden kann. Solange müssen die Kunden darauf verzichten – und können in dieser Zeit andere Käsesorten vom von Demeter zertifizierten Haus Bollheim kennenlernen.

Den Bollheimer Käse gibt es im Hofladen und bei einigen Kooperationspartnern sowie auf manchen Märkten in Köln und in der IDA-Gemüsekiste.

Wie man Bio auf Bollheim erfahren kann

Er sagt das mit einem Lachen. Denn Hans von Hagenow liebt es, seine Arbeit den Menschen näherzubringen. Darum absolvieren auf Bollheim auch Schulklassen ein zehntägiges Praktikum. Es gibt Einführungen ins Backen und in die Käserei für Interessierte. Und auch Kindergartenkinder sind willkommen, um zu erfahren, dass Milch und Eier nicht direkt im Supermarkt gemacht werden. Was für Hans von Hagenow zählt, lässt sich leicht in einem Satz sagen: „Es ist die Arbeit am Lebendigen, mit der Natur und den Tieren“. Und genau das vermittelt er auch seinen Besuchern – gut und gerne.

Während der Expedition Biomilch wurden die Kosten für Unterkunft und Verpflegung vom Veranstalter übernommen.

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